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Die große Russenschlacht im Juli 1916.

Auch im letzten Monat des zweiten Kriegsjahres konnten die Russen an der langen Ostfront nicht ihr Ziel erreichen. Oertliche kleine Erfolge rechneten nicht so, daß sie einen Umschwung der Kriegslage herbeiführen konnten, trotzdem zu gleicher Zeit auch die Engländer und Franzosen im Westen angriffen.

Am 1. Juli meldete General von Linsingen: »Westlich von Kolki, südwestlich von Sokul und bei Wiczyny wurden russische Stellungen genommen. Westlich und südwestlich von Luck sind für uns erfolgreiche Kämpfe im Gange. An Gefangenen haben die Russen hier gestern 15 Offiziere, 1365 Mann, seit dem 26. Juni 26 Offiziere und 3165 Mann eingebüßt. Bei der Armee des Generals Grafen von Bothmer hat der Feind vergebliche, südöstlich von Tlumacz geführte Kavallerie-Attacken mit schweren Verlusten bezahlen müssen.«

Aus dem Kriegspressequartier wurde gemeldet: »Schon bei der Veröffentlichung der russischen Berichte vom 18. Juni wurde der vom russischen Generalstab geübte Brauch, mit ungeheuren Gefangenen- und Beutezahlen zu prunken, in das richtige Licht gerückt. Wenn nunmehr der Petersburger Bericht vom 27. Juni schlechthin mitzuteilen weiß, daß durch die Streiche Brussilows insgesamt 194 041 Gefangene, 219 Geschütze und 644 Maschinengewehre eingebracht worden seien, so kann dies nach allen Erfahrungen, die in zweijähriger Kriegszeit mit der Berichterstattung aller unserer Feinde gemacht wurden, wahrlich nicht mehr in Erstaunen setzen.«

Die Russen logen ihren Landsleuten – die ja zumeist nicht lesen können! – und ihren Ententefreunden doch gar zu viel vor!

Der Wiener amtliche Bericht vom 1. Juli lautete: »Bei Tlumacz wurden österreichisch-ungarische Truppen der Armee des Generals Grafen von Bothmer von einer drei Kilometer breiten und sechs Glieder tiefen Reitermasse attackiert. Der Feind wurde zersprengt und erlitt schwere Verluste. Sonst in Ost-Galizien und in der Bukowina nichts von Bedeutung. In Wolhynien schreiten die Angriffe der verbündeten Armeen vorwärts, sie drängen den Feind südlich von Ugrinow, westlich von Torczyn und bei Sokul zurück. Seit Anfang Juni sind südlich des Pripjet 158 russische Offiziere, 23 075 Mann, mehrere Geschütze und 90 Maschinengewehre eingebracht worden.«

Am 2. Juli wurden in der Bukowina 1000 Russen gefangen. In den Bergen der Bukowina waren äußerst heftige Kämpfe im Gange. Aus bester Quelle verlautete, daß die Russen im Tale des Putna, ferner bei Seletin, Jakobeny und Kirlibaba große Niederlagen erlitten. Sie verloren Tausende von Toten, Verwundeten und Gefangenen. Die Russen griffen mit 80 000 Mann an, wurden jedoch mit schweren Verlusten zurückgeschlagen. Aus Czernowitz gingen täglich große Truppen-Transporte ab, um die großen Verluste zu ersetzen. Viele Züge mit Verwundeten trafen in Czernowitz ein. Gurahumora und Kimpolung waren zu Spitalstätten umgewandelt worden.

