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Der italienische Krieg Anfang Mai 1916.

Im Monat Mai wurde es ein volles Jahr, daß Italien nach den Worten des greisen Kaisers Franz Joseph »den größten Treubruch, den die Weltgeschichte kennt,« begangen hatte. Die Italiener planten trotz aller ihrer Niederlagen in den vergangenen zwölf Monaten doch ihre »Siegesfeiern«. Diese Siegesfeiern erhielten jedoch durch die Mitte Mai einsetzende Offensive der Oesterreicher eine eigene Musik von Bomben und Granaten. Wir erzählen davon in einem späteren Kapitel.

In der ersten Maihälfte wurden nur die üblichen Stellungskämpfe berichtet.

Am ersten Maitage hieß es: »Die Geschützkämpfe, die an vielen Stellen der Front geführt wurden, gingen nicht über das gewöhnliche Maß hinaus. Zeitweise stand die Stadt Görz wieder unter Feuer. Unsere Flieger bewarfen die feindlichen Barackenlager bei Villa Vicentina mit Bomben. Nach glücklich bestandenem Luftkampf kehrten sämtliche Flugzeuge wohlbehalten heim. Bei San Daniele del Friuli kämpfte ein eigener gegen vier feindliche Flieger und zwang einen davon, im Sturzflug niederzugehen. Im Adamello-Gebiet griffen italienische Abteilungen, die von Dosson di Genova vorrückten, unsere Stellungen am Topete-Paß an. Der italienische Preßbericht vom 28. April enthält die gänzlich erfundene Behauptung, daß unsere Infanterie »immer häufiger« von Explosivgeschossen Gebrauch mache. Demgegenüber sei nun festgestellt, daß die italienischen Handlungen wider das Völkerrecht (Verwendung von Explosivgeschossen und Gasgranaten, Beschießung deutlich gekennzeichneter Sänitätsanstalten, Kirchen und Klöster usw.) als zu häufig vorkommend nicht mehr verzeichnet werden.«

Am 3. Mai wurde verlautbart: »Gegen den Tolmeiner Brückenkopf, den Raum von Flitsch und mehrere Abschnitte der Kärntner Front entwickelte die feindliche Artillerie gestern eine erhöhte Tätigkeit. Im Tiroler Grenzgebiete kam es nur zu mäßigen Geschützkämpfen. Die Gefechte in den Felsriffen des Adamellokammes zwischen Stablel und Corno di Cavento dauern fort. Heute nacht überflog ein feindliches Luftschiff unsere Linien an der Wippach-Mündung, warf hier Bomben ab und setzte sodann seine Fahrt zuerst in nördlicher Richtung und weiterhin über dem Idriatal nach Laibach und Sellech fort. Auf dem Rückwege verlegte ihm unser Artilleriefeuer bei Dornberg den Weg. Gleichzeitig von unseren Fliegern angegriffen und in Brand geschossen, stürzte es als Wrack nächst des Görzer Exerzierplatzes ab. Die vier Insassen sind tot. Mehrere eigene Flugzeuge griffen gestern die italienischen Lager bei Vilesse an und kehrten nach Abwurf zahlreicher Bomben und heftigem Luftkampf wohlbehalten zurück.«

Am Rombon vertrieben am 5. Mai die österreichischen Truppen nach kräftiger Artillerievorbereitung den Feind aus mehreren Stellungen, nahmen über hundert Alpini, darunter drei Offiziere, gefangen und erbeuteten zwei Maschinengewehre. Im Marmolata-Gebiet wurde nachts eine schwächere feindliche Abteilung am Osthang des Sasso Undicy zersprengt.

Auf dem Plateau von Lavarone erhebt sich über der Steilschlucht des Astico das deutschsprachige Dorf Lusern, dessen Männer jahraus, jahrein während der Bausaison in Deutschland arbeiteten, bis sie der Krieg unter die Fahnen rief. Unfern des Dorfes sperrt das gleichnamige Fort den Talweg zum Plateau. Dieses Fort wurde in den ersten Kriegsmonaten von den Italienern so hart angegangen, daß nur das flankierende Geschützfeuer des Nachbarforts ihr Eindringen verhinderte. Im April erneuerte der Gegner zunächst die artilleristischen Angriffe gegen das Fort, das dreimal unter dem Feuer schwerster Kaliber stand. Aber die österreichisch-ungarischen Verteidiger, voran die italienisch sprechenden Standschützen, die mit heroischer Rücksichtslosigkeit gegen ihr eigen Gut die Eindringlinge über die Grenze zurückzuwerfen trachteten, kamen diesmal jedem Sturmversuch zuvor und nahmen, selber stürmend, die vorgeschobene italienische Stellung nördlich Lusern. Im Adamello-Gebiet hatten einsetzende Schneestürme den weiteren Aktionen Einhalt geboten.

