Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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4.

Ich las in Schopenhauer's Biographie,W. Gwinner, Schopenhauer aus persönlichem Umgang dargestellt. Leipzig 1862. und fühlte mich unbeschreiblich angezogen von seinem Wesen, das mit dem Ihrigen so viel Verwandtes hat. Eine alte Sehnsucht überfiel mich, einmal in dies begeistert schöne Auge zu blicken, in den tiefen Spiegel der Natur, der dem Genius gemeinsam ist. Unser persönlicher Verkehr trat mir in's Gedächtniss zurück, ich sah die ganze reiche Welt vor mir, die Sie dem Kindergeist erschlossen, mein Auge hing mit Entzücken an dem Wunderbau, höher und höher schlug das Herz vor innigem Dankgefühl, und ich fühlte, dass mir Nichts davon verloren gehen könne! So lange ich athme, werde ich nun streben, das ist Ihr Theil. Schopenhauer selbst sollte Sie nicht kennen und Ihre Tonschöpfungen blieben ihm unerschlossen. Was thut's, würde Er lächelnd heute sagen, wir Beide gehören dem Ganzen. Ein Einsamkeit blickendes Auge ist unser Loos! Das Buch enthält ein vortreffliches Bildniss des Verstorbenen, wo die krasse Nacktheit der Photographie durch die geistige Macht des Mannes verschönt und verklärt ist. Sind Sie einmal von Paris mir näher gerückt, so freue ich mich, Ihnen wenigstens dann und wann ein Buch mittheilen zu können, ohne Sie auf das Ministerium zu bemühen. Mein, armes Kistchen ist zurückgekehrt, ich habe es traurig bei Seite gestellt. Sind Sie erst einmal wieder irgendwo niedergelassen, so schleiche ich mich sicher abermals bei Ihnen ein, so sicher, wie die Wichtel-Männchen den armen Bauer verfolgten!Vgl. oben Nr. 23 und die Anspielungen auf »Koboldchen« S. 78, 83 und 122. – Wie geht's mit der Gesundheit – und mit der Arbeit?

Ihre von Herzen!
Mathilde Wesendonk.

Jan. 16.62.


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