Generalfeldmarschall Prinz Leopold von Bayern meldete am 4. Juli zweitausend Gefangene. Das Sumpf- und Sandland an der Serwetsch und Schtschara war auch plötzlich zum Schauplatz ernster Kämpfe geworden. Diesen wegen der Bodengestaltung recht schwierigen Teil der Front hielten die Truppen der Armeegruppe Woyrsch besetzt, in derem Verbande auch ein österreichisch-ungarisches Korps stand, dasselbe, das im Sommer 1915 Iwangorod gestürzt hatte. Die Russen hatten diese teils im Sumpf, teils im Sand gebauten Stellungen zu Beginn ihrer jetzigen Offensive schon einmal durch Trommelfeuer zu erschüttern versucht. Damals war der Angriff aber nur gegen einzelne Teile der litauischen Front nördlich von Baranowitschi gerichtet und scheiterte vollkommen, obwohl an einzelnen Stellen die in dem ungünstigen Gelände angelegten Feldbefestigungen der Unseren durch das russische Feuer fast völlig zugedeckt wurden. Die Russen rückten darauf im Infanterie-Angriff vor, wurden aber von der Artillerie und den verteidigenden Infanteriegruppen, unter denen sich die Schlesier damals besonders hervortaten, derartig empfangen, daß sie den zerstörten Gräben und Sumpfschanzen überhaupt nicht nahe kommen konnten. Jetzt hatten die Russen von neuem sowohl die deutschen als die ungarisch-siebenbürgischen Regimenter angegriffen und abermals ein fürchterliches Massenfeuer gegen die Sandgräben und Erdbollwerke gerichtet. Wieder scheiterte nach der Artillerie-Vorbereitung ihr erster Angriff, aber die Kämpfe gingen weiter. Die bedeutenden Leistungen des Verteidigungskrieges in einer derartigen Landschaft können nicht genug anerkannt werden.

Aus dem Kriegspressequartier wurde gemeldet: »Gefangenen-Aussagen, aufgegriffene Meldungen und sonstiges Material ermöglichen nunmehr ein annäherndes Bild über die russischen Verluste während der letzten Offensive. Man geht nicht fehl in der Annahme, daß hinter der Front für jeden Truppenkörper 50-75 Prozent des Standes an Ersatztruppen bereitgestellt waren. So hatte, um eines unter den ungezählten Beispielen anzuführen, das 53. russische Infanterie-Regiment von der in Ostgalizien kämpfenden Armee Letschitzky am 6. Juni 3250 Mann, vier Tage später nur mehr 800, verlor also 2450 Mann oder 75 Prozent seines Standes. Am 14. Juni wurden 2200 Mann Ersatz eingestellt, womit das Regiment wieder annähernd seine Kriegsstärke erreichte, aber schon am 21. Juni waren unter acht Kompagnien fünf gänzlich aufgerieben, während drei nur 20-50 Gewehre zählten. Aehnliche Verhältnisse ergeben sich als Folge der massenmörderischen Taktik der russischen Feldherrn bei den meisten Truppenkörpern unter Brussilows Befehl. Alle verläßlichen Angaben stimmen darin überein, daß die bei der russischen Feldarmee bereitgestellten, bis zu dreivierteln des Kampfstandes betragenden Ersatztruppen zur Wiedergewinnung der vollen Kriegsstärke nicht mehr ausreichten. Es mußte aus den Ersatzkörpern neues Kanonenfutter herangeholt werden. Das russische Südwestheer büßte in einem Kriegsmonat kaum weniger als 500.000 Mann an Toten und Verwundeten ein.«

Oesterreichischerseits wurde über die Kämpfe in der Bukowina geschrieben: »Solange es unsere Truppen in der Bukowina für geboten erachteten, zurückzugehen und gewisse Stellungen freiwillig zu räumen, gingen die Russen selbstverständlich vor, was aber gewiß nicht als ein Waffenerfolg ihrerseits angesehen werden kann. Seit dem 23. Juni aber hat das Vortreiben der Kosaken und Infanterie aufgehört. Die Russen sind schon bei Kimpolung auf unseren Widerstand gestoßen. Hier mußten sie ihr Vorgehen schon mit empfindlichen Verlusten bezahlen. Seither haben sich größere Kosakenschwärme, allerdings mit Artillerie versehen, jenem Vorgebirge genähert, wo der Feind im Vorjahre seine größte Niederlage erlitt. Vielfach wurden die Kosakenvorhuten zersprengt, und wo sie in Massen vorzudringen versuchten, stießen sie auf natürlichen und technischen Widerstand.«

Die russischen Angriffe nahmen in den nächsten Tagen an Ausdehnung wieder zu. An zahlreichen Frontabschnitten vom Südflügel in der Bukowina bis nördlich des Pripjet kam es zu neuen Massenanstürmen. Mit unverminderter Hartnäckigkeit wurde im Zentrum gekämpft. Namentlich die Schlacht westlich Kolomea war noch immer in vollem Gange. Ununterbrochen schickte dort der Gegner neue Verbände ins Feuer. Aber keiner seiner vielen Angriffe vermochte durchzudringen.

