Johann Peter Eckermann
Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens
Johann Peter Eckermann

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Mittwoch, den 3. Dezember 1828*

Heute hatte ich mit Goethen einen anmutigen Spaß ganz besonderer Art. Madame Duval zu Cartigny im Kanton Genf nämlich, die sehr geschickt in Zubereitung von Konfitüren ist, hatte mir als Produkte ihrer Kunst einige Zedraten für die Frau Großfürstin und Goethe geschickt, völlig überzeugt, daß ihre Konfitüren alle anderen so weit übertreffen, als die Gedichte Goethes diejenigen der meisten seiner deutschen Mitbewerber.

Die älteste Tochter jener Dame hatte nun schon längst eine Handschrift Goethes gewünscht, worauf es mir einfiel, daß es klug sein würde, durch die süße Lockspeise der Zedraten Goethen zu einem Gedicht für meine junge Freundin anzukörnen.

Mit der Miene eines mit einem wichtigen Geschäft beauftragten Diplomaten ging ich daher zu ihm und unterhandelte mit ihm als Macht gegen Macht, indem ich für die offerierten Zedraten ein Originalgedicht seiner Hand zur Bedingung machte. Goethe lachte über diesen Scherz, den er sehr wohl aufnahm, und sich sogleich die Zedraten erbat, die er ganz vortrefflich fand. Wenige Stunden darauf war ich sehr überrascht, folgende Verse als ein Weihnachtsgeschenk für meine junge Freundin ankommen zu sehen:

Glücklich Land, allwo Zedraten
Zur Vollkommenheit geraten!
Und zu reizendem Genießen
Kluge Frauen sie durchsüßen! usw.

Als ich ihn wiedersah, scherzte er über den Vorteil, den er jetzt aus seinem poetischen Metier zu ziehen imstande sei, während er in seiner Jugend zu seinem ›Götz‹ keinen Verleger habe finden können. »Ihren Handelsvertrag«, sagte er, »nehme ich an; wenn meine Zedraten verschmaust sein werden, vergessen Sie ja nicht andere zu kommandieren, ich werde pünktlich mit meinen poetischen Wechseln zahlen.«


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