Einzelne Teile des Görzer Brückenkopfes und der Raum von San Martino standen am 9. Mai zeitweise unter lebhaftem Geschützfeuer. Westlich der Kirche dieses Ortes wurde ein Teil der feindlichen Stellung durch eine mächtige Minensprengung zerstört. Die Italiener erlitten hierbei große Verluste. Am Nordhang des Monte San Michele nahmen österreichisch-ungarische Truppen einen kleinen feindlichen Stützpunkt. Die Flieger warfen auf das Lager der Italiener bei Chiopris (südöstlich von Cormons) zahlreiche Bomben ab. In mehreren Abschnitten der Tiroler Ostfront und bei Riva kam es zu lebhafteren Artilleriekämpfen.

Der amtliche Bericht vom 11. Mai besagte: »Die erhöhte Artillerietätigkeit hielt an den meisten Stellen der Front auch gestern an; besonders lebhaft war sie im Dolomiten-Abschnitt zwischen Peutelstein und Buchenstein. Ein italienischer Flieger warf vormittags zwei Bomben auf den Markt und den Domplatz von Görz ab. Hierdurch wurden zwei Zivilpersonen getötet, 33 verwundet.«

Stacheldrahthindernisse mit Starkstromleitung vor den österreichisch-ungarischen Stellungen im Südtiroler Hochgebirge.

Am Tolmeiner Brückenkopf hatten die österreichisch-ungarischen Truppen die Verbesserung ihrer Stellungen in den ersten Maiwochen gegen alle italienischen Angriffe sowohl auf dem Nordflügel am Mrzli Vrh als auf dem über den Isonzo vorgeschobenen Südflügel bei Santa Lucia in vollem Umfange behauptet und sie nunmehr durch Erstürmung weiterer italienischer Gräben am Nordflügel vergrößert. Gegenangriffe brachten dem Feinde nur schwere Verluste. K. u. k. Flieger erneuerten am 14. Mai am unteren Isonzo ihre Bombenangriffe auf die Bahnstation Cervignano, wo die Bahnlinie von Grado in die von Monfalcone einläuft. Auch die Werftanlagen von Monfalcone wurden von Fliegern mit Bomben belegt.

Die nächsten Tage sollten den treulosen Italienern, deren Kriegserklärung vor einem Jahre erfolgte, recht unangenehme Ueberraschungen an der Tiroler Front bringen.

Deutsche Parlamentarier in Konstantinopel.