Am 7. Juli wurde der nach Czartorysk vorspringende Winkel infolge des überlegenen Druckes auf seine Schenkel bei Kostiuchnowka und westlich von Kolki aufgegeben und eine kürzere Verteidigungslinie gewählt. Beiderseits von Sokul brachen die russischen Angriffe unter großen Verlusten zusammen.

Die Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinzen Leopold von Bayern meldete am 8. Juli: »Mit vollem Mißerfolge endeten die seit gestern wiederholten Anstrengungen starker russischer Kräfte gegen die Front von Zirin bis südöstlich von Gorodischtsche, sowie beiderseits von Darowo. Die vor unseren Stellungen liegenden Toten zählen nach Tausenden, außerdem verlor der Gegner eine nennenswerte Zahl Gefangener. Neue Kämpfe sind im Gange.«

Die heftigen Kämpfe bei Kirlibaba endeten mit einer Niederlage der Russen, die über 10.000 Tote, Verwundete und Gefangene verloren. Tausende von Russenleichen lagen auf den Feldern, ohne beerdigt zu werden.

Der österreichische Bericht vom 10. Juli besagte: »Westlich und nordwestlich von Buczacz scheiterten mit großer Heftigkeit geführte russische Angriffe. Südwestlich von Luck wurden die feindlichen Linien abermals zurückgedrängt. Die aus dem Styr-Bogen nördlich von Kolki zurückgenommenen Streitkräfte haben die ihnen zugewiesenen Räume erreicht. Der Gegner drängte nur an einzelnen Stellen nach. Gegen die österreichisch-ungarischen und deutschen Truppen nordöstlich von Baranowitschi stürmte der Feind gestern abermals unter Aufgebot großer Massen an. Alle Angriffe zerschellten. Unsere siebenbürgischen Regimenter kämpften in völlig zerschossenen Stellungen und schlugen die Russen mehrfach im erbitterten Nahkampf zurück. Tausende von toten Russen bedeckten das Vorfeld.«

Feldmarschall Hindenburg meldete am nächsten Tage: »Bei Pinsk Ruhe. Die russische Veröffentlichung über die Räumung der Stadt ist frei erfunden. Gegen die Stochod-Linie lief der Gegner an vielen Stellen vergeblich an, mit stärkeren Kräften bei Czerewiszcze, Hulewicze, Korsyni, Janowka und beiderseits der Bahn Kowel–Rowno. Bei Hulewicze wurde er durch kräftigen Gegenstoß über seine Stellung hinaus zurückgeworfen. Er büßte in diesen Kämpfen gegen 700 Gefangene und drei Maschinengewehre ein. Unsere Fliegergeschwader haben Truppenausladungen bei Horodzieja (Strecke Baranowitschi–Minsk) ausgiebig mit Bomben belegt und ihre Angriffe auf russische Unterkunftsorte östlich des Stochod wiederholt. Im Luftkampf wurden je ein feindliches Flugzeug bei Worontscha (westlich von Zirin) und westlich Okonsk abgeschossen. Bei der Armee des Generals Grafen von Bothmer hatte ein Jagdkommando ein günstiges Gefecht südlich des Waldes von Barkanow und hat einige Dutzend Gefangene eingebracht.«

Ein Uebergangsversuch schwächerer russischer Kräfte über die Düna westlich von Friedrichstadt und Angriffe südlich des Narocz-Sees wurden vereitelt. Russische Abteilungen, die sich bei Janowka auf dem linken Stochod-Ufer festzusetzen versuchten, wurden am 12. Juni angegriffen; kein Mann von ihnen ist auf das Südufer entkommen. Hier und an der Bahn Kowel–Rowno wurden gestern noch über 800 Mann gefangen genommen. Die Ausbeute der beiden letzten Tage am Stochod betrug außer einer Anzahl Offiziere 1932 Mann und 12 Maschinengewehre. Unsere Fliegergeschwader hatten ihre Angriffstätigkeit östlich des Stochod fortgesetzt. Ein feindlicher Fesselballon wurde abgeschossen.

