Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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102.

Paris, 10. April 60.

Aber liebstes theuerstes Kind, warum auch so gar keine Nachricht? Muss ich denn Alles erst abfragen? Kann denn mir Armen nicht auch einmal geschrieben, nicht nur geantwortet werden? – Ich bin wirklich recht in Unruhe. An Otto schrieb ich zuletzt: von dem auch keine Antwort! Nun bleibt mir nichts mehr als Träumen übrig: und damit helfe ich mir denn auch. Ich träume viel und oft: aber selbst die angenehmen Träume haben mir etwas beängstigendes, weil man sich nach den Regeln der Traumdeutekunst wieder daran halten soll, dass, wenn der Sorgen erweckende Gegenstand uns heiter und wohl erscheint, bei dem leisesten Uebermaass diess das Gegentheil anzeige. Aber, welch schlimmer Behelf sind schon die Träume! Weiss man viel von dem, was einem träumt, so deutet dies schon nur auf die Leerheit unsres Daseins im wachen Zustande hin. Mir fällt da immer der grüne Heinrich ein, wie der endlich nur noch träumte. –

O Sie böses Kind! Auch Ihr letzter Brief – und das ist nun schon lange her – sagte mir so wenig, fast gar nichts von Ihnen. Immer nur soll mein albernes Schicksal das Besprechenswerthe sein! Fast muss ich zweifeln, ob diese Zeilen Sie nur noch in Rom antreffen werden: das sähe Euch ganz ähnlich, so aufzubrechen, ohne mir ein Wort zu sagen, wann und wohin! Sie sehen, ich zanke: vor wenigen Tagen hätte ich es noch sanfter abgemacht, aber nun werde ich von Tag zu Tag böser. –

Bitte, schreiben Sie mir doch recht viel davon, wie's Ihnen geht, was Sie Alles sehen, wie Sie täglich leben, welche Bekanntschaften Sie gemacht haben, wie's mit dem Wohlsein geht, und das Alles. Sie versprachen mir ja, mich dann und wann in Ihren Guckkasten blicken lassen zu wollen. Und nun auf einmal ganz excommunizirt? O, man merkt, wo Sie leben!

Fast sollte ich nun eigentlich einmal gar nicht von mir sprechen: aber was weiss ich denn von Ihnen! Nichts als dass ich nichts weiss: ächt philosophisches Bewusstsein! Und von mir?? Liebstes Kind, da wird sein Lebtag nichts Kluges draus, und vor Allem wird eben kein Gescheiter klug draus werden. Da werde ich denn jetzt z. B. von allen verständigen Leuten bejubelt, und alle Welt glaubt, ich müsse in Wonne und Behagen schweben, da ich nun endlich so Unglaubliches erreicht, und eine meiner Opern in Paris aufgeführt werden soll. »Kann er denn noch mehr verlangen?« heisst's da. Und denken Sie sich – ich bin der Sache nie überdrüssiger gewesen, als jetzt, und Jedem, der mir gratulirt, weise ich ergrimmt die Zähne. So bin ich nun! –

Niemand kann's mir recht machen, und Nichts ist mir recht. Da lässt man mich dann stehen, und das muss mir denn endlich wieder gefallen. – Doch gegen Sie, will ich mich einmal nicht so ungezogen benehmen. –

Sie wissen, Kind, dass unser Eines nicht rechts noch links, nicht vorwärts noch rückwärts sieht, Zeit und Welt uns gleichgültig ist, und nur Eines uns bestimmt, die Noth der Entladung unsres Inneren; somit wissen Sie auch, was mir einzig wirklich am Herzen liegen kann. Wäre es aber anders, wäre ich mit dem inneren Vorrath bereits fertig, und dürfte ich nur noch um mich blicken und die Erfolge meiner Arbeiten im Auge haben, die Zustände, die ich hervorrufe, die Wichtigkeit, von der ich sein kann, so hätte ich genug ernstliche und erbauliche Unterhaltung, wenn ich so um mich blicke. Ich kann meine neuen französischen Freunde nicht bestreiten, die in der Möglichkeit und in der vorausgesehenen Gewissheit eines grossen Eindruckes zunächst schon des Tannhäuser auf das Pariser Publikum, ein Moment von noch gar nicht dagewesener Wichtigkeit erblicken, und diesem eine Bedeutung beimessen, mit der sich gar nichts Erdenkbares vergleichen liesse.