Anfang Mai besuchte eine Abordnung deutscher Reichstagsabgeordneter die Türkei. Die bedeutsamste Kundgebung während des Aufenthaltes der deutschen Parlamentarier in Konstantinopel war das Festmahl der türkischen Parlamentsfraktion »Einheit und Fortschritt«. An dem Festessen nahmen etwa 150 Personen teil, darunter die höchsten Würdenträger der türkischen Regierung, die Mitglieder der deutschen Botschaft, die deutschen Professoren der Universität Konstantinopel und eine Abordnung des deutschen Vereins »Teutonia«. Der türkische Minister des Aeußern Halil Bei führte in seiner Ansprache während des Festmahles über das neue deutsch-türkische Abkommen folgendes aus: »Die Entente bot uns an, uns die Unverletzlichkeit unseres Gebietes zu verbürgen. Aber da wir wußten, daß dieses Garantiesystem, das durch den Pariser Vertrag geschaffen war, nur eine drückende Vormundschaft bedeutete, und da andererseits die schreckliche Erinnerung an die Gebietsverluste, welche wir für Rechnung der Entente erlitten hatten, in unserem Bewußtsein lebte, um uns als Lehre zu dienen, so konnten wir natürlich ein solches Entgegenkommen nicht annehmen. Im Gegensatz hierzu schlug Deutschland uns ein Bündnis zu gleichen Rechten und von langer Dauer auf der Grundlage gegenseitigen und gleichwertigen Beistandes gegen jede Gefahr vor. Uebrigens waren wir von der Notwendigkeit überzeugt, uns mit den Mittelmächten zu vereinigen, um den Staat vor der Sintflut zu retten. Der Wille unseres erhabenen Herrschers gab sich gleichfalls in diesem Sinne zu erkennen. Wir nahmen, immer mit Ermächtigung Seiner kaiserlichen Majestät, den deutschen Vorschlag an und Unterzeichneten voll Aufrichtigkeit den Vertrag, die Frucht ebenso aufrichtiger Erörterungen, und so wurde unser Staat von der Vormundschaft Europas erlöst und der Gefahr enthoben, welche aus seinem Schicksal entsprang, dauernd von zwei Mächten hin- und hergeschoben zu werden. Kurz: die Türkei gewann ihre Unabhängigkeit wieder, um als eines der Glieder des Dreibundes. zu figurieren. Deutschland, welches uns in dem Augenblick, da es den Vertrag unterzeichnen wollte, seinen Beistand in der Frage der Abschaffung der Kapitulationen versprochen hatte, hat sein Versprechen treu gehalten; lange vor uns entwarf und förderte es Vorschläge zu Konventionen, welche die Beziehungen zwischen den beiden Mächten regeln sollten und sich auf Fragen bezogen, wie diejenigen wegen einer Konsularkonvention, wegen des Aufenthaltsrechts, der gegenseitigen Auslieferung und gegenseitiger gerichtlicher Hilfe. Wir haben diese Entwürfe studiert und nicht einen Schatten der Kapitulationen darin gefunden. Weiter haben wir einen Delegierten nach Berlin geschickt, wo seit vier Monaten Besprechungen stattfinden. Ich rechne es mir zur Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß bis auf einige Einzelfragen ein endgültiges Einverständnis erreicht ist. Der in Rede stehende Vertrag wird binnen kurzem die Ratifikation durch die beiden Souveräne erhalten und in den Zeitungen veröffentlicht werden. Ich halte es nicht für angebracht, auf Einzelheiten einzugehen, aber ich kann Ihnen sagen, daß die deutschen Konsuln dieselben Rechte und Befugnisse genießen werden wie die osmanischen Konsuln in Deutschland. Die Untertanen beider Länder werden in beiden Ländern gleiche Rechte genießen. Ich kann auch dieses hinzufügen: Die Bedingungen, welche die Staaten, wie zum Beispiel Frankreich und England, einander stellen würden, um ihre Beziehungen zu regeln, haben wir uns in den Konventionen gestellt, deren Abschluß bevorsteht. Mit einem Wort: Die beiden Staaten, welche sich durch die politischen Geschicke egoistischen Feinden gegenübergestellt sehen, haben sich auf der Grundlage gegenseitiger Achtung ihrer gegenseitigen Rechte und ihrer Souveränität geeinigt und trotz der Kriegssorgen Konventionen beraten und abgeschlossen, um ihre künftigen Beziehungen vor jeder falschen Auslegung zu sichern.« Der Redner schloß mit einem Hoch auf den deutschen Kaiser und trank auf das Glück Deutschlands.

Der deutsche Botschafter hielt auf deutsch eine Rede mit folgendem Hauptinhalt: »Unser Bündnis ist besiegelt durch die Politik der Regierungen. Es wird aber auch getragen von dem Willen unserer Völker. Es ist nützlich, dies festzustellen, nicht so sehr um unserer selbst willen, die wir mit vollem Vertrauen aufeinander bauen, als vielmehr der Versuche wegen, die von Zeit zu Zeit gemacht werden, um den Eindruck zu erwecken, als ob wir in Deutschland kriegsmüde seien oder als ob in der Türkei gesonderte Bestrebungen beständen, welche zu einem voreiligen Frieden drängten. Gewiß, wir wünschen alle den Frieden und wünschen alle, daß die Kriegsfurie vorüberzieht und dem friedlichen Schaffen der Menschen Platz macht, wollen aber nur einen solchen Frieden, der unser Dasein und unsere Zukunft sichert. Bis dahin bieten wir mutig der ganzen Welt die Stirn und vertrauen auf unsere Bundesgenossen, wie diese auf uns. Die Türkei machte gewaltige Anstrengungen in diesem Kriege. Ihr Heer wuchs an Zahl und innerer Geschlossenheit stetig. Sie setzte ihre ganze Kraft zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit und Zukunft ein. Wir tun ein Gleiches. Sie weiß, daß wir keine Nebengedanken haben, und daß wir auch nach dem Kriege treue Verbündete sein werden. Sie weiß, daß wir im Gegensatz zu anderen keine Interessengebiete beanspruchen, noch eine Stellung einnehmen wollen, die mit ihrer Würde und Unabhängigkeit im Widerspruch stände. Sie weiß, daß wir gern bereit sind, ihr die Freundeshand zu reichen, ihr in ihrem Bestreben, sich immer weiter aufzurichten, zu helfen, und daß wir bereit sind, ihr auf ihren Wunsch unsere organisatorischen und geistigen Kräfte zu leihen. Bei unseren und der Türkei Feinden liegt diese Uneigennützigkeit nicht, und wenn einer unter diesen die hämische Frage stellen sollte: weshalb denn bei uns? lautet die Antwort einfach und klar, wie die Wahrheit: Weil wir auch in Zukunft eine starke Türkei wünschen, die auf eigenen Füßen steht, und die wie in der Gegenwart, so auch für spätere Zeiten ein wertvoller und treuer Bundesgenosse sein soll.«

Deutsche Soldaten als Helfer bei einem Brande in einer französischen Stadt.