Das Kriegspressequartier machte zu den russischen Generalstabsberichten folgende Bemerkungen: »Aus der russischen Schilderung über Gefechte zwischen Styr und Stochod ersieht man, daß es die Russen den Italienern gleichtun. Sie erobern auch Ortschaften, die wir ohne Gewehrschuß preisgegeben haben. Bei der Schilderung der Gefechte westlich Kimpolung sind die Russen keinen Augenblick verlegen, den unleugbaren Erfolg der österreichisch-ungarischen Truppen ohne Bedenken in einen russischen Sieg umzuwandeln. Den Beuteangaben der Russen ist angesichts solcher Verdrehungen und Lügen nichts hinzuzufügen.«

Aus dem Großen Hauptquartier wurde geschrieben: »Seit den Tagen des Kriegsbeginns, da Feinde von allen Seiten gegen uns erstanden, Millionenheere heranschwollen aus allen vier Himmelsrichtungen – seitdem haben die zwei langen Kriegsjahre keine so heiß erregenden Tage mehr gebracht als die, in denen wir stehen. Die »Einheit der Front« – unsere Feinde hatten sie seit langem eifervoll vorbereitet und zu gegenseitiger Aufrichtung in prahlerischen Ergüssen angekündigt. Immer wieder haben unsere unerwarteten Angriffe diesen kühn gedachten Plan in der Entwicklung gestört, seine Stoßkraft zersplittert. Aber nun ist endlich doch etwas zustande gekommen, das wenigstens einen Teil der Absichten unserer Feinde verwirklicht. Alle ihre Kräfte suchen die Gegner zusammenzuraffen zu gleichzeitigem Anprall. Den Sieg, der ihnen auf allen Kriegsschauplätzen versagt war – ein gemeinsamer Ansturm gegen die Schutzmauer aus unserem edelsten Blut soll ihn erzwingen. Die Eisenmassen, welche die halbe Welt ihnen zurichtete, schleudern sie tagelang wider unsere Tapferen, um ihre Willenskraft zu zerreiben, und rennen dann in dichten Massen an, Weiße, Gelbe, Braune und Schwarze. Nie hat die Welt so Ungeheures erlebt. Nie haben Heere getrotzt, wie die unsern trotzen. Mit dem Feldzug der Waffen verbinden unsere Feinde den Hungerkrieg und den Lügenfeldzug. Beides zielt nach Kopf und Herzen der Heimat. Den Hungerfeldzug werden sie verlieren. Das mühselige und dornenvolle Werk der planmäßigen Verwaltung und gerechten Verteilung unserer Lebensmittel ist der Vollendung nahe. Und auf den Fluren der Heimat reift verheißungsvolle Ernte. Dem Lügenfeldzug unserer Feinde haben wir selber den Weg zum Ohr und Herzen unseres Volkes gebahnt. Vom ersten Tage des Krieges haben wir, als einzige von allen kämpfenden Nationen, die Heeresberichte unserer sämtlichen Gegner ohne jede Kürzung veröffentlicht. Denn grenzenlos ist unser Vertrauen in die Standhaftigkeit der Daheimgebliebenen. Aber unsre Feinde haben sich dieses Vertrauen zunutze gemacht. Mehrmals am Tage funken sie ihre Heeresberichte in die Welt hinaus, ja die Engländer versenden seit Beginn ihrer Offensive sogar alle zwei Stunden eine Depesche. Jede einzelne dieser Veröffentlichungen hat einen Umfang, doppelt und dreifach größer als unser einmaliger Tagesbericht. Und alle sind sie in einem Stil geschrieben, der nichts mit militärischer Knappheit und Schlichtheit gemein hat. Das ist nicht mehr die Sprache des Soldaten, das sind phantastische Siegeshymnen, und ihr Schwelgen in Namen eroberter Dörfer und Wälder, erstürmter Stellungen, in Zahlen erbeuteter Geschütze und abgeschleppter Zehntausender von Gefangenen treibt mit der Wahrheit Spott. Warum das alles? Nur um die ermattete Siegeszuversicht der eigenen Heere und Völker, das wankende Vertrauen der Bundesgenossen wieder aufzurichten? Nur um das scharf beobachtende Auge der Neutralen zu blenden? Nein, die Sündflut von Telegrammen soll durch die Kanäle, die wir selber den Feinden geöffnet haben, gegen das Herz des deutschen Volkes anprallen, soll unsere Standhaftigkeit unterwühlen und hinwegschwemmen! Aber auch dies schändliche Spiel wird nicht gelingen. Wie unsere herrlichen Kämpfer draußen an der Front sich vielfacher Uebermacht erwehren, so wird das deutsche Volk dem anbrandenden Schwall der feindlichen Reklametelegramme eine Stirn des Trotzes und des Hohnes entgegensetzen.«

