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Lherman

Am vergangenen Donnerstag wurden die Besucher des Trianon-Theaters Opfer eines bizarren Attentates, indem Herr Iho Lherman, der Inhaber der »Jungen Generation«, die Aufführung von Etwas arrangierte, was schon nach den ersten Worten mühelos als heilloser Dilettantismus diagnostiziert werden konnte. Das Publikum, sofort erkennend, was gespielt wurde, fügte sich fröhlich in sein Schicksal. Kyritz hätte mit Stinkbomben reagiert, Berlin, das Unsentimentale und Gefühllose, kostete fünfviertel Stunden harmlos vergnügter Juxstimmung aus. Ja, bitterernste Rezensenten, die imstande sind, einen Chaplin mit gefurchter Ephorenstirn zu verlassen, gingen mit wackelnden Bäuchen.

Das verdanken wir nicht dem Autor, der sicherlich ein kreuzbraver Mensch ist und vielleicht auch das Dichten läßt, wenn man es ihm nur mal richtig sagt, sondern dem Unternehmer Lherman, der mit geschmeicheltem Lächeln über den ihm angetanen Beifall quittierte.

Man könnte diese Affäre weniger heiter nehmen als das Publikum. Man fühlt sich verleitet, zum generellen Boykott dieser Lherman-Matineen und Soireen aufzufordern, die nicht nur den Namen der jungen Generation diskreditieren, sondern auch geeignet sind, dem schwer kämpfenden Theater von heute überhaupt ein Odium von Lächerlichkeit anzuhängen.

Aber immer wieder kommen Freunde, als verständige Menschen geschätzt, und wenden ein: Dieser Lherman, als soziales Wesen labil, über de[m] Abgrund schwebend, ein Gezeichneter, ja, eigentlich schon ein Aussortierter, sei im Grunde ein Kerl von prächtiger Vitalität, einer, der nach dem Theater hungert, einer, der an dessen Peripherie herumgeistert und besessen genug ist, das Schloß der Theatertür zu knacken, wenn ihm der Schlüssel verweigert Ein hervorragender Kritiker sieht aus Lhermans Tollheiten Begabungsfunken sprühen, andere lehnen ihn nach früheren Erfahrungen ohne Diskussion ab. Dazwischen steht die Meinung der Freunde.

So existiert dennoch ein Fall Lherman. Einen Ausweg zu schaffen, diene der folgende Vorschlag: Man gebe Herrn Lherman einmal wirklich Gelegenheit, Regiebegabung zu zeigen. In einem Rahmen, den er nicht mit eigener Firma füllt. Man stelle ihn vor ein Stück, das er nicht mit seinen eigenen anfechtbaren Lektorenkünsten Das wäre mit Menschenwitz ersonnen ein Gottesurteil. Wem es zu tolerant erscheint: – man möchte nicht über einen Menschen den Bann sprechen, von dem ein Einziger noch liebenswürdig und glaubensvoll spricht.

Montag Morgen, 22. Februar 1926


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