Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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59.

Venedig 19. Jan. 59

Dank für das schöne Märchen, Freundin! Es wäre wohl erklärlich, wie Alles, was von Ihnen kommt, mir immer wie mit symbolischer Bedeutsamkeit eintritt. Grade gestern, zu der Stunde, in dem Augenblick, kam Ihr Gruss wie eine durch Zauber erzwungene Nothwendigkeit. Ich sass am Flügel; die alte goldene Feder spann ihr letztes Gewebe über den zweiten Act des Tristan, und zeichnete eben mit zögerndem Verweilen die fliehenden Wonnen des ersten Wiedersehens meines liebenden Paares. Wenn ich, wie es eben beim Instrumentiren geschieht, mit letzter Beruhigung mich dem Genuss meiner eigenen Schöpfung hingebe, versinke ich zugleich oft in eine Unendlichkeit von Gedanken, die mir unwillkürlich die durchaus eigenthümliche, und der Welt ewig unverständliche Natur des Dichters, des Künstlers darstellen. Das Wunderbare, und der gewöhnlichen Lebensanschauung ganz Entgegengesetzte, erkenne ich dann recht deutlich darin, dass, während jene sich immer nur an der Handhabe der Erfahrung hinzieht und zusammensetzt, die dichterische Anschauung vor aller Erfahrung, ganz aus eigenster Potenz, das erfasst, was aller Erfahrung erst Bedeutung und Sinn giebt. Wenn Sie eine recht geübte Philosophin wären, würde ich Sie darauf hinweisen, dass wir hier im stärksten Maasse auf das Phänomen treffen, durch welches überhaupt erst alle Erkenntniss möglich wird, nämlich dadurch, dass das ganze Gerüste des Raumes, der Zeit und der Causalität, in welcher sich die Welt uns darstellt, in unsrem Gehirn, als dessen eigenthümlichste Funktionen, vorgebildet ist, somit diese bedingenden Eigenschaften aller Dinge, nämlich ihre Räumlichkeit, Zeitlichkeit und Ursächlichkeit, vor dem Erkennen dieser Dinge schon in unsrem Kopfe enthalten sind, da wir ohnedem sie ja auch gar nicht erkennen könnten. –

Was nun aber über Raum, Zeit und Causalität erhaben ist, und dieser Hülfsmittel seiner Erkenntniss nicht bedarf, also das von diesen Bedingungen der Endlichkeit Losgelöste, von dem Schiller so schön sagt, dass es einzig wahr sei, weil es nie war; dieses der gemeinen Weltanschauung gänzlich Unerfassbare, erkennt nur der Dichter mit derselben, seine ganze Gestaltung bedingenden, in ihm liegenden Vorgebildetheit, dass er es mit unfehlbarer Gewissheit darzustellen vermag, – dieses Etwas, das bestimmter und gewisser als irgend ein andres Object der Erkenntniss ist, trotzdem es keine Eigenschaft der durch Erfahrung uns bekannt gewordenen Welt an sich trägt. –

Das höchste Wunder müsste nun sein, wenn dieses vorgeschaute, wesenhafte Etwas endlich ihm selbst in die Erfahrung tritt. Seine Idee wird dann an der Gestaltung dieser Erfahrung grossen Antheil haben; je reiner und höher jene, desto weltfremder und unvergleichbarer diese. Sie wird seinen Willen läutern; sein ästhetisches Interesse wird zum moralischen werden; und der höchsten dichterischen Idee wird sich das höchste moralische Bewusstsein beigesellen. In der moralischen Welt es zu bewähren, wird dann seine Aufgabe sein; ihn wird dasselbe Vorauswissen leiten, was ihn als Erkenntniss der ästhetischen Idee zur Darstellung dieser Idee im Kunstwerk bestimmte und für die Erfahrung befähigte. –

Die gemeine Welt, die nur unter dem Einfluss der von Aussen aufgedrängten Erfahrung steht, und nichts fassen kann, was ihr nicht gewissermaassen handgreiflich und fühlbar beigebracht worden ist, kann diese Stellung des Dichters zu seiner Erfahrungswelt nie begreifen. Sie wird sich die auffallende Bestimmtheit seiner Gestaltungen nie anders erklären können, als dass sie seiner Erfahrung irgendwo ebenso unmittelbar begegnet sein müssen, wie ihr Alles das, was sie durch das Gedächtniss sich angemerkt hat.

