Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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München – Tribschen. Januar 1865 bis 28. Juni 1871.

146.

[München,Vgl. hierzu die Briefe an Otto Wesendonk (bei Heintz S. 85 ff.) und unten S. 360 Nr. 14. Januar 1865]

Bestes Kind! Ich glaub', es geschähe am besten, die ganze Mappe zu schicken. Dass sie unversehrt, und eher bereichert als vermindert wieder zur Besitzerin zurückkehren soll, dafür verbürge ich mich mit Allem, was mir lieb ist. Sonst würde es schwer fallen, Alles zu bezeichnen, was etwa copirt und uns geschickt werden sollte: besser ist's, ich such's aus den Sachen selbst aus.

Hiermit mich nur abzugeben bedurfte es starker Anregung. Mein junger König ist aber eben ganz dazu gemacht, all' das in Ordnung zu bringen: er hat die rechte Obstination, und aller Antrieb dazu kommt aus ihm selbst. Jetzt muss SemperAm 29. Dezember 1864 war Semper vom König zur Beratung über den Theaterneubau empfangen worden; vgl. Glasenapp III, 1, 37 ff. ein herrliches Theater für mich bauen, das geht nun schon nicht anders: von allen Enden her sollen mir die besten Sänger zur Aufführung meiner Werke geschafft werden, und – aus allen versteckten Mappen muss zusammen geschafft werden, was ich etwa einmal schriftlich von mir gegeben habe. Er weiss, dass er mir nicht viel damit zu thun geben darf, und wendet sich immer geschickt an Befreundete. Hiermit hat er's auch so gemacht. Ich hatte ihm nämlich auf seine oft wiederholte Bitte angeben müssen, was ich geschrieben habe und wo es hingekommen wäre. Da musste ich denn die grosse Mappe auf dem grünen Hügel denunziren, – es ging nicht anders. Sonst ist kein Arges dabei: Er wird nur Alles zusammen stellen lassen, um es in Verwahrung zu nehmen, und zu wissen, dass er mich recht vollständig besitze.

Ja, Kind, der liebt mich; das ist nun einmal so! –

Wenn es trotz alledem noch nicht so recht mit mir gehen will, so mag das wohl seine Gründe haben. Je leichter ich an Glaubensfracht werde, desto theurer werde ich: – schon glaube ich fast an gar nichts mehr, und wie nun diese Leere ausfüllen: da braucht es einen ganz ungeheuren Ballast von königlicher Gnade! Ich war einst wohlfeiler zu haben: jetzt ist meine Hellsichtigkeit schrecklich, und die Täuschung ob der furchtbaren Schwäche, die überall wie vor einem Wahnsinnigen vor mir zurückwich, wird mir fast gar nicht mehr möglich. Doch thue ich immer noch, was ich kann, und erwarte mir gern noch etwas von den Menschen. Dazu hilft eben mein junger König: der weiss Alles und – will! –. Da muss ich denn auch noch wollen, wenn mir auch oft sonderbar dabei zu Muth ist. –

Schönsten Gruss dem grünen Hügel: – man sagte mir neulich, er sei diesen Sommer zum Verkauf ausgeboten gewesen? – Ist das so? – Wohin soll's dann gehen? – Bin ich recht indiscret? – Soll ich für die Weihnachtgeschenke noch schön danken? Hat das das grosse Micky erwartet? Wohl nicht! Es giebt noch einen alten BriefDer Brief ist nicht vorhanden. zu lesen –: werd' ich den in der Mappe finden? –

Adieu! Ich gedenke mit Liebe!

R. W.


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