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Roter Rummel im Lustgarten

Zwischen Museum und Schloß, um die Domtreppe, um das Reitermonument in Parkmitte sammeln sich sehr frühzeitig Trupps von jungen Leuten mit allerhand phantastischen Abzeichen. Die Gedanken wandern zurück. Dieser Sonntag, dieser Platz gehörten durch vier Jahre den Friedensfreunden. Von hier aus ging der Ruf »Nie wieder Krieg!« in die Welt. Wie lange ist das her ...

Militärmusik. Schmetternde Fanfaren, dumpf rasselnde Trommeln. »Sind das die Franzer oder die Elisabether?« fragt jemand. Irrtum, es ist die K.P.D. Die Kapelle voran, Scharen von Windjacken unter roten Fahnen. Die Jungen sind verdammt gut gebimst. Alte Preußenherzen müssen vor Wonne wackeln beim Anblick dieser in Gleichtakt gebannten Beine.

Friedensdemonstration oder militärische Schaustellung? Der soldatische Charakter der Veranstaltung liegt klar zutage. Die Generalissima Ruth Fischer könnte hier ruhig die Parade abnehmen. Man sieht den alten Herrn Ledebour am Krückstock. Was mag sich dieser eingefleischte Antimilitarist wohl denken?

Ist der Aufmarsch erst beendet, wirkt das Bild weit weniger imposant. Es ist eine Gruppierung von Vereinen, von Vereinen mit kriegerischem Aufputz und klingendem Spiel. Nur die Abzeichen unterscheiden vom »Stahlhelm«. Es mögen an die 40-50 000 Personen sein. Kaum mehr, aber es fehlt auch wie bei früheren Meetings an diesem Platz der Eindruck der Masse. Mehr Volk! möchte man mit Wilhelm II. sagen. Das alles sind ja gedrillte Beorderte, haufenweis Herbeikommandierte. Doch, wo bleibt das Publikum? Alles hier gehört »zum Bau«. Die K.P.D. ist unter sich.

Krieg dem Kriege? Grelle schreiende Affichen erläutern, was man sich darunter vorzustellen hat. »Nieder mit dem Völkerbund!« »Es lebe die Rote Armee!« Proletarischer Befreiungskrieg! Bürgerkrieg gegen den imperialistischen Krieg! Bündnis mit Sowjetrußland usw. Auf rotdrapierten Wagen Gestalten in russischer Felduniform. Auf einem anderen Wagen eine Kerkerzelle aus Pappe; hinter den Gittern die »politischen Gefangenen«, mit roten Tüchern winkend. An der Tür ein biederer schnauzbärtiger Genosse Funktionär als Kerkermeister kostümiert. Das echteste Stück bei dieser sogenannten Friedensdemonstration. (Oder hat man sich den Mann in Sonnenburg ausgeliehen?)

Gegen ein halb 2 Uhr Hornsignale. Die Redner beginnen. Die Reden verhallen auf dem weiten Platz. Da lenken sich alle Blicke nach der Rampe der Nationalgalerie. Oben erscheint Schupo und räumt die Plattform. Weist Mann für Mann die Treppe hinunter.

Mußte das sein? Hätte die Balustrade nicht vor Beginn gesperrt werden können? Warum dieses Eingreifen mitten in der Aktion?

Ungeheure Spannung. Die Gruppen pressen sich zusammen, drängen vor gegen den Aufgang zum Museum.

Rot steht gegen Blau.

Die Zehntausende instinktiv in der Abwehr, zusammengepfercht. Oben auf der Balustrade drei Polizeioffiziere ...

Singen, Pfeifen, Zischen, Nieder-Rufe durcheinander. Ein Schimpfwort, eine geballte Faust kann diese in innerer Erbitterung kochende starre Menge in Fluß bringen. Und was dann?

Da kommt das Abzugssignal: die Kolonnen verlassen den Platz. Es geht alles ruhig vor sich. Der Drill, der sie im Gleichschritt hergeführt hat, führt sie im Gleichschritt zurück.

Kleine Jungen in weißen Kitteln drängen sich zwischen die Abziehenden, Sammelbüchsen schwingend: Für China! Für China!

Abseits humpelt ein Plakatträger, seine Papierstandarte melancholisch gesenkt. Im Vorüberhuschen unterscheidet man auf dem bunten Bild schnell wohlvertraute Züge. Ja, er hat wohl am meisten Ursache, sich hier still und eilends zu empfehlen. Hat wohl die geringste Freude an dieser ganzen trefflich geölten Parade-Kopie.

Er ... Karl Liebknecht ...

Montag Morgen, 3. August 1925


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