Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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136.

221. Penzing bei Wien.

6. Juni 1863.

Bester Freund!

Endlich muss ich doch wieder einmal etwas von Euch erfahren! Von mir können Sie etwas Erfreuliches nur dann hören, wenn ich Ihnen melden kann, dass ich wieder bei der Arbeit bin! Erlebnisse, und seien es die mannigfaltigsten, haben keinen eigentlichen Sinn mehr für mich. Meine russische Reise, Petersburg, Moskau, mit allen Vorgängen, die sich daran knüpften, Alles beeinflusste mich nur in so weit, als es dazu beitragen sollte, mir wieder von allen diesen Dingen zu helfen und mich einem Arbeitsasyle zuzuführen. Meine Bitterkeit ist unter solchen Umständen und Zuständen, namentlich im Hinblick auf die Vielen und Manchen, die mehr Musse und Sicherheit haben, als sie damit anzufangen wissen, oft sehr gross, und giebt mir ein ironisches Beigefühl meist gegen jede mir bezeugte Freundschaft und Theilnahme. Bedenke ich, in welche ruhlose Zustände ich gerathen bin, seitdem ich Zürich verliess, so kann ich nicht umhin, mein Schicksal hart anzuklagen. Die Möglichkeit, doch endlich noch einmal zur Ruhe zu kommen, um meine projectirten Werke noch zu schreiben, giebt dieser thörigen Jagd nach Ruhe vor meinem Gefühle einzig noch einen Sinn. Meinen fünfzigsten Geburtstag habe ich nun begangen: ich musste mich fast darüber beglückwünschen, ihn in völliger Einsamkeit zu begehen! Man brachte mir nachträglich vor meine ländliche Wohnung einen Fackelzug,Glasenapp II, 2, 432. dem ich in ziemlicher Zerstreutheit beiwohnte. Als der leuchtende Zug sich über eine Brücke zu mir her näherte, ging eben der prachtvollste Vollmond über den Wipfeln des Schönbrunner Schlossgartens auf, und blickte mystisch erhaben auf das Gaukelwerk unter ihm. Noch als man sang, hörten ein paar junge Leute, die oben bei mir waren, nichts wie Ausrufe über den herrlichen Mond von mir: er war der einzige, alte, traute Freund, der über diese kindisch fremde Welt zu mir trat, – ganz so wie einst über den fernen Alpenkranz hervor über Euren Garten weg zu meinem – Asyl! – Asyl! – Wie oft glaubte ich nun schon, ein Asyl gefunden zu haben!! –

Diesmal war ich endlich so Ruhe-Wohnungsbedürftig, dass ich, nur eine stille Wohnung mit einem Garten in das Auge fassend, diess Gesuchte annahm, wo es sich mir zuerst darbot. Acht Tage später hätte ich mich wahrscheinlich in Bingen niedergelassen; das verzögerte sich; während dem wies man mir hier das Gesuchte nach: gleichgültig um das Wo? schlug ich hier zu, und habe nun den einzigen Wunsch, dass es mir vergönnt sein möge, endlich hier wenigstens bis zu meinem Ende zu verbleiben! –Wie es in Deutschland, und mit mir, steht, sehe ich die Möglichkeit hierzu nur durch periodische übermässige Anstrengungen, wie Reisen nach Russland herbeizuführen: wie ich das auf länger aushalten soll, begreife ich allerdings nicht. In meiner Biographie wird man's wohl einst lesen, und mancher wird sich dann wundern. Natürlich werde ich einmal bei solcher Gelegenheit liegen bleiben. Wollen Sie sich einen Begriff machen, wie mich solche Unternehmungen angreifen, so vergleichen Sie zum Spass die drei Petersburger Photographien, welche anfänglich gemacht waren, mit der Moskauer, zu welcher ich 14 Tage später sass! – Nun, es muss einmal so sein! –

Bei alledem verliere ich die alte Lust noch nicht, meine endlich erwählte Wohnung mir so behaglich wie möglich herzurichten. Wollt Ihr etwas dazu beitragen, so wird mir das von niemand willkommener sein: das wissen Sie! Denn eigentlich seid Ihr doch die Einzigen, denen ich auf dieser Erde gewissermaassen angehöre: das ist nun einmal so geworden, und ich kann nichts wieder neu beginnen. Dass ich Euch gehöre, habt Ihr Euch mit Schmerzen und Opfern jeder Art erworben.

– Was sagten Sie zu dem Schweizer Landhaus,Glasenapp II, 2, 426. das mir die Grossfürstin Helene von Russland geschenkt? Sie hatten wohl schon Sorge, mich wieder auf den Hals zu bekommen? Glücklicherweise steht das Landhaus da, wo die 50 000 fr. stehen, die ich in Russland gewonnen haben soll. Wie willkommen muss das meinen deutschen Gönnern sein, nun zu wissen, dass ich so herrlich versorgt bin, und dass ihnen das keinen Pfennig kostet! – Das ist nun auch noch mein Geschick, dass ich eigentlich immer beneidenswürdig erscheine!

Ach, Liebster! Genug von mir! Bin ich erst wieder an den Meistersingern, so hört Ihr wieder: noch bin ich so zerstreut, dass ich mich zu nichts sammeln kann. Besser aber, Sie geben mir baldigst Anlass, durch herzlichst erbetene Nachrichten von Euch! Darnach verlange ich sehr!

Mit tausend guten Grüssen

Ihr
Richard Wagner.

Ein hübsches, grösseres Porträt (Photographie) von Ihrer Frau hätte ich doch gern: der grüne Hügel hängt schon eingerahmt in meinem Zimmer.


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