Johann Peter Eckermann
Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens
Johann Peter Eckermann

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Montag, den 17. Januar 1831*

Ich fand Coudray bei Goethe in Betrachtung architektonischer Zeichnungen. Ich hatte ein Fünffrankenstück von 1830 mit dem Bildnis Karls X. bei mir, das ich vorzeigte. Goethe scherzte über den zugespitzten Kopf. »Das Organ der Religiosität erscheint bei ihm sehr entwickelt«, bemerkte er. »Ohne Zweifel hat er aus übergroßer Frömmigkeit nicht für nötig gehalten, seine Schuld zu bezahlen; dagegen sind wir sehr tief in die seinige geraten, indem wir es seinem Geniestreich verdanken, daß man jetzt in Europa so bald nicht wieder zur Ruhe kommen wird.«

Wir sprachen darauf über ›Rouge et Noir‹, welches Goethe für das beste Werk von Stendhal hält. »Doch kann ich nicht leugnen,« fügte er hinzu, »daß einige seiner Frauencharaktere ein wenig zu romantisch sind. Indes zeugen sie alle von großer Beobachtung und psychologischem Tiefblick, so daß man denn dem Autor einige Unwahrscheinlichkeiten des Details gerne verzeihen mag.«


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