Johann Peter Eckermann
Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens
Johann Peter Eckermann

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Mittwoch, den 3. März 1830

Mit Goethe vor Tisch spazieren gefahren. Er spricht günstig über mein Gedicht in bezug auf den König von Bayern, indem er bemerkt, daß Lord Byron vorteilhaft auf mich gewirkt. Mir fehle jedoch noch dasjenige, was man Konvenienz heiße, worin Voltaire so groß gewesen. Diesen wolle er mir zum Muster vorschlagen.

Darauf bei Tisch reden wir viel über Wieland, besonders über den ›Oberon‹, und Goethe ist der Meinung, daß das Fundament schwach sei und der Plan vor der Ausführung nicht gehörig gegründet worden. Daß zur Herbeischaffung der Barthaare und Backenzähne ein Geist benutzt werde, sei gar nicht wohl erfunden, besonders weil der Held sich dabei ganz untätig verhalte. Die anmutige, sinnliche und geistreiche Ausführung des großen Dichters aber mache das Buch dem Leser so angenehm, daß er an das eigentliche Fundament nicht weiter denke und darüber hinauslese.

Wir reden fort über viele Dinge, und so kommen wir auch wieder auf die Entelechie. »Die Hartnäckigkeit des Individuums, und daß der Mensch abschüttelt, was ihm nicht gemäß ist,« sagte Goethe, »ist mir ein Beweis, daß so etwas existiere.« Ich hatte seit einigen Minuten dasselbige gedacht und sagen wollen, und so war es mir doppelt lieb, daß Goethe es aussprach. »Leibniz«, fuhr er fort, »hat ähnliche Gedanken über solche selbständige Wesen gehabt, und zwar, was wir mit dem Ausdruck Entelechie bezeichnen, nannte er Monaden.«

Ich nahm mir vor, das Weitere darüber in Leibniz an Ort und Stelle nachzulesen.


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