Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

628

Prinzessin Husch

Diese Operette-Text August Neidhardt, Musik Leon Jessel – hat das unbestreitbare Verdienst eine schon längst allbeliebte blonde Öldruck-Heroine nun auch dem Volk menschlich näher zu bringen. Sie springt als kniefreies Backfischchen im Garten herum und singt dazu also:

Die Jungfer Husch,
Die durchs Leben tollt,
Die Jungfer Husch,
Die der Deubel holt, Die Jungfer Husch – Husch – Husch –
Ein Frühlingstraum im Fliederbusch!
Die Jungfer Husch,
Voll von Schabernack,
Die Jungfer Husch
Mit dem Dudelsack,
Die Jungfer Husch
Und wie nennt man sie
Auf französisch?
»Louise l'etourdie!«

So singt sie. Und wers nicht glaubt, gehe ins Theater des Westens und überzeuge sich. Dann als Königin an der Seite des hölzernen Friedrich Wilhelm, weil sie sonst nichts zu tun hat, huscht sie in die Politik und bringt ein Bündnis mit Rußland gegen Napoleon zustande. Das Programmheft erzählt: »Alexander kommt selbst nach Charlottenburg, Luise mischt sich in die hohe Politik und es gelingt ihnen, den König zum Eingehen des Allianzvertrages zu bewegen. Das Bündnis ist geschmiedet, Luise legt Friedrichs und Alexanders Hände ineinander.

Fest vereint, wie mir scheint,
Steht Ihr Beide da,
Und es klingt, wenn man singt,
»Heil Viktoria!«

Das Ergebnis dieses Bündnisses war Jena, und der Zusammenbruch. Aber das braucht ein Librettist nicht zu wissen, wissen es doch auch gescheitere Leute nicht.

Die vaterländische Operette wäre also die neueste Errungenschaft. Große nationale Aktionen in bunter Folge mit Tanzduetts und Couplets. Was Herrn Leon Jessel anbetrifft, so ist er der Komponist des vor fünfzehn Jahren beliebten Schlagers »Die Parade der Zinnsoldaten«, populär geworden in der textlichen Variation: »Freue dich, freue dich Fritzchen, morgen gibt es Selleriesalat ...« Demnach wäre Jessels preußische Sendung in geradezu idealer Weise legitimiert. Und ohne Zweifel hebt sich seine Musik äußerst angenehm ab von der abgrundtiefen Scheußlichkeit der Verse Neidhardts.

Aber was soll es werden, wenn nach Ludwig Bergers Vorbild ein zweiter Teil folgt? Ich freue mich schon wie ein Schneekönig auf die Flucht nach Tilsit mit dem Shimmy: »Wer nie sein Brot mit Tränen aß ...«, und auf den Charleston Luise-Napoleon und das humoristische Terzett Stein-Hardenberg-Blücher. Ganz zu schweigen von den komischen Episoden, die Heinrich von Kleist und Ferdinand von Schill zufallen.

Montag Morgen, 15. März 1926


 << zurück weiter >>