Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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1859.

1. Januar.

Nein! bereue sie nie, diese Liebkosungen, durch die Du mein dürftiges Leben schmücktest! Ich kannte sie nicht, diese wonnigen Blumen, dem reinsten Boden der edelsten Liebe entblüht! Was ich als Dichter geträumt, musste mir einmal so wundervoll wahr werden; auf den gemeinen Boden meines irdischen Daseins musste dieser zartbelebende und verklärende Wonnethau einmal fallen. Ich hatte es nie gehofft, und nun ist mir, als hätte ich es doch gewusst. Nun bin ich geadelt: ich habe den höchsten Ritterschlag erhalten. An Deinem Herzen, in Deinem Auge, von Deinen Lippen – ward ich der Welt enthoben. Jeder Zoll an mir ist nun frei und edel. Wie mit heiligem Grauen vor meiner Herrlichkeit durchschauert mich das Bewusstsein, von Dir in so ganzer Fülle, so süss zärtlich, und doch so innig keusch geliebt worden zu sein! – Ach, noch athme ich ihn, den zauberischen Duft dieser Blumen, die Du mir von Deinem Herzen brachest: das waren nicht Keime des Lebens; so duften die Wunderblumen des himmlischen Todes, des Lebens der Ewigkeit. So schmückten sie einst die Leiche des Helden, ehe sie zu göttlicher Asche gebrannt wurde; in dieses Grab von Flammen und Wohldüften stürzte sich die Liebende, um ihre Asche mit der des Geliebten zu vereinigen. Nun waren sie Eines! Ein Element! Nicht zwei lebende Menschen: ein göttlicher Urstoff der Ewigkeit! – Nein! bereue sie nie! Diese Flammen, sie brannten leuchtend, rein und hell! Keine finstre Gluth, kein Gedünst, keine bangen Dämpfe verunreinten sie je, die lautre, keusche Flamme, die ja niemandem noch so rein und verklärend leuchtete wie uns, deshalb auch niemand von ihr wissen kann. – Deine Liebkosungen – sie sind die Krone meines Lebens, die wonnigen Rosen, die mir aus dem Dornenkranze erblühten, mit dem mein Haupt einzig geschmückt war. Nun bin ich stolz und glücklich! Kein Wunsch, kein Verlangen! Genuss, höchstes Bewusstsein, Kraft und Fähigkeit zu Allem, zu jedem Lebenssturme! – Nein! nein! Bereue sie nicht! Bereue sie nie! –

8. Januar.

O Tag! Du aller guter Geister Gott!
Sei mir gegrüsst!
Gegrüsst nach langer Nacht! –
Bringst Du von ihr mir Kunde? –

Luzern 4. April.

Der Traum des Wiedersehens ist nun geträumt. So – sahen wir uns wieder. War es nicht wirklich nur ein Traum? Was ich in diesen Stunden in Deinem Hause erlebt, wodurch unterscheidet es sich mir von jenem andren Traume, den ich zuvor so lieblich von meiner Wiederkehr träumte? Fast steht er deutlicher vor mir, als der wehmüthig ernste, dem sich meine Erinnerung so wenig fügen will. Es ist mir, als ob ich Dich eigentlich gar nicht deutlich gesehen hätte; dichte Nebel lagen zwischen uns, durch die kaum der Klang der Stimmen drang. Auch ist mir, als ob Du eigentlich mich nicht gesehen hättest; als ob statt meiner ein Gespenst in Dein Haus kam. Hast Du mich erkannt? – O Himmel! ich erkenne ihn: diess ist der Weg zur Heiligkeit! Das Leben, die Wirklichkeit immer traumartiger: die Sinne erstumpft; das Auge – weit geöffnet – sieht nicht mehr, – das willige Ohr versäumt den Schall der Gegenwart. Wo wir sind, sehen wir uns nicht; nur, wo wir nicht sind, da weilt unser Blick auf uns. So ist die Gegenwart unvorhanden, und jede Zukunft nichtig. – Ist mein Werk wirklich werth, dass ich mich ihm erhalte? – Aber Du? Deine Kinder? – Leben wir! –

Und dann, als ich in Deinen Zügen die Spuren so grossen Leidens erkannte, als ich Deine magere Hand an die Lippen drückte –, da durchzuckte es mich mit tiefem Erbeben, und rief mir eine schöne Pflicht zu. Die wundervolle Kraft unsrer Liebe hat bis hieher geholfen; sie hat mich bis zum Gewinn der Möglichkeit der Rückkehr gestärkt; sie hat mich diess traumartige Vergessen aller Gegenwart gelehrt, um unberührt von ihr in Deine Nähe treten zu können; sie hat mir Groll und Bitterkeit verlöscht, so dass ich die Schwelle küssen könnte, die mir erlaubt, zu Dir schreiten zu dürfen. So vertraue ich denn ihr: sie wird mich auch lehren, selbst durch den Schleier – den wir als Büsser nun über uns geworfen – Dich deutlich wieder zu sehen, und licht und klar auch mich Dir zu zeigen! –

Du himmlische Heilige! Vertraue auf mich!

Ich werde es können! –


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