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Die Säuberung Mazedoniens.

Der serbische Feldzug hatte anfangs Oktober begonnen und ging Anfang Dezember zu Ende. In der kurzen Zeit von fünfzig Tagen war das ehemalige Königreich Serbien vollständig in die Hände der verbündeten Bulgaren, Deutschen und Oesterreicher gefallen. Die »Entente«, die mit ihrer Hilfe zu spät kam – oder auch: zu spät kommen wollte –, sah ein, daß hier auf diesem Teile des Balkans keine Lorbeeren mehr für England zu pflücken waren. Für England kämpften ja doch nur Frankreich und Rußland und Italien. Alle ließen sie sich in das englische Joch spannen.

Brückenschlag in Feindesland: Bau einer Maasbrücke bei Sedan.

Als ein Kriegs- und Siegesheld nach Art der preußischen Könige erwies sich der Zar Ferdinand von Bulgarien. Er war wirklich der erfolgreiche kluge Führer der »Balkan-Preußen«, wie man die tapferen Bulgaren oft genannt hat.

Nunmehr war vom serbischen Gebiete nördlich des Wardar nur noch ein kleiner Teil des Sandschak Novibazar, vornehmlich das Gebiet zwischen Lim und der montenegrinischen Grenze, in serbischen Händen. Aber auch dort machte die Verfolgung durch die Armeen Koeveß und Gallwitz Fortschritte. Und während hier die Serben von Osten her nach Montenegro hineingedrängt wurden, drängten die von der Drina her vorgekommenen k. u. k. Truppen die Montenegriner nach Süden. Und mochte auch Nikita noch so pomphafte Manifeste loslassen und seinem Volke versprechen, die Alliierten würden es zum mindesten vor dem Verhungern schützen, die Verpflegungsschwierigkeiten der von zwei Seiten zusammengeschobenen serbischen und montenegrinischen Kräfte waren nicht sogleich zu beheben, und diese Schwierigkeiten mußten unter dem Drucke unserer Verfolgung ganz zweifellos den Zersetzungsprozeß jener Streitkräfte befördern.

Mit der Besitznahme von Prizren in den letzten Novembertagen, wobei wieder 3000 Serben gefangen wurden, hatte sich aber zugleich der Keil, den die Bulgaren zwischen das serbische Hauptheer im Norden und die serbischen Kräfte im Süden vortrieben, immer mehr verbreitert. Den Serben standen jetzt nur noch die Wege durch Albanien offen, und die waren um so schwieriger zu betreten, als der Druck der bulgarischen Verfolgung dem Feinde, mochte er wollen oder nicht, immer mehr die Richtung nach Norden wies, so daß ein Abfluß irgendwie beträchtlicher serbischer Kräfte nach Süden (Monastir) von Tag zu Tag unwahrscheinlicher wurde. Wie sah es aber derweilen im Süden aus? Der bulgarische Bericht vom 27. November gab an, daß die von Prilep vordringenden bulgarischen Kräfte Alince erreicht hatten, das elf Kilometer südwestlich von Prilep auf dem Wege nach Monastir liegt. Damit hatten sie ein gutes Drittel des Weges nach Monastir zurückgelegt. Der amtliche Bericht der französischen Orientarmee, der im übrigen seinen Leuten mit läppischen Geschichten von bulgarischen Ueberläufern Mut zu machen suchte, tröstete sich mit der Hoffnung, daß die Serben die Stellungen südlich von Prilep zu halten schienen. Das klang aber alles eher denn zuversichtlich, und der Bericht fügte denn auch ziemlich wehleidig hinzu: Nichtsdestoweniger sei die Lage der serbischen Armee, die jeden Zoll Boden in heldenmütiger Weise verteidige, sehr kritisch. Sollte es darum auch einem Teil der im Norden geschlagenen Serben gelingen, nach Süden durchzukommen, so mußten sie dort dieselbe Hoffnungslosigkeit finden, wie im Norden. Die französisch-englischen »Retter« aber sahen sich nach italienischen Pressemeldungen von den Bulgaren bereits in ihrer Flanke bedroht und waren zum mindesten außerstande, den Serben zu helfen.

