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Korruptionsstudenten

Auch die vergangene Woche stand im Zeichen des Untersuchungsausschusses. Jeden Tag etwas Neues, – Zwischenfall, Enthüllung, Skandal. Die Sitzungspausen wurden ausgefüllt von der Staatsanwaltschaft, die auch etwas zur allgemeinen Ergötzung beitragen wollte. Wenn früher der Arm des Gesetzes – man entschuldige das seltsame Bild – gleichsam zu Fuß ging, während der Missetäter auf geölten Sohlen entglitt, so flitzt er heute, Dresden hin, Dresden her, im Flugzeug durch die Lüfte, während der Gesuchte mit allen Verspätungen eines normalen D-Zuges hinter seinem Häscher herhumpelt.

Aber zurück zum Thema! Der Untersuchungsausschuß, der Leidig-Ausschuß (oh, wie er seinen Namen verdient!), hat nicht nur Vorsitzenden, Mitglieder, Angeklagte, Zeugen und polizeilichen Schutz, sondern auch Publikum. Seine Sitzungen sind jedem Staatsbürger zugängig, und in der Tat hat sich ein lebhafter Andrang bemerkbar gemacht. Ja, wenn man dem »8-Uhr-Abendblatt« trauen darf, so sind sogar Herren aus Hinterpommern eigens dazu nach Berlin gekommen.

Man kennt von Moabit her die Kriminalstudenten. Die sitzen auch nicht bis in den späten Nachmittag in der Turmstraße herum, um sich an den Siegen der Justiz zu weiden. Haben sie etwa ein Gegenstück gefunden in den Korruptionsstudenten? Sollten alle diese Damen und Herren, die Ehrengäste aus Hinterpommern inbegriffen, etwa nur herbeigeeilt sein, um ihre Erfahrung zu bereichern, um für die Zukunft zu profitieren, Korruption, die letzte Mode?

Wie dem auch sei, die Stimmung ist vorhanden. Und Vater Staat, dem alle Welt Schröpfköpfe ansetzt, sollte daraus seinen Nutzen ziehen.

Hier einige praktische Vorschläge. Heraus zunächst aus dem engen Gelaß in der Prinz-Albrecht-Straße. Das geeignete Lokal wäre das Große Schauspielhaus. Das Stadion empfiehlt sich leider aus akustischen Gründen nicht. Es würden dem gespannten Zuhörer gerade die remarkablen Einzelheiten entgehen, die pikanten Episoden, die geistreichen Zwischenrufe. Selbstverständlich müssen anständige Eintrittspreise erhoben werden. An besonderen Tagen, wenn z.B. gerade eine Minister-Reputation ramponiert wird, natürlich erhöht. Gelegentlich auch, zur Aufmunterung, ganz billige Sonntags-Nachmittags-Vorstellungen für den verarmten Mittelstand oder die geistigen Arbeiter, damit auch diese so gründlich unter den Wagen geratenen Volksschichten einmal sehen und hören, wie Herr Deerberg abgesetzt wird, Herr Klinkhammer seine Solonummern agiert oder die Wache unter der siegesgewohnten Führung eines Majors ins Gewehr tritt und die Kommunisten befördert.

Der Ertrag aber soll der Unterstützungskasse für notleidende Geheimräte zufließen. Diesen Beklagenswerten muß die Rückkehr zum Pfad der Tugend erleichtert werden. Mit guten Worten ist das nicht getan. Auch das Besserwerden kostet Geld und gemeinhin mehr als der Sündenfall.

Montag Morgen, 16. Februar 1925


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