Johann Peter Eckermann
Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens
Johann Peter Eckermann

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Weimar, Donnerstag, den 2. Oktober 1823

Bei sehr freundlichem Wetter bin ich gestern von Jena herübergefahren. Gleich nach meiner Ankunft sendete mir Goethe, zum Willkommen in Weimar, ein Abonnement ins Theater. Ich benutzte den gestrigen Tag zu meiner häuslichen Einrichtung, da ohnehin im Goetheschen Hause viel Bewegung war, indem der französische Gesandte Graf Reinhard aus Frankfurt und der preußische Staatsrat Schultz aus Berlin gekommen waren, ihn zu besuchen.

Diesen Vormittag war ich dann bei Goethe. Er freute sich über meine Ankunft und war überaus gut und liebenswürdig. Als ich gehen wollte, sagte er, daß er mich doch zuvor mit dem Staatsrat Schultz bekannt machen wolle. Er führte mich in das angrenzende Zimmer, wo ich den gedachten Herrn mit Betrachtung von Kunstwerken beschäftigt fand, und wo er mich ihm vorstellte und uns dann zu weiterem Gespräch allein ließ.

»Es ist sehr erfreulich,« sagte Schultz darauf, »daß Sie in Weimar bleiben und Goethe bei der Redaktion seiner bisher ungedruckten Schriften unterstützen wollen. Er hat mir schon gesagt, welchen Gewinn er sich von Ihrer Mitwirkung verspricht, und daß er nun auch noch manches Neue zu vollenden hofft.«

Ich antwortete ihm, daß ich keinen anderen Lebenszweck habe, als der deutschen Literatur nützlich zu sein, und daß ich, in der Hoffnung hier wohltätig einzuwirken, gerne meine eigenen literarischen Vorsätze vorläufig zurückstehen lassen wolle. Auch würde, fügte ich hinzu, ein praktischer Verkehr mit Goethe höchst wohltätig auf meine fernere Ausbildung wirken, ich hoffe dadurch nach einigen Jahren eine gewisse Reife zu erlangen, und sodann weit besser zu vollbringen, was ich jetzt nur in geringerem Grade zu tun imstande wäre.

»Gewiß«, sagte Schultz, »ist die persönliche Einwirkung eines so außerordentlichen Menschen und Meisters wie Goethe ganz unschätzbar. Ich bin auch herübergekommen, um mich an diesem großen Geiste einmal wieder zu erquicken.«

Er erkundigte sich sodann nach dem Druck meines Buches, wovon Goethe ihm schon im vorigen Sommer geschrieben. Ich sagte ihm, daß ich in einigen Tagen die ersten Exemplare von Jena zu bekommen hoffe, und daß ich nicht verfehlen würde, ihm eins zu verehren und nach Berlin zu schicken, im Fall er nicht mehr hier sein sollte,

Wir schieden darauf unter herzlichem Händedrücken.


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