Am 1. Dezember meldete Feldmarschall Mackensen: »An einzelnen Stellen fanden erfolgreiche Kämpfe mit feindlichen Nachhuten statt. Bei Prizren nahmen die bulgarischen Truppen weitere 15 000 Serben gefangen und erbeuteten viel Kriegsmaterial.«

Ein norwegischer Offizier traf das Richtige, als er in diesen Tagen schrieb: »Nach den Ereignissen der letzten Tage ist die Lage des serbischen Heeres verzweifelt. Die letzten Teile des Landes werden bald erobert sein, seine Heere, oder was von seinen Heeren noch übrig ist, wird gezwungen sein, Zuflucht in Montenegro und Albanien zu suchen. Ihre Widerstandskraft, gar nicht zu reden von ihrer Angriffskraft, ist gebrochen. Die Verbündeten und die Bulgaren können binnen wenigen Tagen den größten Teil ihrer Streitkräfte gegen neue Ziele führen. Jedenfalls ist der erste Teil des großen Krieges auf dem Balkan abgeschlossen. Dieser Feldzug ist von den Verbündeten und Bulgaren mit einer Kraft und Tüchtigkeit geführt worden, die ihn in eine Reihe mit den vielen hervorragenden militärischen Taten der ersten Zeit des Krieges stellen. Ein Heer von 250 000 Mann, wohl den tapfersten und kriegsgeübtesten der Welt, bis zur Machtlosigkeit zu verringern, noch dazu in einem Lande, das so sehr geeignet ist für eine hartnäckige und zähe Verteidigung, wie Serbien, mit den denkbar elendesten Wegen und zum größten Teil in wilden Gebirgsgegenden, wo es überhaupt keine Wege gibt und ununterbrochene Regengüsse und Schnee allen Kriegshandlungen und jeder Zufuhr die größten Schwierigkeiten bereiten: alles das im Laufe von sechs oder sieben Wochen zu vollbringen, ist eine so großartige Leistung, daß selbst der tapfere Kampf der Serben für ihr Land dagegen verblaßt.«

Gleich den deutschen Truppen hatten auch die österreichisch-ungarischen Verbände in achtwöchiger Offensive gegen Serbien verhältnismäßig sehr kleine Verluste erlitten – die kleinsten im Verhältnis zu allen sonstigen Ereignissen des Weltkrieges. Dank der umfassenden Fürsorge der Sanitätsbehörden kamen bei den verbündeten Armeen auch keinerlei Infektionskrankheiten vor, obwohl Serbien ein förmlicher Seuchenherd war. Das serbische Heer büßte in diesen acht Wochen 120 000 Mann an Gefangenen ein und etwa 100 000 Mann an Toten und Verwundeten. Hierzu büßte es gegen 600 Geschütze ein. Da sein Gesamtbestand bei der Offensive höchstens 300 000 Mann betrug, erübrigte sich ein Rest von 70 000 bis 80 000 Mann, die überdies auf verschiedene Rückzugslinien verteilt und auseinander gerissen waren. Die große Kälte und der Schnee in den Bergen hemmten vorläufig ihre Verfolgung. Auf der Linie Mitrovica–Novibazar–Ipek setzten die Bulgaren ihre Vorrückung gegen Prizren fort. k. u. k. Kolonnen, die den Metalka-Sattel überschritten hatten, marschierten gegen Plevlje. Diesem Raume näherten sich auch die von Priboj südwärts vorstoßenden Abteilungen.

Deutsche Ski-Patrouille in Feuerstellung in den verschneiten Vogesen.

Ferner erfuhren wir aus italienischen Meldungen, daß die Franzosen und Engländer am 1. Dezember bereits den Rückzug nach Saloniki angetreten hatten, da sie dem fühlbaren Druck der Bulgaren nicht mehr standhalten konnten.

