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Der sterilisierte Bismarck

Die Bismarck-Film-A.-G. versendet ein langes Propagandablatt für ihre Produktion, den Bismarck-Film, wahrscheinlich um die Öffentlichkeit gebührend auf den kommenden Schrecken vorzubereiten. Man ersieht daraus, daß ein vieldutzendköpfiger Ehrenausschuß, worin es von Exzellenzen nur so wimmelt, schirmend die Hände über das Kindlein hält. Übrigens haben dabei auch die bayerischen Honoratioren, was ja durchaus den politischen Tatbeständen entspricht, ihr Sonderkomitee. Dafür ist allerdings die gesamte bayerische Geistigkeit darin vertreten, vom Brauereibesitzer Pschorr bis zum Akademiepräsidenten Pfeilschiffter.

Üppig wie das Patronat ist auch die Zahl derjenigen Herren, die sich um die Bearbeitung des Manuskriptes verdient machten, das von einem Oberlehrer namens Ziehen herrührt. Wahrscheinlich waren um die Neuauflage des Brockhaus nicht so viel Expertise bemüht wie hier. Es wirkten u.a. künstlerische, militärische, studentische Berater mit, sogar für die Masken fungiert ein Gutachter. Für die historische Echtheit steht der Bismarck-Biograph Erich Marcks gerade, außerdem der Professor Dessoir, der sich bisher vornehmlich für Okkultismus interessierte und den man wahrscheinlich geholt hat, weil man ihn für einen Nachkommen des Alten Dessauer hält. Aber als ob man diesem erlesenen Sachverständigen-Kollegium doch nicht ganz traute, man hat sich für das Drehbuch extra die Herren Jungk und Urgiß gechartert, ein paar oft erprobte alte Filmjuden, die den Aufsatz des Herrn Oberlehrers erst richtig drehgerecht machen müssen. Wir zweifeln nicht, daß sie die Sache schon drehen werden.

Übrigens teilt das Reklameblatt beruhigend mit, daß der Film völlig tendenzlos sei, und weil man überhaupt politische Gefühle nicht verletzen wollte, so habe man verzichtet, die Geschichte der Entlassung hineinzubringen. Wir möchten hier verraten, daß der Bismarck zunächst Emil Jannings angetragen wurde, der aber, künstlerisch und historisch durchaus im Recht, darauf bestand, daß die Entlassung und damit die Konfrontation mit Wilhelm II. einbezogen würde. Als sich darauf die so sachverständig beratene Firma nicht einließ, sagte er ab. So kann Bismarck also über die Leinwand gehen, ohne die Gefühle der Potsdamer Hofgesellschaft zu verletzen. Man nennt das ... unpolitisch.

Montag Morgen, 7. September 1925


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