Am allerauffallendsten tritt mir jene Erscheinung an mir selbst zur Wahrnehmbarkeit entgegen. Mit meinen dichterischen Conzeptionen war ich stets meinen Erfahrungen so weit voraus, dass ich meine moralische Ausbildung fast nur als von diesen Conzeptionen bestimmt und herbeigeführt betrachten kann. Fliegende Holländer, Tannhäuser, Lohengrin, Nibelungen, Wodan, – waren alle eher in meinem Kopf als in meiner Erfahrung. In welch wunderbarer Beziehung ich nun aber jetzt zum Tristan stehe, das empfinden Sie wohl leicht. Ich sage es offen, weil es eine, wenn auch nicht der Welt, aber dem geweihten Geiste angehörige Erscheinung ist, dass nie eine Idee so bestimmt in die Erfahrung trat. Wie weit beide sich gegenseitig vorausbestimmten, ist eine so feine, wunderbare Beziehung, dass eine gemeine Erkenntnissweise sie nur in dürftigster Entstellung sich denken können wird. Jetzt nun, wo Sawitri – Parzival – meinen Geist ahnungsvoll erfüllen, und zunächst zur dichterischen Idee sich zu gestalten streben –: jetzt, bei meiner künstlerisch vollendenden Arbeit mit plastisch sinnender Ruhe über meinen Tristan mich hinbeugen, – jetzt: wer ahnt es, welches Wunder mich dabei erfüllen muss, und mich so der Welt entrückt, dass sie mich fast schon ganz überwunden dünken kann? Sie ahnen es, Sie wissen es! Ja, und wohl nur Sie! –

Denn ahnte, wüsste es noch ein Andrer, uns grollte dann Niemand mehr, und alle wehevolle Erfahrung, die von Aussen auf sein Herz eindrang, müsste er den höheren Zwecken des Weltgeistes, der aus sich die Erfahrungen gestaltet, um in ihnen zu leiden, und aus den Leiden sich zu sich zu erheben, als gebührendes Opfer, auch seiner Theilnahme an jenen Zwecken zu lieb, mit gehobenem, geadeltem Gefühle darbringen. Doch – wer begreift es? – Würde so namenloses Leiden in der Welt sein, wenn unsre Erkenntniss so gleich wäre, wie unser nach Glückseligkeit verlangender Wille sich in Allen gleich ist? Nur hierin liegt das Elend der Menschen: erkennten wir Alle die Idee der Welt und des Daseins gleich und übereinstimmend, so würde jenes unmöglich sein. Woher aber dieser Wirrwarr der Religionen, Dogmen, Meinungen und ewig sich befehdenden Ansichten? Weil Alle das Gleiche wollen, ohne es zu erkennen. Nun, da rette sich denn der Hellsehende, und vor Allem – streite er nicht mehr! Er leide still am Wahnsinn, der ihn rings angrinst; in jeder Gestalt, in jeder Beziehung an ihn sich drängt, da, wo er blind ist, fordert, wo er verkennt, begehrt. Hier hilft nur – Schweigen und Dulden! –

Das wird Ihnen nun auch wie ein Märchen vorkommen, aber wie ein andres: vielleicht enthält es den Schlüssel zu dem Ihrigen;Es ist das Märchen »der fremde Vogel«, in einem Neudruck für den engeren Familienkreis 1900 wiederholt. der graue Sperling lobt seinen Schöpfer; und so gut er ihn versteht, so gut klingt sein Sang! –