Bedeutungsvoll war der bulgarische Generalstabsbericht vom letzten November: »Mittags haben unsere Truppen nach kurzem Kampfe von entscheidender Bedeutung die Stadt Prizren genommen. 16 000 bis 17 000 Gefangene wurden gemacht, 50 Feldgeschütze und Haubitzen, 20 000 Gewehre, 148 Automobile und eine Menge Kriegsmaterial erbeutet. Die Zahl der Gefangenen wächst unaufhörlich. König Peter und der russische Gesandte Fürst Trubetzkoi sind am 28. November nachmittags ohne Begleitung mit unbekanntem Ziel davon geritten. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Schlacht von Prizren, wo wir die letzten Reste der serbischen Armee gefangen nahmen, das Ende des Feldzugs gegen Serbien bedeuten.«

Aus dem k. k. Pressequartier wurde dazu ergänzend berichtet: »Die bulgarischen Truppen, welche Montag, den 29. November mittags Prizren genommen haben, machten mehr als 17%nbsp;000 Serben zu Gefangenen, und damit steigt die Gesamtzahl der im Oktober und November kriegsgefangenen Serben auf rund 140 000 oder die Hälfte der serbischen Gesamtstärke zu Beginn des Feldzuges. Im abgelaufenen Monat hat die aus deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen gebildete Armee Koeveß 40 800 serbische Soldaten und 26 600 waffenpflichtige Serben gefangen und 179 Geschütze erbeutet, den größten Teil davon in Novibazar. Nur die Maschinengewehre und einige in zerlegtem Zustande leicht fortzuschaffende Gebirgsbatterien haben die versprengten serbischen Truppen, deren Gesamtzahl auf höchstens 50 000 Mann geschätzt werden kann, nach Montenegro und Albanien gerettet. Etwa 20 000 Mann unter Oberst Wassitsch stehen mit einigen Batterien und Reiterabteilungen an der griechisch-mazedonischen Grenze. Nach der vorgestern erfolgten Einnahme von Prizrend haben die bulgarischen Kolonnen im Westen die vom Weißen Drin gebildete Flußgrenze Albaniens erreicht. Nun ist der Raum von Monastir der letzte Landstreifen, der noch serbisch ist. Am 1. Dezember haben die österreichisch-ungarischen Truppen den Vormarsch gegen Ipek fortgesetzt und befinden sich schon auf montenegrinischem Boden. Die gegen den Norden Montenegros gerichtete Offensive schreitet gut vorwärts. Die vom Metalkasattel vorgehende Kolonne greift die Höhe Gradina an. Im Norden Plevljes sind die österreichisch-ungarischen Kolonnen gestern nur zehn Kilometer von der Stadt entfernt gewesen, und Plevlje wird mit dem ganzen Südwesten des früheren Sandschaks aufhören, montenegrinisch zu sein.«

Ein bulgarischer Minister machte folgende Aeußerungen: »Mit der Niederringung Serbiens ist der 1913 um Bulgarien gezogene eiserne Ring endlich zerrissen, und Bulgariens künftige ruhige Entwicklung verbürgt. Es entzieht sich heute der Kenntnis, ob Serbien als Staat vollständig verschwindet oder ob ein Teil des bisherigen serbischen Staates selbständig oder mit Montenegro vereint fortbestehen wird. Soviel ist aber sicher, daß im letzteren Fall alle Maßnahmen getroffen werden, um für die Zukunft jede all-serbische Propaganda unmöglich zu machen. Auch ist es gewiß, daß Albanien als selbständiger Staat fortbestehen wird. Sobald die Trümmer der serbischen Armee vernichtet oder gefangen sein werden, werden wir uns gegen das Expeditionskorps des Vierverbandes wenden, dessen Aktion bisher eine bloße Komödie ist.«

