Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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140.

10. Sept. Penzing.

Ich hätte Ihnen, Beste, wohl wieder etwas schreiben sollen: vielleicht erwarteten Sie's? – Nun leb' ich aber so im Drucke, dass ich gar keinen Sinn finde, an Sie zu schreiben. Einmal wollte ich Sie enthusiastisch auffordern, etwas Enormes für mich zu thun. Dann musst' ich wieder traurig darüber lächeln. – Ich bin ein Unglücksmensch!

Ich glaubte auch Ende August schon an den Rhein (Darmstadt, Karlsruhe) zu Conzerten berufen zu werden: dabei wollte ich Euch besuchen, namentlich auch einen Gebirgsausflug in mein altes Heil-Land zu machen, um meinem schrecklich leidenden Unterleibe aufzuhelfen. Aus Darmstadt ward gar nichts, und nach Karlsruhe bin ich gebeten, erst Ende October zu kommen. Um diese Zeit hätte ich nun eigentlich im Osten erst einige Engagements: es wird sich dann wieder Alles drängen, und doch muss ich Alles mitnehmen, ja – ich bin jetzt nur so ganz übel dran, weil sich das Alles so lang verzögert. – Ach Gott, wie bereue ich bereits meine hiesige Niederlassung: und doch habe ich Alles dran gegeben, mich ihrer nur auf die Dauer zu versichern –, so gross war mein Bedürfniss, nur irgendwie und irgendwo wieder festen Fuss zu fassen. Nun ging mir's mit der sauer gewonnenen russischen Beute wie dem Mann in einem Lustspiel, der sein Unglück verwünscht, etwas in der Lotterie gewonnen zu haben, weil er nachweisen kann, dass ihm das mehr, als der Gewinn beträgt, kostet. Was ist mir nicht zu meiner russischen Fortüne gratulirt worden! Und von wem Alles! – von Gläubigern, von denen ich gar nichts wusste. Ach, wie war nun Alles froh, dass ich so gut versorgt wäre, und nun Niemand sich mehr um mich zu bekümmern hätte! –

Nach Karlsruhe gehe ich, um den letzten Versuch zu machen, ob von fürstlicher Protection etwas für mich zu erwarten sei. – Sagen Sie nicht, dass ich ein »helfeloser« Mann sei. Dafür, wo niemand allerdings mir helfen kann, kann ich mir jetzt selbst und allein helfen: – aber wo die Mitwelt mir helfen könnte, das wird die Nachwelt – vermuthlich sehr bald – einsehen. Da wird's offen stehen, wie leicht mir zu helfen gewesen wäre, und was sie gewonnen haben würde, wenn mir meine letzten guten Schaffensjahre nicht so elend verkümmert worden wären. – Soll ich aber, um dieser zukünftigen Verwunderung abzuhelfen, jetzt für mich thun, was man dann für meine Denkmäler thun wird? – Welch sinnloses Behagen rings umher. Und das Volk will noch »einiger« werden!

Doch – ich hoffe noch es möglich zu machen, vielleicht vor Karlsruhe Sie in der Schweiz zu besuchen. Vielleicht aber – verschwinde ich vorher schon spurlos. Ach verschallen zu können!! So als letzter Klang von sich in weiter Ferne zu verhallen! –

Da haben wir's! Solches Zeug schreibe ich Ihnen nun! Wohl sollt' ich's nicht abschicken: Sie thaten aber einmal ein Gleiches, und meinten dazu, was geschrieben sei geschrieben! –

Und wirklich, auch seinen besten Freunden noch in künstlicher Umschreibung sich mittheilen zu sollen, hebt alle Nöthigung zur Mittheilung auf. Ich gestehe, ich wüthe jetzt und werde dabei anmaassend über alle Maassen: Es ist, das fühle ich eben, der letzte Kampf, der letzte Krampf! Dann lass' ich die Hände sinken, und geb' den Rossen den Lauf –: wohin sie wollen! Nie werde ich mich mehr um mein Leben bekümmern, als diess eine Mal noch.

Kind, und so geht's bei mir jetzt fort, – drum – genug! –

Nach Wien zu kommen, kann ich Euch nicht rathen. Kunst? gar nicht. Oper gänzlich würdelos und elend: ich weiss gar nichts mehr vom Theater. Ob Ihr mich aber treffen würdet, weiss Gott! Ich steh' jeden Augenblick auf dem Sprunge. Aber ein solcher Sprung kann mich auf ein paar Tage zu Euch bringen; geht mir's gemüthlich, so komme ich – wie gesagt – vor Karlsruhe, Ende October.

Das war nun ein Brief! – Verzeihung! Ich weiss es nicht besser zu machen! – Vielleicht ein ander Mal! Ein schwacher Rest ist noch in mir vorhanden, aus dem sich – vielleicht – die Sache noch machen lässt!

Allerschönsten Gruss!

R. W.


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