Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

110.

Paris, 17. Nov. 60.

Da kommt wieder ein Bulletin, mein Kind! Es geht – aber sehr matt und langsam: das Wetter will mich gar nicht begünstigen, sondern wirft mich immer wieder zurück! Doch habe ich ein erstes Geschäft besorgt: – ich war beim Buchbinder. Der Klavierauszug von Tristan ist endlich erschienen. An Härtels hatte ich Auftrag gegeben, einige Exemplare direct nach Zürich zu schicken, auch eines für Frau Wille. Für die Freundin wollte ich's natürlich aber so nicht abmachen: ich liess mir ein Exemplar nach Paris kommen; es sollte nach meinem Wunsche eingebunden und aus meiner Hand Ihnen zugestellt werden. Nun kam das Exemplar gerade im bösesten Stadium meiner Krankheit an: denken Sie sich meinen Kummer! Ich musste es da liegen sehen, ohne mich damit beschäftigen zu können. Nun aber war ich beim Buchbinder: ob es nach meinem Wunsche ausfällt, muss ich leider bezweifeln; diese Menschen sind alle so schrecklich phantasie- und erfindungslos! –

Ich werde mich wohl mit etwas ganz gewöhnlichem begnügen müssen: und Sie müssen mit dem guten Willen vorlieb nehmen. Lange genug wird's immerhin dauern, bis es fertig wird, und Sie werden's als Geburtstags- und Weihnachts-Geschenk rechnen müssen! –

Im Uebrigen bin ich so – todt! Ich kann's kaum anders nennen! Im ruhigen Zustand ohne alles Interesse für die Existenz: die zukünftigen Aufführungen meiner letzten Werke alles Traum und Nebel. Gar kein Eifer oder Wunsch in mir! –

Meine armen Nerven immer sehr gedrückt und schmerzhaft: immer nur ist's die Aufregung des Augenblickes, die meinem Zustand einen besseren Anschein giebt. Und doch – geht's, und wird gehen – aber wie? Gott weiss! – Wären nur die Sonnenflecken nicht: heitres Wetter hilft immer noch am Besten. – Montag will ich wieder einer Probe beiwohnen: ich muss recht ruhig zu sein lernen. –

Aber Ihr Hündchen ist ja ganz allerliebst! Wie heisst es nur? War das ein Meisterstreich von Freund Otto? – Glauben Sie mir, Sie werden viel Freude an dem Thierchen haben: der Thierumgang hat etwas ungemein beruhigendes. Ich gratuliere!

Und nun noch innigsten Dank für die lieben Grüsse, die mir in's Krankenzimmer kamen: dass sie seit einigen Tagen ausgeblieben, betrübt mich. Sind Sie doch nicht selbst krank? Beruhigung! –

Und tausend herzliche Grüsse an Wesendonk! Er wird bald von mir hören.

Leben Sie wohl, und seien Sie gesund!

Ihr
R. W.


 << zurück weiter >>