Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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Penzing bei Wien. 5. Juni 1863 bis 21. Dez. 1863.

135.

221. Penzing bei Wien.

5. Juni 1863.

Theure verehrte Freundin!An Frau Eliza Wille, Zürich.

Ich will dieser Tage endlich einmal wiederWagner war im Frühjahr 1863 in Rußland gewesen und richtete sich im Mai in Penzing ein; vgl. Glasenapp II, 2, Kap. XVI und XVII. Wesendonk's schreiben. Allein, – ich kann nur ihm schreiben. Ich liebe die Frau zu sehr, mein Herz ist so überweich und voll, wenn ich ihrer gedenke, dass ich unmöglich an sie in der Form mich wenden kann, die nun zwingender als je mir gegen sie auferlegt sein müsste. Wie mir's um das Herz ist, kann ich ihr aber nicht schreiben, ohne Verrath an ihrem Manne zu begehen, den ich innig schätze und werth halte. Was ist da zu thun? Ganz in meinem Herzen verheimlicht kann ich's auch nicht halten: ein Mensch wenigstens muss wissen, wie es mit mir steht. Drum sag' ich's Ihnen: sie ist und bleibt meine erste und einzige Liebe! Das fühl' ich nun immer bestimmter. Es war der Höhepunkt meines Lebens: die bangen, schön beklommenen Jahre, die ich in dem wachsenden Zauber ihrer Nähe, ihrer Neigung verlebte, enthalten alle Süsse meines Lebens. Der leisesten Veranlassung bedarf es, so bin ich mitten drin, ganz erfüllt von der wundervoll weichen Stimmung, die noch jetzt, wie damals, mir den Athem benimmt und nur den Seufzer mir gestattet. Und gäb' es sonst keine Veranlassung, so thut's der Traum, der, so oft er sie mir vorführt, stets lieblich und wohlthätig ist. – Nun sagen Sie, Freundin! Wie kann ich mit dieser Frau so reden, wie es jetzt sein soll und muss? – Unmöglich! – Ja, ich fühle sogar, ich darf sie nicht wiedersehen. Ach, schon in Venedig machte mich dieses Wiedersehen recht unglücklich: erst nachdem ich diese Erinnerung ganz wieder verloren, ist die Frau mir ganz wieder, was sie war. Das fühle ich, sie bleibt mir immer schön, und nie wird meine Liebe zu ihr erkalten: aber ich darf nicht wieder mit ihr zusammentreffen, nicht unter diesem grässlichen Zwange, der – so nothwendig gefordert ich ihn anerkenne – doch der Tod unsrer Liebe sein müsste. Was mache ich nun? Soll ich die Liebste in dem Wahne wissen, sie sei mir gleichgültig geworden? Das ist doch sehr hart! Sollen Sie sie aus solchem Wahne reissen? Würde das ein Gutes haben? Ich weiss nicht! – Und endlich schwindet doch das Leben. Es ist ein Elend! –

Seit meinem Fortgange von Zürich lebe ich eigentlich wie in der Verbannung: – was ich da Alles geopfert habe, ist nicht zu sagen! – Jetzt ist nun mein einzig Verlangen, wenigstens einmal wieder zu häuslicher Ruhe zu gelangen, um nur noch der Arbeit leben zu können. Durch unerhörte Anstrengungen erkaufte ich mir jetzt wenigstens die Möglichkeit, mir wieder einen Herd zu gründen, den ich nun vollständig einsam fortan zu pflegen habe. Wiederholte Versuche überzeugten mich und meine Freunde, dass ein fortgesetztes Zusammenleben mit meiner Frau unmöglich und für uns Beide durchaus verderblich ist. So lebt sie in Dresden, wo ich über meine Kräfte reichlich für sie sorge. Sie kann sich noch nicht ganz fassen, und mit gewaltsamer Bekämpfung der stets wiederkehrenden Regungen des Mitleides muss ich mich zu einer Härte zwingen, ohne die ich ihre Leiden verlängere und mich aller Aussicht auf Ruhe beraube. Ich kann sagen, dass diese Mühe die schwerste ist, die ich je ertrug. Dafür aber entsag' ich auch Allem, und will nur meine Arbeitsruhe, das einzige, was mich vor meinem Gewissen frei spricht und mich wirklich frei machen kann! –

Nun aber, Liebe! Lassen Sie sich erbitten, und erzählen Sie mir manchmal von unsrer Freundin! Hoffentlich lieben Sie sie noch, und sie ist Ihnen ebenfalls treu? Es ist doch zu hart, ein so gränzenlos theures Dasein so ganz fern und fremd von sich dahin leben zu wissen, ohne irgendwie noch einen Blick darauf werfen zu können. Das begreifen Sie, dass, was ich durch ihren Mann erfahren kann, mir nicht die Freundin zeigt, der ich meine ewige Liebe betheuren darf, weil ich sie nie wiedersehen will. Nie? – Es ist hart, – aber muss so sein! –

Nun hab' ich wieder die grüne Mappe aufgeschlagen, die sie mir einst nach Venedig schickte: wieviel Lebensqual war seitdem ausgestanden worden! Und nun, mit einem Male wieder ganz umfangen von dem alten, unsäglich schönen Zauber! Darin Skizzen zu Tristan, zu der Musik ihrer Gedichte –! Ach, Theuerste! Man liebt doch nur einmal, was auch Berauschendes und Schmeichelndes das Leben an uns vorbeiführen mag: ja, jetzt erst weiss ich ganz, dass ich nie aufhören werde, sie einzig zu lieben. Die Unschuld dieser Versicherung werden Sie zu ehren wissen, und mir verzeihen, dass ich dies Bekenntniss Ihnen ablege.

Leben Sie wohl, und seien Sie freundlich

Ihrem
Richard Wagner.


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