Aus dem Kriegspressequartier wurde gemeldet: »In Ostgalizien hat sich der Kampf nunmehr auf ein Gebiet übertragen, wo die k. u. k. Truppen, die in den Vorgebirgen der Karpathen Stellung genommen haben, sich gegenüber den zähen Angriffen der Russen und deren immer wiederkehrenden Ansturm trefflich verteidigen können. Gestern fand westlich von Miklyczin der heftigste Kampf statt. Die Truppen des Generals Leschitzki richteten sieben schwere Angriffe gegen die teils bewaldeten, teils felsigen Spitzen des Lisznow. Die österreichisch-ungarischen Truppen haben aber auf einer Bergkette von 1300 bis 1400 Metern Höhe die russischen Angriffe zerteilt. Während im Zentrum der russischen Front der gestrige Tag ruhig verlief, mußten die österreichisch-ungarischen Truppen auf dem nördlichen Flügel an der Stochodlinie wieder sehr heftige Stöße der Russen aushalten.«

Die russischen Truppen, die Miklyczin im Rücken hatten, versuchten unausgesetzt anzustürmen. Alle ihre Vorstoßversuche wurden abgewiesen; der Feind erlitt hierbei ungeheure Verluste. Vor den österreichisch-ungarischen Gräben lagen die Leichen russischer Soldaten zu Tausenden, die wegen der blutigen Kämpfe nicht bestattet werden konnten. Die Russen griffen in fünf bis sechs Gliedern an. Aber die österreichisch-ungarischen Soldaten standen fest wie eine Felsenmauer und wiesen alle Angriffe blutig zurück. Einzelne kleine russische Abteilungen hatten sich in den Karpathen verirrt. Die Patrouillen konnten nicht mehr zu ihrem Heer zurück.

Die russischen Truppen fanden in der Bukowina die größten Schwierigkeiten bei ihren Nachtransporten vor, denn die österreichisch-ungarischen Truppen hatten bei ihrem Rückzug alles Bahnmaterial, was nicht mitgenommen werden konnte, vernichtet. Auch sämtliche Brücken waren gesprengt worden.

Die im Moldawatal gemachten Gefangenen, zumeist bessarabische Rumänen, wurden vorgeführt. Die Gefangenen erzählten, daß ihre Offiziere von der gegenwärtigen Aktion das Kriegsende erwarteten. Die Popen mußten vor jedem Sturm die Soldaten anfeuern und ihnen erzählen, daß sie ihnen im Namen des Zaren das feierliche Versprechen zu verkünden hätten, sie brauchten nur mehr bis zu den Karpathen vorzurücken.

