Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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65.

Luzern 10. April 59.

So lehrt den Meister das Kind! – Dies Eine, was nur durch die Erfahrung gewonnen werden konnte, war mir durch seine überraschende Wahrhaftigkeit auch neu, und drang endlich siegreich durch alles Wehe: – nur weil es für uns keine Trennung giebt, konnten wir dieses Wiedersehen begehen! Auch ich erstaunte fast vor dem Gefühl der Abwesenheit aller Überraschung. Es war, als ob wir uns soeben vor einer Stunde gesehen. –

Das ist ein wundervoller Boden, aus dem noch etwas Herrliches wachsen muss. Ja, ich ahne es: – wir können noch viel beglücken! – Diess edle, himmlische Gefühl wird immer thätiger die Freundin beleben, sie stärken, und die unerschütterliche Heiterkeit ihr geben, die uns ewige Jugend bewahrt. – Ruhe sie! auch ich ruhe wie ein vom Tod genesener! –

Der dritte Akt ist begonnen. Mir ist dabei recht deutlich, dass ich nie etwas Neues mehr erfinden werde: jene eine höchste Blüthenzeit hat in mir eine solche Fülle von Keimen getrieben, dass ich jetzt nur immer in meinen Vorrath zurückzugreifen habe, um mit leichter Pflege mir die Blume zu erziehen. – Auch ist mir, als ob dieser scheinbar leidenvollste Akt mich nicht so stark angreifen werde, als es zu denken wäre. Sehr griff mich noch der zweite Akt an. Das höchste Lebensfeuer loderte in ihm mit so unsäglicher Gluth hell auf, dass es mich fast unmittelbar brannte und zehrte. Je mehr es sich gegen den Schluss des Aktes hin dämpfte, und die sanfte Helle der Todesverklärung aus der Gluth brach, wurde ich ruhiger. Diesen Theil will ich auch vorspielen, wenn Sie kommen. – Ich hoffe nun Gutes für das Ende! –

Aber Euren Besuch kann ich nun kaum mehr erwarten. Denken Sie sich, da hat mir gestern ein Kobold ein Theeservice in's Haus gebracht, das ich mit dem besten Willen nicht allein einweihen kann. Sie wissen wohl gar nicht, dass ich eine recht grosse schöne Tasse, die mir ein andres Koboldchen nach Venedig schickte, von dort mitgenommen habe, und immer daraus trinke? Was soll ich nun mit den andren vielen, schönen und zarten Tässchen machen? O kommen Sie nur bald, sie einzuweihen. Es soll Ihnen schon bei mir gefallen, das versichre ich Ihnen. – Aber – im Ernst: – war das Geschenk nicht zu reich? Mich dünkte es fast so. Was meinen Sie? – War's nicht zuviel? – Sie werden sich wundern, was Sie von sich Alles bei mir finden! –

Schreiben Sie mir nun, wann Wesendonk zurückkommt; dann stelle ich mich wieder eines Abends ein, – wenn ich Euch nicht zu langweilig geworden bin. –

Grüssen Sie Myrrha – und den Karl, der mich doch ungemein ansprechend überrascht hat. Ich nannte ihn bei seiner Geburt Siegfried, und habe ihn somit vor meinem Gewissen als ungeladener Pate getauft. Und wahrlich, dieser Name bringt dem Buben Glück: sehen Sie, was das für ein prächtiger Bursch wird!

Freuen Sie sich nicht? –

Adieu! Es ist Alles schön und gut! Von Innen wird dem Edlen die Welt gestaltet; nur dem gemeinen Thoren entsteht sie von Aussen.

Das Leben ist unser! –

Tausend Grüsse!

Ihr
R. W.


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