Der amtliche österreichische Bericht vom 1. Dezember lautete: »Unsere Truppen dringen umfassend gegen Plevlje vor. Eine Kolonne greift die Gradinahöhe südöstlich des Metalka-Sattels an. Eine andere erstürmte in den Nachmittagsstunden und nach Einbruch der Dunkelheit den von Montenegrinern zäh verteidigten Hochflächenrand zehn Kilometer nördlich von Plevlje. Die Armee des Generals von Koeveß hat im November 40 800 serbische Soldaten und 26 600 Wehrfähige gefangen genommen und 179 Geschütze und 12 Maschinengewehre erbeutet.«

Der deutsche Bericht vom 2. Dezember besagte: »Westlich des Lim wurden Boljanic, Plevlje und Jabuka besetzt. Südwestlich von Mitrovica wurden 4000 Gefangene und zwei Geschütze eingebracht.«

In der Nähe von Maronia wollten die bulgarischen Behörden ein französisches Schiff, das Salz an Bord hatte, kapern. Die Franzosen bombardierten hierauf die Küste am Aegäischen Meere, wobei sie ihr eigenes Schiff versenkten. Die Besatzung des Schiffes geriet in bulgarische Gefangenschaft. Sämtliche Mitglieder der Besatzung waren Neger, die kein Wort Französisch verstanden.

Die nächste amtliche Depesche der Bulgaren lautete: »Unsere Truppen führen ihre Offensive über Prizren hinaus fort. Seit dem Anfang des Krieges gegen Serbien (14. Oktober) bis zur Einnahme von Prizren (29. November) haben wir den Serben folgende Beute abgenommen: 50 000 Gefangene, 265 Geschütze, 136 Artilleriemunitionswagen, ungefähr 100 000 Gewehre, 36 000 Granaten, drei Millionen Gewehrpatronen, 2350 Eisenbahnwagen und 63 Lokomotiven. Nach der Einnahme von Kichewo und von Krusewo haben wir Brodi auf der Straße Kichewo–Prilep besetzt.«

Der österreichische Bericht vom 2. Dezember besagte: »Heute früh sind wir in Plevlje eingerückt. Die Einnahme der Stadt war das Ergebnis hartnäckiger Kämpfe. Die über den Metalka-Sattel vordringende Kolonne hatte gestern den Feind bei Boljanic geworfen, die über Priboj anrückende Gruppe die Höhen nördlich von Plevlje gestürmt, eine dritte die Montenegriner bei Jabuka vertrieben. Unsere Truppe wurde von der mohammedanischen Bevölkerung mit Jubel begrüßt. Der Rückzug der Montenegriner ging zum Teil fluchtartig vor sich. Südwestlich von Mitrovica brachte ein österreichisch-ungarisches Halbbataillon viertausend serbische Gefangene, zwei Geschütze und hundert erbeutete Pferde ein. Die Bulgaren setzen die Verfolgung auf Djakova fort.«

Das deutsche Hauptquartier fügte hinzu: »Im Gebirge südwestlich von Mitrovica spielen sich erfolgreiche Kämpfe mit vereinzelten feindlichen Abteilungen ab. Dabei wurden gestern über 1200 Serben gefangen genommen.«

Aus dem heißumstrittenen Souchez: Die Reste des ehemaligen Schlosses.

Am 3. Dezember nahmen westlich und südlich von Novibazar österreichisch-ungarische Abteilungen, denen sich viele bewaffnete Mohammedaner anschlossen, 3500 Serben gefangen. Bei den Kämpfen im Grenzgebiete zwischen Mitrovica und Ipek griffen an österreichischer Seite zahlreiche Arnauten ein. An der Gedenkfeier, die die österreichischen Truppen am 2. Dezember im Sandschak Novibazar und in Mitrovica begingen, nahm die einheimische Bevölkerung begeistert teil.

Generalfeldmarschall Mackensen drahtete am 4. Dezember: »Die Kämpfe gegen versprengte serbische Abteilungen werden fortgesetzt. Gestern wurden über 2000 Gefangene und Ueberläufer eingebracht.«.