Wer ruhig dem Leben einer so begabten, aber so unglaublich verwahrlosten Nation, wie der französischen, zusehen und für Alles sich interessiren kann, was in Bezug auf die Entwickelung und Veredelung dieses Volkes sich als zweckdienlich darstellen mag, dem kann ich endlich nicht verdenken, wenn er grade in der Aufnahme eines französischen Tannhäuser eine völlige Lebensfrage für die Bildungsfähigkeit dieser Menschen erblickt. Bedenken Sie, wie miserabel es mit aller französischen Kunst steht; dass Poesie diesem Volke eigentlich ganz fremd ist, wofür es nur Rhetorik und Eloquenz kennt. Bei der völligen Abgeschlossenheit der französischen Sprache, und der Unfähigkeit derselben, das ihr fremde, poetische Element durch Uebertragung aus einer anderen in sich aufzunehmen, bleibt nur der eine Weg offen, durch die Musik die Poesie auf die Franzosen wirken zu lassen. Nun ist der Franzose aber auch nicht eigentlich musikalisch, und alle Musik ist ihm aus der Fremde gekommen: von je hat sich der französische Musikstyl nur durch den Contact der italienischen und deutschen Musik gebildet, und ist eigentlich nichts anderes, als der Transactionspunkt dieser beiden Style. –

Gluck hat aber den Franzosen, genau betrachtet, nichts anderes gelehrt, als die Musik mit dem rhetorischen Styl der französischen Tragédie in Einklang zu setzen: um wahre Poesie handelte es sich im Grunde hierbei nicht. Deshalb konnten auch seitdem die Italiener fast einzig das Feld behaupten, denn immer handelte es sich nur um die Manier in der Rhetorik, sonst aber so wenig um die Musik, wie um die Poesie. Die bis heute nun immer wachsende Verwahrlosung, die hieraus entstanden, ist unglaublich. Ich war letzthin, um die Sänger der Oper kennen zu lernen, genöthigt, das neue Opus eines Prinzen Poniatowski anzuhören. Wie ich mich da befand!! Welche Sehnsucht nach dem einfachsten Gebirgsthal der Schweiz mich erfasste!! Ich war gerade wie gemordet, als ich nach Hause kam, und jede Möglichkeit war spurlos vor mir geschwunden. Nun lernte ich aber, wie die grässlichen Eindrücke die Gegeneinwirkungen nur verstärken und bedeutender an Inhalt machen. »Sie sehen«, sagte man mir, » wie es steht, und was wir von Ihnen erwarten und verlangen!« Die mir das sagen, sind Männer, welche seit 20 Jahren nicht mehr die Oper betreten haben, nur noch die Conservatoire-Conzerte, die Quartette kannten, und endlich – ohne mich zu kennen – meine Partituren studirten, und nicht nur Musiker, sondern Maler, Gelehrte, ja – Staatsmänner. Sie sagen mir, »das, was Sie bringen, ist noch nie auch entfernt nur geboten worden, denn Sie bringen mit der Musik die ganze Poesie: Sie bringen das Ganze, und zwar ganz selbständig, unabhängig von jedem Einflusse, wie er früher von unseren Instituten aus auf den Künstler geübt wurde, der sich uns produziren wollte. Sie bringen es aber zugleich in vollendeter Form und mit der grössten Kraft des Ausdruckes: selbst der ignoranteste Franzose kann nichts daran ändern wollen; er muss es ganz aufnehmen, oder ganz von sich weisen. Und hierin liegt die grosse Bedeutung, die wir dem bevorstehenden Ereigniss beimessen: wird Ihr Werk zurückgewiesen, so wissen wir, woran wir mit uns sind, und geben die Hoffnung auf; wird es aufgenommen, und zwar sogleich mit einem Schlage (denn der Franzose kann nicht anders beeinflusst werden), so athmen wir Alle wieder auf; denn nicht die Wissenschaft und Literatur, nur die am unmittelbarsten und allgemeinsten wirkende, theatralische Kunst kann den Geist unserer Nation für seine Anschauungen stark imprimiren. Aber, – wir halten uns des grössten und nachhaltigsten Erfolges sicher!« –

In der That, selbst der Director, der nun das Sujet genauer kennen gelernt hat, rühmt aller Welt, jetzt endlich einmal mit dem Tannhäuser auf einen wirklichen »succés d'argent« rechnen zu können.

