Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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121.

Wien, 19. Aug. 61.

Es ist eine eigene Sache mit dem Briefschreiben, Freundin! Endlich wird eine Stunde festgehalten und der Mittheilung geweiht: welches ist nun grade diese Stunde, mitten herausgerissen aus diesem ewigen Wechseldrang des Lebens, der Eindrücke, der Stimmungen? Gewiss sagt so ein Brief sehr wenig, und an Geliebte könnten wir uns gar nicht mittheilen, wenn nicht anzunehmen wäre, dass jener Wechseldrang selbst dem Andren sympathisch bekannt wäre.

Ihrem Weimarer Briefe musste ich recht geben, sobald ich einsah, dass Ihr Besuch in Weimar Wien hätte gefährden können. Gebe nun der Himmel, dass der Preis des Opfers uns nicht entzogen werde! Amen!

Von Ruhe und Genuss war in Weimar natürlich nicht die Rede. Von nah und fern drängte sich Alles zusammen, mich wieder – oder überhaupt zu sehen. Ich hatte eigentlich jede halbe Stunde einer neuen Person meine Lebensgeschichte zu erzählen. Meine Verzweiflung gab mir endlich meine alte tolle Laune ein, und alle Welt war erfreut über meine Spasshaftigkeit. Nur ernst durfte ich nicht werden, weil ich es überhaupt nicht mehr sein kann, ohne in fast auflösende Weichheit zu verfallen. Diess ist überhaupt ein Fehler meines Temperamentes, der jetzt immer mehr überhand nimmt: ich wehre dem noch, so gut ich kann, denn es ist mir, als ob ich mich einmal geradesweges verweinen müsste.

Es ist mir doch immer mehr, als wäre ich jetzt so ziemlich am Ende meiner Lebensreise angekommen: von Ziel ist längst keine Rede mehr; bald wird mir aber auch der Vorwand, wohl gar der Ausweg fehlen. Verstehen Sie mich recht, wenn ich mit weichster Offenheit bekenne, dass es mir immer schwerer wird, irgend etwas noch ernster Beachtung für werth zu halten: es haftet nichts mehr bei mir, und aller Glaube fehlt; ein einziges giebt es, mich zu gewinnen, – wenn man mit mir weint! – Das hat denn der gute Hans, auch Liszt gethan! Auch die gute alte FrommannAlwine Frommann aus Berlin; Glasenapp II, 2, 57; 108. kam, und half mir! Das half mir denn einigermaassen ertragen, dass andrerseits man so oft meinen Muth pries und mir von wunderbaren Glorien sprach. – Somit schied ich auch ganz freundschaftlich von Weimar, und namentlich nahm ich auch ein sehr liebliches Angedenken an Liszt mit fort, der nun auch Weimar – wo er nichts pflanzen konnte – verlässt, um zunächst in's Unbestimmte zu gehen. Sein Faust hat mir wirklich grosse Freude gemacht, und der zweite Theil (Gretchen) hat einen unvergesslich tiefen Eindruck auf mich gemacht. Mit grosser Wehmuth erfüllte es mich, dass diess alles ganz ungemein mittelmässig nur executirt werden konnte. Mit einer Probe musste Alles hergestellt werden, und Hans, welcher dirigirte, that Wunder, um die Ausführung nur erträglich zu machen. Also diess war endlich das Ziel aller Opfer auch des glücklichen Liszt, dass er dieser elenden Welt nicht einmal die gemeinen Mittel zu einer guten Aufführung seines Werkes abringen konnte! Wie tief bestärkte mich diese Wahrnehmung in meiner Resignation! Noch viel und mancherlei hatte ich bei dieser Gelegenheit zu erfahren, was mir die letzte Klarheit über auch meine Stellung zur Welt gebracht hat. Ich erfuhr noch genau, wie es mit all den Fürsten steht, von denen mehr oder weniger irgend etwas zu erwarten ich seit einiger Zeit mich nothwendig gedrängt fühlte. Ich weiss jetzt, dass selbst dem Besten beim besten Willen es ganz unmöglich ist, etwas für mich zu thun. Diess war für mich eigentlich wohlthätig, und ich konnte nicht eine Miene drüber verziehen. Aber ich habe das Gefühl, dass es nun bald aus sein muss, und – wahrlich! – das ist mir eben recht!

Nun bin ich seit mehreren Tagen in Wien. Ein gutmüthiger Enthusiast, Dr. Standthardtner,Glasenapp II, 2, 342. nahm mich für einige Wochen, solange seine Familie verreist ist, in sein Haus auf: dann muss ich sehen, wie ich mir weiter forthelfe. Vielleicht finde ich dann wieder Jemand, der mich zu sich nimmt! Leider ist mein Tenorist, Ander, noch an der Stimme leidend, und das Studium des Tristan wird dadurch verzögert. Da ich nichts andres vorhabe, auch dem Unternehmen schaden würde, wenn ich mich wieder von Wien entfernte, bleibe ich ruhig und warte ab, was die Sterne über mein letztes Vorhaben, welches mich genau genommen an dieses Leben fesselt (wie das letzte Flattern des Schleiers der Maja, bestimmen werden. Die Leute sind mir hier gut; keines kennt aber eigentlich die Gefahr, in die ich sie mit meinem Tristan bringe, und vielleicht wird noch Alles unmöglich, wenn sie dahinter kommen. Nur Isolde, mit der ich kürzlich ein wenig ihre Partie durchging, ahnt, worum es sich handelt. Was werden sie alle erschrecken, wenn ich ihnen eines Tages offen sage, dass sie alle mit mir zu Grunde gehen müssen! –

Bis jetzt kann ich mir bezeugen, dass ich noch Niemand absichtlich betrogen habe: es war mir unmöglich, von der Theaterdirection, die mich nach meinen Bedingungen frug, Geld zu verlangen oder zu stipuliren, wogegen ich mir einzig ausbedang, dass vier Wochen vor der projectirten ersten Aufführung meine Sänger und das Orchester auf das Sorgfältigste für mich geschont würden. Diess giebt mir die nöthige Gelassenheit: denn ich nahe mich jetzt meinem letzten Ziel, und weiss, dass ich nur dann Einiges zu seiner Erreichung wirken kann, wenn ich jede Art von Verbindlichkeit von mir weise. –

So kommen Sie denn, mein Kind, je früher, desto besser! Ich bin ein grosser Egoist, wenn ich Sie dazu auffordere, und wenn mich Otto nicht sehr lieb hat, so hat er vollen Grund, in meine Bitte nicht zu willigen. Es handelt sich um ein Letztes: der Lauf und die Bedeutung der Welt sind mir vollständig zuwider; mein letztes deutliches Zeichen kann ich ihr nur aufdrücken, wenn ich nicht an die mindeste Schonung für mich denke. Zu Ihrem Troste sage ich Ihnen aber, dass ich auffallend wohl und gesund bin, mein Aussehen, wie mir Alle sagen, vortrefflich ist, und meine Geduld sich erfreulich gestählt hat. Einzig, dass ich übermässig weich bin, und z. B. die Thiere unter der Menschen Händen mich mehr jammern wie je: auch bin ich hellsehender, wie je, und weiss mich nur sehr schwach noch der Illusion zu bedienen. Somit, wagen Sie es, Kind!

Ueber meine Reise über München und Reichenhall (bei Salzburg) mit Olliviers schreibe ich ein ander Mal. Tausend schöne Grüsse! Alles freundliche an Otto und die Kinder! Adieu, liebes Kind!

R. W.

(Seilerstätte 806. 3 Treppen Wien.)


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