Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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119.

Paris 78 Rue de Lille. Légation de Prusse 12. Juli 61.

Mein Kind! Ich schreibe Ihnen aus dem Hotel der preussischen Gesandtschaft, wo ich bei Graf Pourtalès für einige Wochen, die ich noch in Paris aushalten muss, Asyl gefunden habe. Ich habe einen Garten mit schönen hohen Bäumen und einem Bassin mit zwei schwarzen Schwänen vor mir, über dem Garten die Seine, und über der Seine der Garten der Tuilerien, so dass ich ein wenig aufathme, und doch wenigstens nicht mehr im gewohnten Paris bin.

Meine Meubles sind einmal wieder eingepackt und hier im Depôt zurückgestellt: wo sie einmal ausgepackt werden, weiss Gott; wahrscheinlich werde ich sie nie wiedersehen. Ich wünsche, dass meine Frau sich in Dresden niederlässt und sie dort zu sich nimmt. Ich für mein Theil denke an keine Niederlassung mehr. Diess das Resultat einer letzten, schweren, unendlich mühseligen Erfahrung! Es ist mir nicht bestimmt, meine Muse im Schoosse einer traulichen Häuslichkeit zu pflegen: von innen und aussen wird jeder Versuch, trotz aller Ungunst meines Schicksales einem mir so stark eingeborenen Verlangen zu willfahren, immer bestimmter vereitelt, und jeden künstlichen Schein wirft mein Lebensdämon über den Haufen. Es ist mir nicht bestimmt, und jede gesuchte Ruhe wird mir der Quell peinigendster Beunruhigungen.

Somit weihe ich denn nun den Rest meines Lebens der Wanderschaft: vielleicht ist es mir beschieden, hie und da einmal im Schatten an einem Quelle auszuruhen und mich zu erquicken. Diess ist die einzige Wohlthat, die mir noch beschieden sein kann! –

Nach Karlsruhe gehe ich also nicht!!

Sie nehmen aus dieser Mittheilung von Ergebnissen ab, welches die letzten inneren und äusseren Vorgänge meines Lebens waren. –

Endlich starb noch das Hündchen,Fips; vgl. Glasenapp II, 2, 330. das Sie mir einst vom Krankenbett zuschickten: schnell und räthselhaft! Vermuthlich stiess ihn auf der Strasse ein Wagenrad, wodurch sich innerlich dem Thierchen ein Organ zerstörte. Nach 5 Stunden, die er liebenswürdig, freundlich, ohne einen Klagelaut von sich zu geben, aber mit zunehmender Schwäche verbrachte, hatte er lautlos geendet. Nicht ein Stückchen Erde stand mir zu Gebot, um das liebe Freundchen zu begraben: mit List und Gewalt drängte ich mich in Stürmer's kleines Gärtchen ein, wo ich ihn verstohlen unter Gebüsch selbst vergrub. –

Mit diesem Hündchen begrub ich viel! – Nun will ich wandern, und auf meinen Wanderungen werde ich nun keinen Begleiter mehr haben. –

Nun wissen Sie Alles! –

Eine Porträtkarte von mir kann ich Ihnen nächstens senden! Liszt, der hier allen Photographen sass, zwang auch mich zu einer Sitzung. Noch habe ich mir die Karten nicht geholt: nächstens soll's aber geschehen. –

Leben Sie wohl und heiter! Viele herzliche Grüsse an Otto und die Kinder! Alles Liebe von mir! –

R. W.


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