Nun habe ich mich in Brüssel viel mit einem merkwürdigen Manne, einem alten, sehr gewitzten, witzigen und ungemein erfahrungsreichen DiplomatenStaatsrat Klindworth, Glasenapp II, 2, 252. unterhalten, der mir denn doch herzlich empfiehlt, die Franzosen nicht aus der Acht zu lassen: man möge denken und sagen wollen, was immer, so viel bliebe unleugbar, die Franzosen seien gegenwärtig der eigentliche Prototyp der europäischen Civilisation, und auf sie entscheidend einwirken, hiesse auf ganz Europa wirken. –

Das klingt doch wirklich Alles recht ermuthigend, und ich sehe wohl, ich komme von der Wichtigkeit nicht los, von der ich für die Welt sein soll. Nur sonderbar, eigentlich ist mir so recht weder an Europa noch der Welt gelegen: und im Grunde des Herzens sage ich mir, was geht dich das Alles an? Aber das sehe ich, wie gesagt, dass ich nicht davon loskomme: oh, dafür sorgt schon der Dämon. Die sicherste Garantie für meine unausbleibliche Einwirkung auf Europa ist – meine Noth!

Ich sage Ihnen das recht aufrichtig, damit Sie sich keine irrigen Begriffe von mir machen, und nicht etwa glauben, jene eitle Annahme treibe mich wirklich zu irgend etwas, was eigentlich ausser mir liegt. Diese Pariser Conzerte haben mich in eine unabsehbare Lage gebracht: schon unternahm ich Brüssel nur, um mir damit etwas zu helfen, was denn nun auch in's Gegentheil umschlug, so dass ich beim Fortgehen, mir (ähnlich wie Rossini sich einstens, nach dem Durchfall einer »sorgfältiger« gearbeiteten Oper sagte: »Si jamais on me prend à soigner ma partition«) sagte: si jamais on me prend à faire de l'argent!« Deutschland schweigt mir vollkommen, und wenn ich noch je Tristan und die Nibelungen in meinem Leben antreffen soll, muss ich jetzt wahre Wunder ersinnen, um mich über den Wässern dieses heiligen Lebens zu erhalten. So acceptire ich denn die Hoffnungen meiner Pariser Freunde, aber namentlich die meines Opern-Directors, und bin jetzt, da alles Herrliche leider noch etwas auf sich warten lassen wird, gar nicht übel aufgelegt, mich einem russischen GeneralHerr von Sabouroff, Direktor der Kaiserlich russischen Theater; Glasenapp II, 2, 260. zu verkaufen, der nächstens hier ankommen soll, um mich für eine Petersburger Tannhäuser-Expedition zu gewinnen. Ich bitte, lachen Sie mit mir darüber: man kann mir wirklich nicht anders aus diesen lächerlichen Widersprüchen helfen, in denen mich diese erlösungsbedürftige Welt als ihren erwarteten Heiland lässt!

Einstweilen muss ich gute Laune sammeln, um – ein grosses Ballet zu schreiben. Was sagen Sie dazu? Zweifeln Sie an mir? Nun, Sie sollen mir das abbitten, wenn Sie's einmal hören und sehen. Jetzt nur so viel: nicht eine Note, nicht ein Wort wird am Tannhäuser geändert. Aber ein »Ballet« sollte gebieterisch drin sein, und diess Ballet sollte im zweiten Acte vorkommen, weil die Abonnés der Oper immer erst etwas später vom starken Diner in's Theater kämen, nie zu Anfang. Nun, da erklärte ich denn, dass ich vom Jockeyclub keine Gesetze annehmen könnte, und mein Werk zurückziehen würde. Nun will ich ihnen aber aus der Noth helfen: die Oper braucht erst um 8 Uhr zu beginnen, und dann will ich den unheiligen Venusberg nachträglich noch einmal ordentlich ausführen.

