Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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Anhang. Mathilde Wesendonk an Richard Wagner

14 Briefe (24. Juni 1861 bis 13. Januar 1865).

1.

Ich habe in dieser heissen Zeit Sie oft bedauert, denn in Paris ist es dann erstickend schwül. Sie flüchten wohl wieder ins bois de Boulogne, allein es ist doch immer mühsam erkauft. Auf dem grünen Hügel ist es jetzt sehr schön, und die Mondschein-Abende sind unvergleichlich. Lange hatten wir keinen solchen Sommer, es ist Einem dabei auch ganz seltsam zu Muthe, und man fürchtet sich zu Bette zu gehen, sorgend, es könne den nächsten Morgen anders sein. Letzte Woche machten wir einen kleinen Ausflug mit den Kindern nach Baden-Weiler, der Stammburg der Zehringer-Fürsten. Es liegt eine Stunde Eisenbahn von Basel, und trägt schon ganz die Physionomie des badischen Ländchens weiter unten. Schöne Nussbäume, Waldungen, Hügel, Matten, und in der Ferne die Silberstreifen des Rheines. Das wird so ungefähr Ihre zukünftige Heimath sein. Freundlich, still und einsam, ich fürchte fast zu einsam, was den Verkehr mit feinfühlenden, geistigen, künstlerischen Menschen betrifft. Darin verwöhnt Paris. Lessing ist eine schweigsame, fast allzubescheidene Natur, dessen höchste Leidenschaft die Jagd ist. Schirmer ist durchaus Naturmensch. Der Grossherzog? Das müssen Sie besser wissen, als ich. Unsere deutschen Prinzessinnen werden meistens recht hausbacken erzogen, sie lernen haushalten, d. h. mit ihrem Taschengelde auskommen, und rühren uns durch ihr einfaches, anspruchsloses Wesen. Die Grossherzogin indessen hat einnehmende Züge. Sie hing im Römerbad zu Baden-Weiler, sammt dem Herzog in Goldrahmen an der Wand, während das frühere Regentenpaar seitwärts mit einem schlichten schwarzen Rahmen sich begnügen musste. In fünfzig Jahren vielleicht, sind die Jungen ebenfalls zum schwarzen Rahmen vorgerückt, während ein neuer Stern im Goldrahmen prangt, und der Ahn gänzlich verschwunden ist. Das war gleich ein Bild der Zeit. Vorigen Samstag war ein Concert in der Frau Münsterkirche. Papa Heim dirigierte, war aber seiner Aufgabe nicht gewachsen. Schmidt aus Wien sang eine Arie aus der Schöpfung. Eine herrliche Stimme, die selbst im Verklingen klar und deutlich bleibt. Das muss ein prächtiger König Heinrich sein. Auch freute ich mich über die kräftige Gestalt, die wenigstens etwas auszuhalten scheint. Er singt immerfort, bald hier, bald dort, aber sein Programm ist schrecklich, nur auf das allergewöhnlichste Publikum berechnet. Es wurde Einiges aus Orpheus und Euridice von Gluck gegeben, was mich sehr ergriff. Sehr schön ist die Stelle, wo Orpheus in den Orkus hinabsteigt und die Höllengeister ihm ihr: nein, nein, entgegendonnern. Die Harfenklänge fallen so weich und schön dazwischen, und lehren uns glauben an den endlichen Sieg des Schönen. Ich möchte wohl das Werk einmal ganz erleben. Frau Dr. Wille war auch zum Concert in die Stadt gekommen, und schlief die Nacht bei uns. Sie trug mir viele Grüsse an Sie auf. Ich habe sie mit dem Rhein-Golde beglückt. Sonntag Morgen frühstückten wir auf der Nord-Terrasse und plauderten viel von Ihnen. Zu Tische kommen Keller, Dr. Wille, Köchly und Frau, und die alte Fräulein Ulrich, deren Sie sich vielleicht noch erinnern. Wir haben die Alte mit ihrem originellen Wesen gerne. Ich plaudre so fort; vielleicht erheitert es den Freund, oder ruft ihm doch frühere Zeiten zurück. Er weiss zwar viel, aber was grau ist, weiss er Gott sei Dank noch nicht. Ebbe und Fluth, Licht und Schatten, das ist Jugend. Stimmungen, wie sie sich in Ihrem letzten BriefeVgl. oben Nr. 118. ausdrückten, hat der GraueVgl. oben S. 275 die Unterschrift Wagners. nicht. Auch wissen wir, dass sie vorübergehend sind, das ist mein Trost. Wie ich jetzt am Balkon sitze und schreibe, glühen die Alpen im zartesten Abendroth. Könnte ich den rosigen Wiederschein an dieses Blättchen fesseln, und in Ihre Seele hauchen!