Das k. k. Kriegspressequartier meldete: »Das ganze Königreich Serbien ist mit Ausnahme eines schmalen Landstreifens entlang der griechischen Grenze in der Hand der Verbündeten. Die bisherige Schonung des griechischen Grenzstreifens ergibt sich aus dem Wunsche der Verbündeten, die griechischen Interessen in Südmazedonien nicht zu verletzen, also nur aus politischen, nicht aus strategischen Gründen. Nur an der albanischen Grenze vermögen die versprengten serbischen Abteilungen noch eine Verbindung mit Altmontenegro herzustellen, aber auch hier ist sie durch das Verhalten der albanischen Bevölkerung ernstlich bedroht. Sowohl die Katholiken wie die Mohammedaner in Albanien sind entschlossen, die serbischen Flüchtlinge aus dem Lande zu treiben, und suchen die Verbindung mit den Verfolgern, die am Drin bereits hergestellt sein dürfte. Der Mangel an Waffen und Munition, der die Albaner bisher abhielt, dürfte dann rasch behoben sein. Auch die Mohammedaner des früheren Sandschaks Novibazar schließen sich überall bewaffnet den Verbündeten an, und bei den letzten Kämpfen im Raume zwischen Mitrovica und Ipek wurden unter ihrer Mitwirkung südlich und westlich Novibazar am oberen Ibar 3500 Serben gefangen genommen. Die freundliche Gesinnung der Bevölkerung Sandschaks, welche sich der Wohltaten der langjährigen Militärverwaltung Oesterreich-Ungarns in den letzten Jahren serbisch-montenegrinischer Verfolgung recht gut erinnern konnte, kam dadurch zum Ausdruck, daß die Leute in allen Orten des Sandschaks an den katholisch-orthodoxen und mohammedanischen Feldgottesdiensten anläßlich des Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs aus eigenem Antrieb zahlreich teilnahmen. Auch unter der serbischen Bevölkerung mehren sich die Stimmen wiederkehrender Vernunft. Denn die Hoffnung auf fremde Hilfe und auf die Wiederkehr der eigenen Truppen ist angesichts der langen Züge Gefangener und des starken Machtaufgebots der Verbündeten verschwunden.«

Am 3. Dezember spät abends eilte dann wieder eine große Siegesnachricht durch die Welt: »Monastir, der letzte starke Stützpunkt der serbischen Armee, ist gefallen!«

Die englische Telegraphen-Agentur meldete dazu mit süß-saurer Mine: »Der Fall Monastirs war nicht mehr zu vermeiden, weil die Bulgaren durch nächtliche Eilmärsche eine Umzingelungsbewegung ausgeführt hatten und sich Monastir aus südöstlicher Richtung näherten. Größere serbische Abteilungen, die sich diesen Umzingelungstruppen entgegenwerfen wollten, oder, falls der Feind zu stark war, über Vodena auf griechisches Gebiet in der Richtung auf Saloniki sich zurückziehen sollten, wurden von überlegenen bulgarischen Streitkräften gefangen genommen. Bisher sollen den Bulgaren bei Monastir 6000 Serben in die Hände gefallen sein. Die Front der bulgarischen Streitmacht, die sich bereits zu Beginn der Woche vom Vardarfluß bis Monastir immer mehr dem Laufe der Tscherna anpaßte – der Fluß ist jetzt überschritten worden –, nimmt mehr und mehr die Form einer Zange an, zwischen deren beiden Schenkeln die englischen und französischen Truppen am unteren Vardar bezw. zwischen dem Vardar und der Strumica eingeschlossen werden. Es ist daher anzunehmen, daß diese Truppen südlichere Stellungen besetzen werden, sofern sie schnell genug Verstärkungen erhalten.«