Dieser Hof der Frau Venus war offenbar die schwache Partie in meinem Werke: ohne gutes Ballet half ich mir seiner Zeit hier nur mit einigen groben Pinselstrichen, und verdarb dadurch viel: ich liess nämlich den Eindruck dieses Venusberges gänzlich matt und unentschieden, was zur Folge hatte, dass dadurch der wichtige Hintergrund verloren ging, auf welchem sich die nachfolgende Tragödie erschütternd aufbauen soll. Alle späteren, so entscheidenden Rückerinnerungen und Mahnungen, die uns mit starkem Grauen erfüllen sollen (weil dadurch auch erst die Handlung sich erklärt), verloren fast ganz ihre Wirkung und Bedeutung: Angst und stete Beklemmung blieben uns aus. Ich erkenne nun aber auch, dass ich damals, als ich den Tannhäuser schrieb, so etwas, wie es hier nöthig ist, noch nicht machen konnte: dazu gehörte eine bei Weitem grössere Meisterschaft, die ich erst jetzt gewonnen habe: jetzt, wo ich Isolde's letzte Verklärung geschrieben, konnte ich sowohl erst den rechten Schluss zur Fliegenden-Holländer-Ouvertüre, als auch – das Grauen dieses Venusberges finden. Man wird eben allmächtig, wenn man mit der Welt nur noch spielt. Natürlich muss ich hier alles selbst erfinden, um dem Balletmeister die kleinste Nüance vorschreiben zu können: gewiss ist aber, dass nur der Tanz hier wirken und ausführen kann: aber welcher Tanz! Die Leute sollen staunen, was ich da Alles ausgebrütet haben werde. Ich bin noch nicht dazu gekommen, etwas aufzuzeichnen:Glasenapp II, 2, 258 f. mit wenigen Andeutungen will ich's hier zum ersten Male versuchen. Wundern Sie sich nicht, dass diess in einem Briefe an Elisabeth geschieht.

Venus und Tannhäuser verweilen so, wie es ursprünglich angegeben ist: nur sind zu ihren Füssen die drei Grazien gelagert, anmuthig verschlungen. Ein ganzer, engverwachsener Kneuel kindischer Glieder umgiebt das Lager: das sind schlafende Amoretten, die, wie im kindischen Spiel, balgend über einander gestürzt und eingeschlummert sind.

Ringsum auf den Vorsprüngen der Grotte sind liebende Paare ruhig gelagert. Nur in der Mitte tanzen Nymphen, von Faunen geneckt, denen sie sich zu entziehen suchen. Diese Gruppe steigert ihre Bewegung: die Faunen werden ungestümer, die neckende Flucht der Nymphen fordert die Männer der gelagerten Paare zur Verteidigung auf. Eifersucht der verlassenen Frauen: wachsende Frechheit der Faunen. Tumult. Die Grazien erheben sich und schreiten ein, zur Anmuth und Gemessenheit auffordernd: auch sie werden geneckt, aber die Faunen werden von den Jünglingen verjagt: die Grazien versöhnen die Paare. – Sirenen lassen sich hören. – Da hört man aus der Ferne Tumult. Die Faunen, auf Rache bedacht, haben die Bachantinnen herbei gerufen. Brausend kommt die wilde Jagd daher, nachdem die Grazien sich wieder vor Venus gelagert. Der jauchzende Zug bringt allerhand thierische Ungethüme mit sich: unter andern suchen sie einen schwarzen Widder aus, der sorgfältig untersucht wird, ob er keinen weissen Fleck habe: unter Jubel wird er nach einem Wasserfall geschleppt; ein Priester stösst ihn nieder und opfert ihn unter grauenvollen Gebärden.

Plötzlich entsteigt, unter wildem Jauchzen der Menge, der (Ihnen bekannte)Unter den Gedichten von Mathilde Wesendonk steht auch eine Ballade vom Neck. Vgl. noch Gesammelte Schriften 9, 120 über das Finale von Beethovens A-dur-Symphonie und Gesammelte Schriften 10, 319/20 über den Nix. nordische Strömkarl dem Wasserstrudel mit seiner wunderbaren grossen Geige. Der spielt nun zum Tanze auf, und Sie können sich denken, was ich alles zu erfinden habe, um diesem Tanze seinen gehörigen Charakter zu geben; immer mehr mythologisches Gesindel wird herbeigezogen. Alle den Göttern heilige Thiere. Endlich Kentauren, die sich unter den Wüthenden herumtummeln. Die Grazien sind verzagt, dem Taumel wehren zu sollen. Sie werfen sich voll Verzweiflung unter die Wüthenden; vergebens! Sie blicken sich, auf Venus gerichtet, nach Hülfe um: mit einem Wink erweckt die da die Amoretten, welche nun einen ganzen Hagel von Pfeilen auf die Wüthenden abschiessen, mehr und immer mehr; die Köcher füllen sich immer wieder. Nun paart sich Alles deutlicher; die Verwundeten taumeln sich in die Arme: eine wüthende Sehnsucht ergreift Alles. Die wild herumschwirrenden Pfeile haben selbst die Grazien getroffen. Sie bleiben ihrer nicht mehr mächtig.