Der Wiener Generalstab gab noch amtlich bekannt: »Der russische Generalstabsbericht vom 11. Juli verstieg sich zu der Behauptung, daß die Streitmacht des Generals Brussilow seit dem Beginn der russischen Offensive 266.000 Gefangene eingebracht habe. Obgleich die Unzuverlässigkeit der russischen Berichterstattung längst zur Genüge bekannt ist, sei doch nochmals darauf verwiesen, daß die von den Russen angegebene Gefangenenzahl nahe an die Gesamtstärke jener Truppen unserer Nordostfront heranreicht, die in den vergangenen fünf Wochen in ernstem Kampfe gestanden hatten.«

Es bedurfte nicht besonderen authentischen Materials, um die Lächerlichkeit der von den Russen amtlich bekannt gegebenen Gefangenenzahlen nachzuweisen, die nicht wesentlich geringer waren als die gesamte Gefechtsstärke der seit dem 4. Juni in ernste Kämpfe verwickelt gewesenen österreichisch-ungarischen Truppen. Die Länge der Nordostfront unserer Verbündeten schwankte zwischen 450 und 500 Kilometern. Davon waren die Truppen in einer Ausdehnung von 150 bis 200 Kilometern in reine Verteidigungsgefechte verwickelt, bei denen alle russischen Angriffe abgeschlagen wurden. Es verblieben also 250 bis 300 Kilometer Frontraum, wo die Russen so unerhört viele Gefangene gemacht haben wollten. Erfahrungsgemäß entfiel im heutigen Krieg, angesichts der vervielfältigenden Wirkung des Repetier- und Maschinengewehrs, sowie der Schnellfeuergeschütze bei reiner Abwehr regelmäßig weniger als ein Infanterist auf den Meter Besetzungsdichte. Rechnete man aber einen Kämpfer für den Meter, so ergab dies auf 250 bis 300 Kilometer 250.000 bis 300.000 Mann. Damit hätte der Feind alle an den angegriffenen Stellen kämpfenden Truppen bis auf den letzten Tambour als gefangen abgeführt. Zählte man dazu noch eine entsprechende Menge blutiger Verluste, so wäre gemäß den russischen Angaben selbst bei Annahme außergewöhnlich dichter Besetzung von zwei Mann für den Meter von den zuerst angegriffenen Truppen weder in Wolhynien noch in Ostgalizien ein tauglicher Kämpfer in der Gefechtslinie übriggeblieben. Die Absichten solcher, auch für den Laien handgreiflichen Lügen fanden einige Erklärung im Treiben russischer Sendlinge in verschiedenen von der Ententepolitik heimgesuchten neutralen Hauptstädten. Die Russen wollten offenkundig durch unerhört hohe Beutezahlen die Enttäuschung verwischen, die der bisherige Verlauf der Brussilowschen Offensive, mochte sie immerhin einige Erfolge aufzuweisen haben und auch noch keineswegs abgeschlossen sein, bei den Verbündeten und Neutralen zweifellos hervorgerufen hatte. Nicht anders waren auch die geflissentlich verbreiteten Schauermärchen des russischen Generalstabes über den Uebertritt ganzer österreichisch-ungarischer Truppenkörper zu deuten. Es war klar, daß mit solchen Nachrichten das Märchen von der Lebensunfähigkeit der Monarchie wieder aufgefrischt werden sollte, das vor dem Kriege zu den Hauptaktionen der Ententepolitik gehörte, in den zwei letzten Jahren aber durch die Tat gründlichst widerlegt worden war.

Am 17. Juli wurde berichtet: »Südwestlich von Luck wurde durch den deutschen Gegenstoß der feindliche Angriff aufgehalten. Die Truppen wurden daraufhin zur Verkürzung der Verteidigungslinie ohne Belästigung durch den Gegner hinter die Lipa zurückgeführt. An anderen Stellen sind die Russen glatt abgewiesen.«

Wien meldete am 21. Juli: »Auf der Höhe Capul in der Bukowina wurden neuerliche russische Vorstöße abgeschlagen. Die Höhen nördlich des Prislop-Passes sind gesäubert. Die Kämpfe bei Tatarow dauern fort. Bei Jamna südwestlich von Delatyn brachen mehrere russische Angriffe zusammen. Im Mündungswinkel der Lipa griff der Feind nach mehrtägiger Artillerievorbereitung an. Sein Vorstoß über Werben wurde aufgefangen, doch nahmen wir unsere vorspringende Stellung vor neuerlich drohender Umfassung in die Gegend von Beresteczko zurück.«

Interessant war die Bekanntgabe, daß fortan auch türkische Truppen in Galizien kämpfen sollten.