Besonderes Vertrauen, erweckte ein im November erlassener Aufruf des Generalfeldmarschalls von Mackensen, in dem es hieß: »Der Kampf richtet sich nur gegen die serbische Armee und nicht gegen das serbische Volk, wenn sich dasselbe nicht den Verbündeten gegenüberstellt. Die Zivilbevölkerung möge sich freiwillig den Verfügungen des Militärkommandos unterwerfen. In diesem Falle werden die Verbündeten der Bevölkerung zu ihrem früheren Wohlergehen verhelfen und dafür Sorge tragen, daß die Schäden, die sie ohne eigene Schuld erlitten habe, ersetzt werden.«

Oesterreichs Heeresleitung verlautbarte am 4. Dezember: »Unsere Truppen haben gestern früh die Höhen südlich Bon Plevlje im Sturm genommen. Auch bei Tresnjevica südwestlich von Sjenica wurden die Montenegriner geschlagen. Westlich von Novibazar vertrieben bewaffnete Moslims plündernde montenegrinische Banden. An Gefangenen wurden gestern bei Novibazar und Mitrovica insgesamt zweitausend Mann eingebracht.«

Am 5. wurde hinzugefügt: »Bei Celebic kam es neuerlich zu einem größeren Gefecht. Die Montenegriner wurden durch eine von Foca aus eingreifende Gruppe an die Grenze zurückgeworfen. Südlich von Plevlje wiesen unsere Truppen heftige montenegrinische Gegenangriffe ab. Unter dem in Plevlje erbeuteten Kriegsmaterial befinden sich eine Million Infanterie-Patronen und 100 Artillerie-Munitionsverschläge. Südlich von Novibazar wurden gestern abermals sechshundert Gefangene eingebracht.«

Die deutsche Heeresleitung berichtete zu gleicher Zeit: »In erfolgreichen Kämpfen bei Plevlje und im Gebirge nordöstlich von Ipek wurden mehrere hundert Gefangene gemacht. Bulgarische Truppen haben südwestlich von Prizren den zurückgehenden Feind gestellt, geschlagen und ihm über hundert Geschütze und große Mengen Kriegsgerät, darunter 200 Kraftwagen, abgenommen. Im Iama-Gebirge (östlich vor Debra) und halbwegs Krichowa–Ochrida wurden serbische Nachhuten geworfen. In Monastir sind deutsche und bulgarische Abteilungen eingerückt und von den Behörden wie von der Bevölkerung freudig begrüßt worden.«

Explosion einer französischen Granate auf dem westlichen Kriegsschauplatz.

Bei dem Vormarsch in Montenegro gewannen die vorrückenden Truppen von neuem Raum südlich Plevlje, auf den Höhen der Korjen-Planina und im Tale Zehonia. Die österreichisch-ungarischen Truppen nahmen im Sturm die montenegrinischen Stellungen ein. Die Montenegriner kämpften bis zum letzten Augenblick, so daß der Rückzug ihrer Hauptkolonne nach dem Tara-Fluß gedeckt wurde. Andere Gruppen wurden bei Tresnjevica und nordwestlich der Baljevo-Planina geschlagen. Mit diesem neuen Siege eröffneten die Sjenicaer Kolonnen den weiteren Vormarsch nach Bjelopolje. Auf der Strecke Melaj–Brudakovitze tauchten montenegrinische Banden auf, die sich in den Bergen bei Trojan und Suhodol aufhielten und häufig die Dörfer plünderten. Die Mohammedaner griffen selbst die Banden an, die unter schweren Verlusten die Flucht ergreifen mußten.

