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Man schnorrt für den Bismarck-Film
Wie der »Anti-Potemkin« aussieht

Berlin, 28. August

Seit mehr als einem Jahre wird mit großzügiger Reklame der zweiteilige Bismarck-Film angekündigt, als die Gipfelung aller vaterländischen Filme, als der Über-Fridericus, sozusagen. Als der erste Teil im Spätherbst vorigen Jahres herauskam, sah man ziemlich erstaunt ein recht rückständiges Elaborat, das in langweiliger Idyllik den jungen Bismarck anekdotisch niedlichte. Der kreißende Babelsberg hatte ein recht schäbiges Mäuslein geboren.

Jetzt geht ein Rundschreiben um, aus dem sich ergibt, daß die stärksten Minen noch nicht krepiert sind. Wir lesen da:

»Wir bitten ganz ergebenst zu erwägen, daß der Bismarck-Film nicht nur verführte Volksmassen dem nationalen Gedanken zurückgewinnen und ein Gegengewicht zu dem überall verbreiteten, künstlerisch hervorragenden und dadurch um so gefährlicheren russischen ›Potemkin-Film‹ bilden wird, sondern auch im Ausland für Deutschland sprechen soll.«

Der Anti-Potemkin also!

So gingen wir denn mit berechtigter Spannung am Sonntag mittag ins Piccadilly, um die angekündigte Vorführung von Proben aus dem zweiten Teil zu bewundern.

Um es gleich zu sagen: obgleich nur Bruchstücke vorgeführt wurden, der Eindruck war niederschmetternd. Eine kümmerliche Zusammenstellung von kostümierten Puppen, aus dem Tapezier- und Schneider-Ingenium eines neuen Anton von Werner geboren, alles historisch »richtig«, aber entsetzlich nüchtern, alles verkleinert, in peinlichste Panoptikumnähe gebracht. Bismarck: ein subalterner Glatzkopf mit einem ewigen treuen, leicht verkümmeltem Lächeln; Roon: ein Herrschaftskutscher aus Pommern, der alte Wilhelm: stereotype Leutseligkeit. Mit Schaudern sieht man in dem Gewimmel von Talentlosigkeiten das schöne südländische Profil der Morena und wendet sich betränt ab.

So muß auch hier wie bei dem ganzen Genre die Begleitmusik alles schmeißen. Die setzte mit einem dröhnenden Fridericus ein und übermalte die trostlose Statisterie der Versailler Kaiser-Proklamation mit schmetterndem »Heil dir im Siegerkranz«, sehr zur Begeisterung des erschienenen »vaterländischen« Publikums.

Wie denkt man sich nun eigentlich die angesagte Wirkung auf das Ausland? Nur ein Tor kann annehmen, es ließen sich mit einem Film, dessen Höhepunkte preußische Parademärsche sind und der im übrigen nur Geschichtsklitterung und Hohenzollern-Legende bringt und sonst nicht ein künstlerisch reizvolles oder menschlich ergreifendes Motiv aufweist, Exportgeschäfte machen. Doch darauf kommt es den Managern gar nicht an. Wie der Manuskriptmacher Herr Professor Ziehen in einer Ansprache ausführte, hat dieser Film die Aufgabe, aufzurütteln, er soll ein Kampfruf sein gegen die Schmach von Versailles und die Erinnerung an Deutschlands größte Zeit wachhalten. Ein ausgeprägter Revanchefilm, ein Film für monarchistische Propaganda also, dessen historische Treue sich in der Richtigkeit von Vollbärten und Gipsnasen beschränkt. Interessanter als die gezeigten Bilder ist die Tatsache, daß das Unternehmen, dessen Zweck Herr Professor Ziehen so deutlich gekennzeichnet hat, und der für die Öffentlichkeit noch jetzt als »politisch neutral« firmiert, noch immer unter der Schirmherrschaft des Reichspräsidenten von Hindenburg steht.

Wie der Herr Professor sonst noch mitteilt, befindet sich die Gesellschaft in argen geschäftlichen Schwierigkeiten.

Es fehlen für die Vollendung noch etwa 150 000 Mark, und die heutige Vorführung bezweckte im wesentlichen, Mäzene zu werben.

So besteht die Möglichkeit, daß Bismarck Zwo niemals das Licht der Welt erblicken wird.

Montag Morgen, 30. August 1926


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