Ich freue mich, dass Sie nach Weimar gehen. Liszt ist bei alledem derjenige Mensch, der Ihnen am Nächsten steht. Lassen Sie ihn sich nicht verderben. Ich kenne ein schönes Wort von ihm: d. h. »ich schätze die Menschen nach dem, was sie für Wagner sind.« Was Wien betrifft, so wollen wir sehen, ob das Schicksal uns Gunst vergönnt. Wir denken gerne daran. Von der Fürstin habe ich nun zum Erstenmale aus Rom gehört. Sie besucht dort nur die Nazzarener, die christlichen, kirchlichen Maler. Es dient ihren Zwecken, und sie führt es mit eiserner consequence durch, obschon sie sich schmählich dabei ennuyiren soll. Ausser Cornelius und Overbeck ist da nicht viel Genuss zu suchen; natürlich, ich meine unter den lebenden Künstlern. Und nun noch eine Bitte, die Sie mir gelegentlich einmal erfüllen sollen. Ich habe nämlich ein kleines Photographienbuch erhalten, und seitdem fand sich schon die eine oder andere Photographie von Bekannten hinzu, in Visitenkartenformat, wie das Meinige. In wenigen Sekunden macht man ein Dutzend. Nun besitze ich allerdings Ihre grosse Photographie, aber das kleine Buch möchte gar so gerne auch Eine haben, und der Platz dafür bleibt offen. Werden Sie dem kleinen Buche seinen Eigensinn verzeihen? Es will sich gedulden, und das Kind will auch geduldig sein, und den Meister nicht mit Schreiben quälen. Er muss es doch nur thun, wenn es Ihm Bedürfniss ist, denn früge Er nur das Kind, ich fürchte, Er hätte viel zu thun. Es sucht sich einstweilen zu stählen, durch stärkende Bäder, aber sie greifen an, und nehmen noch das bischen Kraft vollends hinweg. Doch der Erfolg soll gut sein. Nun ist es dunkel geworden, die Berge liegen bleich und leblos da, und alles ist so still. Ruhe, Ruhe, heilige Ruhe senke sich auch in Ihr Herz!

Ihre
Mathilde Wesendonk.

*

Juni 24. 61.

Am Morgen. Vorige Woche war der Pascha von Aegypten hier oben, und ging dann auf die Bürkli-Terrasse, wo einige Minuten später der Pilgerchor und Abendstern gespielt wurde. Die Klänge drangen deutlich zu mir herüber. Sulzer ist nach Winterthur zurück, um in der Kur eine Pause zu machen. Während er die Bilder besichtigte, blieb ich im Unklaren über die Kraft seiner Augen; später im Garten aber nahm er, um kräftige, sehr grosse Blüthen am Immergrün zu unterscheiden, doppelte Gläser. Das that mir leid, denn die Blumen sind licht blau, und stechen aus dem saftigen Grün der Blätter bemerklich hervor. Noch einen freundlichen Gruss! Das ist nun einmal ein rechter Plauderbrief!


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