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Hörsings Stunde

Die demokratische Landtagsfraktion hat an die preußische Regierung die Aufforderung gerichtet, dahin zu wirken, daß die Abfindung der ehemaligen Fürstenhäuser endlich durch ein Reichsgesetz geregelt werde. Bereits im letzten Heft des »Tage-Buches« war der dringende Wunsch ausgesprochen worden nach einer durchs ganze Reich hallenden Volksbewegung für dieses Gesetz. Insbesondere war das Reichsbanner und sein Führer Herr Hörsing apostrophiert worden: »Wo, Hörsing, ist jetzt Ihre Jugend? Es gilt, die stärkste Finanzierung der Dynastien und damit der monarchischen Parteien zu verhindern. In dieser Stunde, energischer Hörsing, müssen Sie durch ganz Deutschland Alarm blasen lassen! Vielleicht gelingt es Ihren hellen Trompeten sogar, die Sozialdemokratie aus ihrem Passivitätsschlummer zu wecken, vielleicht können Sie in zwei Wochen schon den Versammlungssturm inszenieren, der – durch parlamentarische Initiativanträge unterstützt – einen Volkswillen schaffen wird, der die Abfindung der Hohenzollern der Devotion monarchischer Richter endlich entzieht. Nie hat es dankbareren Stoff für eine fröhliche, stürmische attackierende Republikaneroffensive gegeben! Man muß ja nicht Herrn Südekum zum Regisseur dieses Volkssturms machen.«

Wird der »Tambourmajor« Hörsing diesen Appell verstehen? Hier ist Wichtigeres zu tun als Gebalge mit den Pazifisten! Wichtigeres auch als Arrangements von Fackelzügen und Paraden. Der demokratische Antrag ist gut. Aber bis auf weiteres nur eine schwache Stimme, der erst Resonanz verschafft werden muß. Die Stunde des Reichsbanners, Hörsings Stunde naht.

Behandelt man die Abfindungsfrage im alten Stil weiter, so werden die verarmten Länder in maßlosester Weise ausgepowert und der 9. November entwickelt sich für die früheren Fürsten zu einem Bombengeschäft. Mit einem Stecken kam der Große Kurfürst aus Holland. Mit 100 Millionen Goldmark zieht sein Enkel wieder ab.

Montag Morgen, 23. November 1925


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