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Wo bleibt Friedrich August?

Am Freitag hatten sich in Nürnberg ehemalige deutsche Fürsten zusammengefunden zur Besprechung brennender Berufsfragen. Bayern war durch seinen Rupprecht vertreten, Preußen durch den Prinzen Oskar, von dem Kronprinzen munkelte man, daß er nicht übel Lust verspürt haben soll, incognito zu erscheinen. Er liebt nicht geräuschvolles Auftreten; dieser Sinn für Decenz liegt bekanntlich in der Familie.

Der enge berufsständische Zusammenschluß von Häuptern, die einmal gekrönt waren und es gern wieder werden möchten, gehört mit zum Bild der Zeit. Denn Fürsten, und erst recht abgesetzte, sind nicht oben in den Lüften schwebende Genien, sondern Bürger dieser Erde, wenn auch hochrangige. Infolgedessen klassenmäßig bedingt, infolgedessen zur Wahrnehmung ihrer Interessen, zu organisatorischer Einordnung gezwungen. Und davon profitieren auch die Völker. Ein zufriedener, richtig organisierter Fürst, der seine Marken pünktlich klebt, verspricht geordnetes Regiment dem Bürger und dem Landmann Getreidezölle und jeden Sonntag ein Huhn im Topf.

Aber warum hört man bei solchen und ähnlichen wichtigen Anlässen immer nur von Hohenzollern und Wittelsbach, von Hessen, Anhalt, Lippe, selbst die Welfen sind ja an Deutschland noch immer interessiert, warum aber hört man nie etwas von Wettin? Da ist die schicksalsvolle Frage nicht zu vermeiden: wo bleibt Friedrich August, ehemals Sachsens quietschvergnügter Despot?

Rupprecht veranstaltet unermüdlich Deutsche Tage, enthüllt Mahnmäler, nimmt Paraden des monarchistischen Heerbanns ab. Auch der Dulder von Oels arbeitet auf seine stille Weise; selbst der kleinste thüringische Landesfürst z. D. bemüht sich strebend. Nur das Haus Wettin hat der großen Sache kühl bis an den Halskragen gegenübergestanden. Seit Friedrich August sich an einem grauen Novembertag vor seinen revoltierenden Untertanen mit einem Büchmann-reifen Kernwort ins beschauliche Privatleben zurückzog, scheint sein Interesse an der Branche völlig erloschen zu sein. Abgesehen von seiner Attacke auf Hans Reimann. Doch das gehört mehr zum Kapitel: Sachsen unter sich.

Es hilft alles nichts. Die deutsche Erneuerung marschiert ohne Wettin. Wenn vom Nürnberger Prätendenten-Meeting ein Danktelegramm an Stresemann geht, den verdienten Förderer und inoffiziellen Syndikus der deutschen Fürsten-Gewerkschaft, wird Friedrich August durch Fehlanzeige glänzen. Ihn reizt nicht der Zylinder des Volkskönigs. Er will unorganisiert, will bei den »Gelben« bleiben. Wenn Rupprechts Adjutant bei ihm zwecks Einkassierung von Mitgliedsbeiträgen anpocht, wird er ablehnend und unwirsch sagen: »Macht euern Dreck alleene ...!«

Montag Morgen, 19. Januar 1925


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