Eugen Sue
Die Geheimnisse von Paris
Eugen Sue

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Viertes Kapitel.

Im Palais des Fürsten Rudolf

»Sie können sich denken, Luise, wie verwirrt mich diese Nachricht gemacht hat, und daß ich mich dann natürlich nicht mehr getraut habe, die Mitgift auszuschlagen, die er mir so gütig spendete! Nun, vor vierzehn Tagen also sind wir getraut worden, und vor etwa acht Tagen ließ uns Herr Rudolf sagen, wir beide, mein Mann und ich, möchten mit unserer Mutter, der Frau Georges, ihm einen Besuch machen. Und da haben wir uns natürlich gleich auf den Weg gemacht. Mir hat – das können Sie sich wohl denken – das Herz gewaltig geklopft, als wir in der Rue Plumet ankamen und in einen herrlichen Palast eintraten, durch eine ganze Reihe von Sälen geführt wurden, in denen es von betreßten Dienern, von Herren in Fracks, mit silbernen Ketten am Halse und Degen an der Seite, schier wimmelte. Auch Offiziere in Uniform habe ich gesehen, und Gold über Gold, so daß man schier geblendet wurde! Endlich kamen wir in ein großes Zimmer, an dessen Wänden Bücher über Bücher standen, und dort saß vor einem großen, herrlichen Schreibtische der alte, große Herr mit der Glatze und dem gutmütigen Gesicht, und um ihn herum standen und saßen allerhand Herren in Uniform, alte und junge, und als wir eintraten, stand der alte, große Herr mit der Glatze auf, nahm die Frau Georges bei der Hand und führte uns in ein anderes großes Zimmer, wo wir Herrn Rudolf, ich meine, den regierenden Herrn Großherzog, erblickten. O, der war aber ganz schlicht gekleidet und sah so lieb, so schlicht, so herzensgut aus, und gar nicht stolz – wie es Fürsten und Könige doch immer sein sollen – sondern ganz wieder so, wie wir ihn immer gesehen hatten – so daß ich gleich wieder Mut faßte und daran dachte, wie er mir aus dem Magazine die Pakete getragen hatte . . .«

»Sie haben sich wirklich gar nicht gefürchtet?« fragte Luise, »ach! ich – ich hätte am ganzen Leibe gezittert!« – »Nein, liebe Freundin, mir hat's gar nichts ausgemacht . . . Zumal er gar gütig gegen Frau Georges war und Germain die Hand reichte und lächelnd zu mir sagte: ›Nun, liebe Nachbarin, wie geht es denn Ihrem Papa Cretu und Ramonette?‹ – (So heißen nämlich meine beiden Vögelchen.) Auch an sie sogar dachte er! – ›Die singen doch,‹ fuhr er fort, ›mit Germain jetzt um die Wette?‹ – ›Ja, gnädigster Herr – unsere Mutter, Frau Georges, hatte unterwegs zu mir gesagt, wir müßten ihn gnädigster Herr oder königliche Hoheit nennen – ja, gnädigster Herr, wir sind sehr glücklich und freuen uns unseres Glückes noch weit mehr, weil wir es Ihnen verdanken.‹ – ›Nicht mir, mein Kind, sondern Ihren und Germains Tugenden haben Sie zu verdanken, was Sie Ihr Glück nennen‹ – und so sprach er noch vieles, was ich aber lieber übergehe, weil es sonst leicht scheinen möchte, als ob ich mich selbst loben wollte. – Endlich mußten wir den guten Herrn verlassen, aber wir taten es mit recht schwerem Herzen, denn wir werden ihn nicht wiedersehen. Er sagte, er würde nach wenigen Tagen nach Deutschland zurückkehren, vielleicht ist er schon fort; aber mag er hier sein oder dort, wir werden immer an ihn denken.«

»Wie glücklich müssen sich die Untertanen solches Herrschers fühlen!«

»Ja, wenn man denkt, was er uns, die wir ihm doch fremd sind, Gutes getan! Noch vergaß ich Ihnen zu sagen, daß in Bouqueval ein recht gutes, braves Mädchen gewohnt hat, die auch – und zu ihrem Glück – Herrn Rudolf kennen lernte; aber unsere Mutter hatte mir verboten, ihrer gegen den Fürsten Erwähnung zu tun, ich weiß nicht warum, wahrscheinlich weil er es nicht gern hört, daß man von seinen Wohltaten spricht. – Das liebe Mädchen – unter den Leuten, die sie früher beherbergten, hieß sie die Schalldirne – hat übrigens ihre Eltern wiedergefunden, die sie weit, weit mit sich fortgenommen haben. Es tut mir recht, recht leid, daß ich nicht von ihr Abschied habe nehmen können.

»Nun,« sagte Luise, »also auch sie ist glücklich – aber ich – ich –«

»Ach, liebe Freundin,« erwiderte die junge Frau Germain, »Sie dürfen es mir wirklich nicht übelnehmen, daß ich nur an mich denke und nur von dem Glück spreche, das mich ereilt hat – und daß ich gar nicht daran denke, wieviel Herzeleid Sie noch zu tragen haben.«

»Ach, hätte ich doch mein Kind behalten können!« klagte Luise, »dann stände ich doch nicht so allein in der Welt; denn mich wird kaum noch ein rechtlich denkender Mann nehmen wollen, trotzdem ich jetzt auch nicht mehr so arm bin wie vordem.« – »Sprechen Sie doch nicht so, Luise!« sagte Frau Germain, »das Gegenteil ist doch der Fall, denn ein Mann von rechtlichem Gefühl wird, wenn er alles weiß, Sie bloß beklagen müssen, wird Sie achten müssen, denn er wird sein Herz nicht der Ueberzeugung verschließen können, daß nur ein sehr edel denkendes Mädchen so hat handeln können, wie Sie gehandelt haben, daß aber niemand gegen einen so bodenlosen Schurken wie diesen Ferrand gefeit ist. – Wie sollte denn sonst Germain sich über all das so hinweggesetzt haben, was ihm passiert ist, und was doch seiner Ehrenhaftigkeit auch so tiefe Wunden zu schlagen drohte, wie sie keines Menschen Lebensdauer wieder zu heilen vermag?«

»O, Sie sprechen nur so, weil Sie mich trösten wollen . . .«

»Nein, ich spreche so, weil es die Wahrheit ist, Freundin!«

»Nun, mag es Wahrheit sein oder nicht,« erwiderte Luise, »so tut es mir doch wohl, solche Worte aus Ihrem Munde zu vernehmen, und ich danke Ihnen aus ganzem Herzen dafür . . . Doch wer kommt da? Ei, der Herr Pipelet mit seiner Frau! Jesus! Wie fidel der aussieht, und er war doch in der letzten Zeit immer so trübselig gestimmt über die Dummheiten, die Herr Cabrion immer vorhatte!«


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