Johann Peter Eckermann
Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens
Johann Peter Eckermann

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Sonntag, den 19. Oktober 1823

Diesen Mittag war ich das erste Mal bei Goethe zu Tisch. Es waren außer ihm nur Frau von Goethe, Fräulein Ulrike und der kleine Walter gegenwärtig, und wir waren also bequem unter uns, Goethe zeigte sich ganz als Familienvater, er legte alle Gerichte vor, tranchierte gebratenes Geflügel, und zwar mit besonderem Geschick, und verfehlte auch nicht, mitunter einzuschenken. Wir anderen schwatzten munteres Zeug über Theater, junge Engländer und andere Vorkommnisse des Tages; besonders war Fräulein Ulrike sehr heiter und im hohen Grade unterhaltend. Goethe war im ganzen still, indem er nur von Zeit zu Zeit als Zwischenbemerkung mit etwas Bedeutendem hervorkam. Dabei blickte er hin und wieder in die Zeitungen und teilte uns einige Stellen mit, besonders über die Fortschritte der Griechen.

Es kam dann zur Sprache, daß ich noch Englisch lernen müsse, wozu Goethe dringend riet, besonders des Lord Byron wegen, dessen Persönlichkeit von solcher Eminenz, wie sie nicht dagewesen und wohl schwerlich wiederkommen werde. Man ging die hiesigen Lehrer durch, fand aber keinen von einer durchaus guten Aussprache, weshalb man es für besser hielt, sich an junge Engländer zu halten.

Nach Tisch zeigte Goethe mir einige Experimente in bezug auf die Farbenlehre. Der Gegenstand war mir jedoch durchaus fremd, ich verstand so wenig das Phänomen als das, was er darüber sagte; doch hoffte ich, daß die Zukunft mir Muße und Gelegenheit geben würde, in dieser Wissenschaft einigermaßen einheimisch zu werden.


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