Der österreichische Bericht vom 27. Juli lautete: »Nordwestlich von Noziszcze versuchten Erkundungsvorstöße, sowie südlich von Lobaczewka geführte russische Angriffe mißlangen völlig; mehrere hundert Mann und zwei Maschinengewehre blieben in unseren Händen. Südlich von Leszniow nahmen wir unsere Truppen vor überlegenem feindlichen Druck hinter den Boldurka-Abschnitt zurück. Sehr heftige, von starkem Artilleriefeuer vorbereitete russische Angriffe beiderseits der Bahn nächst Radziwillow brachten dem Feinde nach wechselvollem, für ihn äußerst verlustreichem Kampfe nur unwesentliche Vorteile.«

Die Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinzen Leopold von Bayern meldete am 28. Juli: »Die Russen haben ihre Angriffe mit starken Kräften erneuert. Sechsmal sind sie seit gestern nachmittag gegen die Front Skrobowa–Wygoda (östlich von Gorodischtsche) mit zwei Armeekorps vergeblich angelaufen. Weitere Angriffe sind im Gange. Mehrmals fluteten die Angriffswellen zweier Divisionen vor unseren Schtschara-Stellungen nordwestlich von Ljachowitschi zurück. Die Verluste des Gegners sind sehr schwer. Bei der Heeresgruppe des Generals von Linsingen haben russische Angriffe nordöstlich von Swiniuchy zunächst Boden gewonnen; Gegenangriffe sind im Gange. Bei Postomyty warfen österreichisch-ungarische Truppen die Russen aus Vorstellungen im Sturm zurück.«

Ueber Rußlands Schuld am Weltkriege wurde in Sofia bekannt: »Es wurde festgestellt, daß Rußland der Hauptschuldige an dem Attentat von Sarajevo gewesen ist. Die führenden Kreise in Rußland sahen in dem Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand einen ernsten und starken Gegner ihrer imperialistischen Bestrebungen. Das Attentat gehörte zu den Vorbereitungen zum Weltkrieg, zu denen auch die Begegnung in Konstantza und die Besuche des Präsidenten Poincaré und des Admirals Beatty in Petersburg zählten. Von militärischen Vorbereitungen wurden folgende hervorgehoben: Der Jahrgang, dessen Entlassung 1914 bevorstand, wurde drei Monate länger unter den Fahnen behalten; am 24. Juli wurde die rasche Rückbeorderung der Truppen aus den Lagern in ihre Garnisonen angeordnet; Petersburger Kavallerie und Artillerie gingen nach der Westfront ab; am 24. und 25. Juli passierten Infanterie, Kavallerie und Artillerie Krasnoesjelo, die zur Verstärkung der Grenztruppen bestimmt waren; am 24. Juli beförderte der Zar in Krasnoesjelo alle Junker zu Offizieren, deren Beförderung sonst Ende August stattfand; am 26. Juli wurde die Mobilmachung der Ostseeflotte angeordnet, ebenso verschiedene Maßnahmen zur Vorbereitung der allgemeinen Mobilmachung; infolgedessen waren bei Anordnung der allgemeinen Mobilmachung bereits drei Viertel des Kriegsstandes unter Waffen.«

Der österreichische Bericht vom 28. Juli besagte: »Im Raume nördlich von Brody setzte der Feind gestern seine Anstürme den ganzen Tag über fort. Bis in den späten Nachmittag vermochte er, von unseren brav fechtenden Truppen immer wieder zurückgeschlagen, nicht einen Schritt Raum zu gewinnen. Erst einem neuerlichen, abends angesetzten Massenstoß der Russen gelang es, östlich der von Leszniow nach Brody führenden Straße in unsere Stellung einzudringen. Unsere Truppen setzten den Kampf am Südrande von Brody fort. Bei Pustomyty in Wolhynien vertrieben k. u. k. Abteilungen den Feind aus einer vorgeschobenen Verschanzung. Um Mitte Juli hat der Feind nach einer Pause von vier Wochen in Wolhynien seine Offensive wieder aufgenommen. Das Gesamtergebnis derselben läßt sich bis heute dahin zusammenfassen, daß auf unserer Seite ein achtzig Kilometer breites Frontstück in einer Tiefe von nicht mehr als 15 Kilometern zurückgedrückt wurde. Diesen geringen Raumgewinn hat der Feind durch eine ununterbrochene Reihe schwerer Angriffe und mit ungeheuren Opfern erkauft.«

