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Eure Sorgen ...

Der Reichstag, der sich zurzeit sommerlich gelockert mit Zöllen und Steuern befaßt, aber sonst ziemlich unbeschäftigt ist, hat, um sich die Zeit zu vertreiben, in einem seiner Ausschüsse eine Debatte über den Kapitän Ehrhardt und seine Beziehungen zur Prinzessin Hohenlohe getätigt.

Solche Debatten über Themen mit leicht familiärem Einschlag haben immer etwas unfreiwillig Komisches. Und vollends, wenn sich das Parlament als Minnehof etabliert.

Waren die Beziehungen »harmlos«, waren sie »sträflich«?

Der Sozialdemokrat sagt: sie sind tagtäglich zusammen gewesen, sie haben zusammen Ausflüge gemacht – die Prinzessin hat die Bekanntschaft mit Madame Ehrhardt vermieden!

Der Deutschnationale dagegen, der Ritterlichkeit seiner Tradition entsprechend: »Nach allem, was ich von der Prinzessin weiß, halte ich es für ausgeschlossen, daß sie irgendein intimes Verhältnis zu Ehrhardt gehabt hat. Wohl weiß ich, daß sie Ehrhardt sehr verehrt hat, aber nur als den Helden und Retter von Oberschlesien. Als ich später den Prozeßbericht las, habe ich die Zofe der Prinzessin, die ich als durchaus zuverlässig kenne, auf Ehre und Gewissen gefragt, und sie hat versichert, daß ihr von einem intimen Verhältnis nichts bekannt sei.« (Soweit die Zofe.)

Und schließlich noch das Zeugnis des Abg. Dr. Wunderlich, der dem Richterkollegium des Prozesses angehörte: »Ich habe mir über die Frage, welcher Art die Beziehungen beider gewesen sind, weder positiv noch negativ ein Urteil bilden können.« Was man nicht deklinieren kann, das sieht man als ein Neutrum an.

Hartes Dilemma. Vielleicht veranstaltet man im Sportpalast oder Stadion nach mittelalterlichem Brauch ein Gottesurteil, läßt man die Beiden barfüßig über eine heiße Herdplatte gehen. Wenn einer »Au« sagt, dann wissen wirs bestimmt ...

Aber nett ist es doch, daß unser Reichstag sich mit pikantem Unterhaltungsstoff versorgt. Wir denken an Steuern, Pleite usw.

Kinder, eure Sorgen möchten wir haben ...!

Montag Morgen, 10. August 1925


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