Sie sehen, ich bin so glücklich, wieder arbeiten zu können. Und das ist wahrlich ein Glück, wogegen eine bestimmte, ernste Krankheit kein so grosses Unglück ist, weil auch sie den Geist befreit und die moralischen Kräfte in Thätigkeit setzt. Der übelste Zustand ist doch der, wo wir nicht eigentlich krank, aber doch gefesselt und beunruhigt sind, wo tiefes Unbehagen in der Berührung mit der Aussenwelt sich einstellt, Forderungen und Wünsche sich geltend machen wollen, der Thätigkeitstrieb keinen rechten Anhalt findet, Alles verwehrt, Alles gehemmt, nichts gestattet ist, nichts sich fügt: wo so Leere und Trostlosigkeit, Verlangen, Sehnsucht – Wollen entsteht. Es ist keinem Sterblichen gegeben, sich stets auf der Höhe seines wahren Wesens zu halten; seine ganze Existenz gründet sich ja eigentlich nur auf einen beständigen Kampf mit den untergeordneteren Bedingungen der Möglichkeit eben dieser Existenz, ja, seine höhere Natur äussert sich eben nur durch den endlichen Sieg in diesem Kampfe, sie ist nichts anderes als dieser Sieg, die ihn herbeiführende Kraft selbst, somit im Grunde nur eine stete Verneinung, nämlich eine Verneinung der Macht jener untergeordneteren Bedingungen. Und diess zeigt sich ja schon so auffallend deutlich in der rein physischen Grundbeschaffenheit unsres Leibes, wo ewig alle, selbst vegetalen Bestandtheile des Ganzen zur Auflösung, zur Loslösung sich drängen, was denn endlich im leiblichen Tode den Theilen auch augenfällig gelingt, wo denn der Lebenskraft nach dem steten Kampfe endlich die Macht ausgeht. So haben wir denn immer zu kämpfen, nur um zu sein, was wir sind; und je untergeordneter und tiefer stehend die Elemente unsres Daseins sind, denen wir Unterwürfigkeit abzugewinnen haben, desto weniger unsres höchsten Wesens würdig mögen wir uns ausnehmen, wenn wir zeitweise eben mit ihnen allein im Kampfe sind. So habe ich täglich, und fast immer Kampf mit der rein leiblichen Grundlage meines Daseins zu führen. Ich bin nicht eigentlich kränklich, aber ganz ungemein empfindlich, so dass ich alles das schmerzlich an mir empfinde, was bei minderer Sensibilität gar nicht erst in das Bewusstsein tritt. Natürlich muss ich mir wohl sagen, dass dieser Grund meines Misbefindens zum grossen Theile schwinden würde, wenn meine nun einmal überaus lebhafte Sensibilität durch ein Element der Lebensumgebung, wie es mir vielleicht gebührte, mir aber gänzlich versagt ist, abgeleitet und angenehm absorbirt würde. Mir fehlt die traute, schmeichelnde Umgebung, die meine Empfindlichkeit an sich zieht, und sie als zart zu bewältigende Empfindsamkeit fesselt. Freundin! – recht ruhig und lächelnd sei es gesagt: – welch elendes Leben führe ich! Humboldts Lebensbeschreibung darf ich wahrlich nicht lesen, wenn ich mich mit meinem Loose aussöhnen soll! –

Nun, das wissen Sie! Ich sage es auch nicht, um bemitleidet zu werden, sondern – ich wiederhole es Ihnen, eben weil Sie es wissen! –

Ich kann Wohlgefühl in keiner Weise mehr empfinden, als wenn ich mich auf meine höchste Höhe geschwungen habe. Aber eben diese Höhe ist schwer zu erkämpfen, um so schwerer, als sie eben hoch ist; ermessen Sie, wie kurz im Verhältniss mein Wohlgefühl, und wie dauernd dagegen der Druck sein muss. Doch das haben Sie Alles schon ermessen und wissen es. Warum sage ich's? Wohl eben nur, weil Sie es wissen! – Ich brauche recht viel gute Wünsche, – und das sage ich Ihnen, weil ich weiss, wie Ihre Wünsche bei mir sind! –

Nun will ich nur gleich weiter fortklagen. – Meine Wohnung ist gross und schön, aber furchtbar kalt. Gefroren habe ich bisher – das weiss ich nun – nur in Italien, nicht in der Villa Wesendonk, am mindesten im Asyl. Nie im Leben habe ich so viel persönlich mit dem Ofen verkehrt, als im schönen Venedig. Das Wetter ist meistens immer hell und klar; das danke ich! –