Faunen und Bachantinnen gepaart stürmen fort: die Grazien werden von den Kentauren auf ihren Rücken entführt; Alles taumelt nach dem Hintergrunde zu fort: die Paare lagern sich: die Amoretten sind, immer schiessend, den Wilden nachgejagt. Eintretende Ermattung. Die Nebel senken sich. In immer weiterer Ferne hört man die Sirenen. Alles wird geborgen. Ruhe. –

Endlich – – fährt Tannhäuser aus dem Traume auf. – So ungefähr. Was meinen Sie dazu? – Mir macht's Spass, dass ich meinen Strömkarl mit der eilften Variation verwendet habe. Das erklärt auch, warum sich Venus mit ihrem Hof nach Norden gewendet hat: nur da konnte man den Geiger finden, der den alten Göttern aufspielen sollte. Der schwarze Widder gefällt mir auch. Doch könnte ich ihn auch anders ersetzen. Die Mänaden müssten den gemordeten Orpheus jauchzend getragen bringen: sein Haupt würfen sie in den Wasserfall, – und darauf tauchte der Strömkarl auf. Nur ist diess weniger verständlich ohne Worte. Was meinen Sie dazu? –

Ich möchte gern Genelli'sche Aquarelle zur Hand haben: der hat diese mythologischen Wildheiten sehr anschaulich gemacht. Am Ende muss ich mir auch so helfen. Doch habe ich noch Manches zu erfinden. –

So, nun habe ich Ihnen wieder einen rechten Kapellmeister-Brief geschrieben. Meinen Sie nicht? Und diesmal sogar auch einen Balletmeister-Brief. Das muss Sie doch guter Laune machen?

Und dennoch schreiben Sie mir nicht? Und auch Otto nicht? O Ihr bösen, bösen Menschen! Wo soll ich denn nun Briefe hernehmen, die mir Freude machen? Und Sie wissen doch, dass mir sonst nichts rechte Freude macht! Doch nur, wenn ich mir mit Ihnen zu thun mache.

Da hat man mir gestern von Brüssel mein Photographie-Porträt nachgeschickt, was mir recht gut gelungen scheint. Da habe ich denn nun auch gleich an Sie gedacht. Wenn Sie mir bald recht hübsch schreiben und sagen wollen, wann Sie etwa wieder nach Zürich zurückkommen, so schicke ich an Herrn Stünzig oder wen Sie mir sonst bezeichnen, das Bild, das Ihnen sagt, wie ich jetzt aussehe, und das soll man im Bildersaal über dem Klavier aufhängen.

Da Sie alles Ihrige mit nach Rom genommen haben, kann Euch ja kein Freund bei der Rückkehr begrüssen, wenn ich mich nicht, wenigstens im Bildersaale, einfinde.

Denken Sie sich nur, dass ich diesmal Otto's Geburtstag rein vergessen habe: ich wusste wohl, was im März vorging; aber den Tag, den Tag wusste ich nicht. Auch hatte ich gar nichts Rechtes ihm zu schenken. Nun, er soll auf nächsten März warten; da bin ich wahrscheinlich bereits ein reicher Mann und werfe mit Millionen um mich. – Aber im Uebrigen bedenken Sie nur, mein liebes Kind, dass ich immer noch nichts auf der Welt habe, als Sie: dass ich für Sie, durch Sie und mit Ihnen lebe, und alles Spiel nur noch Reiz für mich hat, weil ich Ihnen meine Noth dabei klagen kann, und Sie das so lieb aufnehmen. Adieu! mein Kind! Tausend innige Grüsse: geben Sie davon ab an Mann und Kinder, was Ihnen zuviel ist. R. W.


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