Faßte man die Kriegslage auf dem Balkan in diesen Tagen zusammen, so mußte man sagen: Mit Monastir war die letzte größere Stadt des Serbenreiches, die allerdings keineswegs eine Serbenstadt ist, in unsere Hände gekommen. Der Feind hatte es nicht bis zum Aeußersten kommen lassen, sondern war in westlicher Richtung nach Resna ausgewichen. Wollte man Athener Meldungen glauben, so wurden die Serben durch eine Umfassungsbewegung der Bulgaren zum Abzuge genötigt. Jedenfalls war ihnen der Rückzug nach Griechenland, der in den letzten Wochen die große Politik so viel beschäftigte, verlegt. Sie sahen sich auf die Straße gedrängt, die über Resna nach Ochrida zur albanischen Grenze führt. Auch diese Rückzugslinie war nicht ganz ungefährdet. Denn wir hörten, daß verbündete Truppen bereits von Krcova aus bis halbwegs Ochrida vorgegangen waren. Krcova liegt nicht ganz zwei Tagemärsche von Ochrida entfernt; Monastir aber etwa einen Tagemarsch mehr. Selbst wenn die Serben bereits von Monastir abgerückt waren, so war es doch nicht unmöglich, daß sich ihnen die von Krcova vorgehende Kolonne vorlegte. Unter dem Druck der Verfolgung, auf der vielfach gewundenen Straße Monastir–Ochrida, mußte den Serben zweifellos der Rückzug schon an und für sich recht schwer werden. Stärker freilich als das Schicksal dieser serbischen Heeresreste, die für große Entscheidungen im Felde doch nicht mehr in Betracht kamen, mußte vermutlich in nicht allzu ferner Zeit das Schicksal des französisch-englischen Hilfsheeres unser Interesse in Anspruch nehmen. Mit dem Vormarsch auf und über Monastir hinaus waren die Franzosen und Engländer zwischen die verbündeten Truppen und die griechische Grenze eingekeilt. Zu einem Offensivstoß, der ihnen Luft nach Norden oder Westen (Albanien) hin schaffen konnte, waren sie zu schwach. Waren nun doch auch, wie wir aus der amtlichen Meldung über die Einnahme von Monastir hörten, deutsche Truppen in Südmazedonien eingetroffen. Die erste Truppe der Verbündeten, die in Monastir einzog, war eine deutsche Reiterabteilung. Wir konnten daraus schließen, daß wir hier über Kräfte verfügten, die dem Feinde weit überlegen waren, und das sollte sich auch bald an der französisch-englischen Front fühlbar machen.

Unterdessen nahmen die Verfolgungskämpfe gegen die Reste des serbischen Nordheeres und die Montenegriner ihren siegreichen Fortgang. Die über Prizren zurückflutenden Serben, die wohl durch das Tal des Drin Skutari in Albanien zu erreichen hofften, hatten auf diesem Rückzuge nun auch noch große Teile – wenn nicht den allergrößten Teil – ihres Geschützmaterials verloren, daß sie nach russischem Vorbilde aus dem allgemeinen Zusammenbruch zu retten suchten. Offenbar konnten aber die Serben auf den bösen Wegen nicht rasch genug vorwärts kommen, und so wurden sie erneut von den Bulgaren gefaßt. Bei ihrer schwächlichen Widerstandskraft war es den Serben nicht mehr möglich, sich loszulösen, und so mußten sie ohne kostbares Artilleriematerial auf albanischem Boden Zuflucht suchen. – In den serbisch-montenegrinischen Grenzgebieten entwickelte sich unterdes der »kleine Krieg«, auf den Serben und Montenegriner so viele Hoffnungen setzten, in ganz anderer Weise, als man auf jener Seite erwartete. Die Moslims im Sandschak und die katholischen Arnauten hatten sich wider die serbischen Bedrücker erhoben und in ihren Heimatsbezirken, wo sie jeden Weg und Steg kannten, den k. u. k. Truppen in ihrem Vorgehen über Novibazar und Mitrovica in ihrer Verfolgung gute Dienste geleistet.

Zu den Kämpfen in Serbien: Eine der »landesüblichen« serbischen Fahrstraßen, aus denen unsere Truppen fast im Schlamm stecken blieben, an der montenegrinischen Grenze. Diese Aufnahme wurde unmittelbar nach der Flucht des serbischen Heeres gemacht; man sieht auf der Landstraße unbestattete Leichen liegen.


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