Aber kalt ist's auch hier, vielleicht jedoch kälter bei Ihnen und in Deutschland. Die Gondel dient nur noch als gemeines Fuhrwerk, nicht mehr zu Lustfahrten, denn man friert sehr drin, was vom beständigen Nordwind kommt, der hier eben so helles Wetter macht. Am schmerzlichsten vermisse ich allmählich meine Wanderungen durch Berg und Thal: mir bleibt nichts übrig, als die Promenade der schönen Welt von der Piazzetta, die Riva entlang nach dem öffentlichen Garten, eine halbe Stunde Weges, mit stets furchtbarem Menschengedränge. Ein Wunder ist Venedig: doch eben ein Wunder. –

Mich verlangt's oft nach dem trauten Sihlthal, nach der Höhe von Kirchberg, wo ich ja auch Ihnen stolz zu Wagen begegnete. So wie es ein wenig wärmer wird, und ich eine kleine Pause in der Arbeit machen kann (denn die hilft mir jetzt einzig!), gedenke ich einen Ausflug, zunächst nach Verona und die Umgegend zu machen. Dort treten die Alpen schon nah. Einen wunderbar-wehmüthigen Eindruck macht mir es, wenn ich bei sehr hellem Wetter vom öffentlichen Garten aus die Tiroler Alpenkette in fernem Hinzuge gewahre. Da kommt mir oft eine Jugendsehnsucht an, die mich nach dem Berggipfel zieht, auf dem das Märchen das strahlende Königsschloss, mit der schönen Fürstin drin, erbaute. Es ist der Fels, auf dem Siegfried die Brünnhilde schlafend fand. Die lange, glatte Fläche, die mich hier umgiebt, sieht ganz nur wie Resignation aus. –

Meine Beziehungen zur moralischen Welt sind nicht begeisternd. Alles ist ledern, zäh und dürftig, ganz wie es sein muss. Wie sich meine persönliche Lage gestaltet, weiss Gott! Von DresdenVgl. Musik I S. 1902/4 und Anmerkung zu Brief 60. aus wurde mir die Zumuthung gestellt, mit freiem Geleite mich dorthin zu verfügen, um persönlich mich dem Gericht zu stellen und mir den Prozess machen zu lassen, wogegen mir dann, selbst eben im Falle einer Verurtheilung, die Begnadigung des Königs gewiss sein sollte. Das wäre nun ganz schön für Jemand, der Alles zu seinem Lebensglück gehörige durch solche Unterwerfung unter die widerlichsten Verhör-Chicanen u.s.w., zu erreichen hätte; aber, mein Gott! was gewänne denn ich dadurch? Gegen die sehr problematische Erfrischung durch einige mögliche Aufführungen meiner Werke den ganz gewissen Aerger, Kummer und Ueberanstrengung, die mir jetzt um so unausbleiblicher sind, als ich durch meine zehnjährige Zurückgezogenheit im höchsten Grade empfindlich gegen alle Berührung mit dieser entsetzlichen Kunstwirthschaft geworden bin, deren ich mich doch immer als Mittel zu bedienen hätte. Auf diese Dresdner Zumuthung bin ich daher nicht eingegangen. Freilich schwebe ich nun mit meinen Arbeiten auch ganz in der Luft. Ich könnte denn doch von meinen neuen Werken nichts mehr aufführen lassen, ohne persönlich mich dabei zu betheiligen. Mein energischester und treuester Fürst scheint der Grossherzog von Baden zu sein. Er lässt mir sagen, ich solle mit Bestimmtheit darauf rechnen, den Tristan unter meiner persönlichen Mitwirkung in Karlsruhe aufführen zu können. Man wünscht ihn zum 6. September, dem Geburtstag des Grossherzogs.