Generalfeldmarschall Prinz Leopold von Bayern berichtete am 29. Juli: »Die noch nicht abgeschlossenen Kämpfe an der Front Skrobowa–Wygoda sind völlig zu unseren Gunsten entschieden.« – Die Heeresgruppe des Generals von Linsingen berichtete: »Die Russen haben ihre Angriffe gestern noch auf Teile des Stochod-Abschnittes und die Front nordwestlich von Luck ausgedehnt. Ein nordwestlich von Sokul angesetzter starker Angriff wurde mit schweren Verlusten für den Feind abgewiesen; schwächere Vorstöße an anderen Stellen der Stochod-Front sind ebenfalls gescheitert. Nordwestlich von Luck ist es dem Feinde nach mehrmaligem vergeblichen Anlauf gelungen, in unsere Linien in der Gegend von Trysten einzudringen und uns zu veranlassen, die hier bisher noch vorwärts des Stochod gehaltenen Stellungen aufzugeben. Westlich von Luck ist der russische Eingriff durch unseren Gegenstoß zum Stehen gebracht worden. Bei Zwiniacze (östlich von Gorochow) wurde der Feind glatt abgewiesen. Ein russisches Flugzeug ist südlich von Perespa im Luftkampf abgeschossen.«

Am letzten Julitage wurde verlautbart: »Die gegen die Heeresgruppe des Generals von Linsingen fortgesetzten starken Anstürme der russischen Truppenmassen sind auch gestern siegreich abgewiesen worden; sie haben dem Angreifer wiederum die größten Verluste eingetragen. Den Hauptdruck legte der Feind auf die Abschnitte beiderseits der Bahn Kowel–Sarny, zwischen Witonicz und der Turya, südlich der Turya und beiderseits der Lipa. Ein wohlvorbereiteter Gegenangriff warf den bei Zarecze (südlich von Stobychwa) vorgedrungenen Feind zurück. Soweit bisher festgestellt, wurden gestern 1889 Russen (darunter neun Offiziere) gefangen genommen. Unsere Flieger-Geschwader haben während der letzten Kampftage dem Gegner durch Angriffe auf Unterkunftsorte, marschierende und biwakierende Truppen, sowie die rückwärtigen Verbindungen erheblichen Schaden zugefügt. In Fortsetzung der Angriffe im Abschnitt nordwestlich und westlich von Buczacz gelang es den Russen, an einzelnen Stellen in die vorderste Verteidigungslinie einzudringen. Sie sind zurückgeworfen. Alle Angriffe sind siegreich abgewehrt.« –

»Südlich des Dnjestr wurde der russische Anprall vor unserer östlich von Tlumacz verlaufenden zweiten Linie zum Stehen gebracht. Nordöstlich und südöstlich von Monasterzyska führte der Feind bei Tag und Nacht ununterbrochen seine Angriffskolonnen gegen die Stellungen der österreichisch-ungarischen und deutschen Truppen vor; er wurde überall zurückgeschlagen. Das Vorfeld ist mit toten und schwerverwundeten Russen bedeckt. Ebenso scheiterten alle Versuche des Gegners, bei Zwiniacze durchzudringen. Westlich von Luck gewannen die verbündeten Truppen einen beträchtlichen Teil des gestern aufgegebenen Geländes zurück. Zwischen der Turya und der von Rowno nach Kowel führenden Bahn wurden nach Abwehr mehrerer Anstürme die noch vor dem Stochod stehenden Verteidiger hinter den Fluß zurückgenommen. Ein heute früh nordwestlich von Sokul angesetzter russischer Massenstoß scheiterte unter großen feindlichen Verlusten.«


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