Ich hätte nichts dagegen. Und die ausdauernde Theilnahme des liebenswürdigen jungen Fürsten nimmt mich herzlich für ihn ein. Wir wollen denn sehen, ob er es durchsetzt, und ob ich – fertig werde. Noch habe ich eine grosse, ernste Arbeit vor mir. Doch hoffe ich jetzt auf ungestörtes Beharren dabei. Vor Juni werde ich sie aber keinesweges beendigen können; – dann, wenn alles so bleibt, denke ich mich von Venedig zurückzuziehen, und die Berge meiner Schweiz wieder aufzusuchen. Dann frage ich wohl auch einmal bei Ihnen an, Freundin, ob Sie mich noch kennen, und ob ich Ihnen mit meinem Gruss willkommen bin. – Am Neujahrstag kam Karl Ritter zurück, und besucht mich jetzt wieder alle Abende um 8 Uhr. Er berichtete mir, dass er meine Frau etwas besser aussehend gefunden habe. Im Ganzen scheint es ihr erträglich zu gehen, und ich sorge, dass es zu ihrem Behagen an nichts fehle. Der furchtbare Herzschlag scheint sich bei ihr allerdings beruhigt zu haben, doch leidet sie noch fortwährend an Schlaflosigkeit, und klagt nun, seitdem sie eben etwas ruhiger geworden, über zunehmende Brustbeklemmung mit andauernden Husten-Krämpfen, die mich leider nicht mit guter Aussicht für ihre Herstellung erfüllen können. Der Arzt, ein mir bewährter Freund,Dr. Anton Pusinelli in Dresden, † 31. März 1878; Wagners Briefe an ihn sind in den Bayreuther Blättern 1902, S. 93–124 gedruckt. will den Ausschlag ihrer Krankheitsentwickelung von einer längeren Kur auf dem Lande im nächsten Sommer abhängig machen. Nach so schrecklicher Zerrüttung, und namentlich in Folge der unausgesetzten Schlaflosigkeit und damit zusammenhängenden mangelhaften Ernährung, müssen wir nun erwarten, was die Natur über diess arme geängstete Wesen beschlossen hat, das sich jetzt so fremd in der Welt vorkommt. Sie zweifeln wohl keinen Augenblick, Freundin, dass mein Benehmen gegen die Unglückliche nur Schonung und herzlich gütige Rücksicht ist? –

So habe ich denn Sorgen und Sorgen – wohin ich blicke: die Welt macht mir's schwer, liebes Kind! Kann es nun wohl anders sein, als dass ich auch Ihnen Sorge mache? Sie sorgen sich doch eben nur um meiner Sorge willen. Ach! Sie helfen mir ja immer so liebreich; und wo Sie mir nicht helfen, da helfe ich mir mit Ihnen.

Wissen Sie, wie ich das mache? Ich seufze einmal recht tief auf, bis ich lächle: dann ein edles Buch oder – an meine Arbeit. Da schwindet dann Alles, denn dann sind Sie bei mir, und ich bin bei Ihnen. – Und wollen Sie mir zu Zeiten ein Buch schicken, das Sie gelesen, so nehme ich das mit allergrösstem Danke an. Ich lese zwar sehr wenig; aber dann lese ich gut, und Sie sollen's allemal erfahren. Ihnen empfehle ich ebenfalls eine Lectüre. Lesen Sie: »Schillers Leben und Werke – von Palleske.« Es ist erst ein Band erschienen. Solch eine Lectüre, die intime Lebens- und Entwickelungsgeschichte eines grossen Dichters, ist doch das sympathischeste auf der Welt. Mich hat es ungemein angesprochen. Den Palleske selbst muss man sich dann und wann wegdenken, und nur sich an die unmittelbaren Mittheilungen von Schillers Freunden und Freundinnen halten. Es wird Sie ungemein fesseln; ja, Sie werden an einigen Orten ganz – erstaunt sein. Schiller stand in seiner Jugend, als er in Mannheim beim Theater war, an einer Klippe, von der er durch eine herrliche, glücklich so früh in sein Leben tretende Erscheinung, zurückgezogen wurde. – Darüber müssen Sie mir viel mittheilen! Und – darf ich – so schreibe auch ich nun öfter wieder. Sie sollen dann immer Alles erfahren, was Sie von mir wunderlichem Exilirten wissen mögen. Alles – ich verberge Ihnen nichts. Das sehen Sie schon heute! –

Gewiss schreibe ich auch einmal an Myrrha: die wird Augen machen! Bereiten Sie sie nur auf meine Handschrift vor. Und wenn Wesendonk einmal etwas von mir wissen will, so schreibe ich ihm auch: das habe ich ihm schon gesagt. Heute grüssen Sie ihn bestens! –

So scheide ich mit der Palme von Ihnen! Dort, wo mein Dornenkranz ruht, duften unverwelkbar meine Rosen. Der Lorbeer reizt mich nicht, – deshalb, soll ich vor der Welt mich schmücken, so wähle ich die Palme!

Friede! Friede sei mit uns! –

Tausend, tausend Grüsse!

Ihr
R. W.


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