Die ausgezeichnete, in hohem Maße staatsmännische Rede des türkischen Ministers Halil Bei fand überall, bei den Bundesgenossen und Freunden der Türkei sowohl als bei ihren Feinden, größte Beachtung. Konstantinopel ist immer eine treffliche Schule für Staatsmänner gewesen und die Pforte kann auf eine glänzende Reihe bedeutender Minister zurückblicken. Gelegenheiten, große politische Reden zu halten, wurden aber den türkischen Staatsmännern erst seit der Einführung der Verfassung geboten, und die Ausführungen Halil Beis waren ein glänzender Beweis dafür, daß die führende nationale türkische Partei auf der Höhe politischer Erkenntnis und Schulung stand und in ihren Reihen leitende Männer aufwies, die der großen politischen Ueberlieferung der hohen Pforte würdig waren.

Die klare Darlegung der Absichten, von denen sich Rußland und England bei der Anstiftung des Weltkrieges leiten ließen, war Halil Bei aufs Beste gelungen. In der Tat hatte ja Sasonow neben der »Niederwerfung des preußischen Militarismus« als Hauptziel des Krieges für Rußland die Gewinnung der Meerengen proklamiert, und aus dem Entwickelungsgange der russischen Weltpolitik wußten wir gut, daß der »preußische Militarismus« den russischen Ministern völlig Hekuba gewesen wäre, wenn er nicht eben als Bundesgenosse Oesterreich-Ungarns und der Türkei, als Freund der freien Balkanstaaten und ihrer selbständigen Entfaltung, auf der Wacht stand, damit die weltbeherrschenden uferlosen Ausdehnungspläne des Moskowitertums nicht über die Dämme hinausfluteten, die ihnen gesetzt werden mußten. Wie groß für die Türkei und die Balkanstaaten die Gefahr war, zeigte der Umstand, daß alle russischen Parteien, von der extremen Rechten bis zur äußersten Linken, den auf die Meerengen gerichteten Eroberungsplan der russischen Regierung billigten. Halil Bei sagte daher mit vollem Recht, daß die Türkei sich mit den Mittelmächten vereinigen mußte, um den Staat vor der Sintflut zu retten. – Was England betraf, hob Halil Bei kurz und treffend hervor, daß Englands Ziel, Herr des Meeres zu sein und den Weltmarkt zu beherrschen, durch die Niederwerfung Deutschlands erreicht werden sollte. Die Türkei brauchte dabei nicht mehr geschont zu werden, und man durfte sogar die Meerengen an Rußland ausliefern, weil dieses in Asien durch das japanisch-russische Bündnis in Schach gehalten wurde und daher keine Gefahr mehr für Indien bedeutete.

Nachdem der türkische Minister auseinandergesetzt hatte, auf welcher Seite die Lebensinteressen der Türkei lagen und wo sie geschützt werden mußten, fand er herzliche und überzeugungsvolle Worte für die türkisch-deutsche Gemeinschaft, für die treue, ehrliche und uneigennützige Freundschaft, die beide Nationen verbunden und zu gemeinsamer Verteidigung ihres Seins und Werdens berufen hatte. Daß dieser Bund nicht nur im Kriege bestehen sollte, sondern für den Frieden geschlossen war und der Wohlfahrt friedlichen Gedeihens, dem Segen kultureller und wirtschaftlicher Entwicklung dienen sollte, war eine überall in der Türkei erkannte Wahrheit, der Halil Bei beredt und kräftig Ausdruck verlieh. Der Minister vermochte hierbei all jenen törichten Lügen und Verleumdungen den Rest zu geben, die von der Entente verbreitet wurden und die Meinung ausbreiten sollten, daß die Türkei in ein Vasallenverhältnis zu Deutschland geraten würde. All diesem haltlosen Gerede unserer Feinde machte der türkische Minister ein Ende, indem er die unmittelbar bevorstehende Ratifizierung des deutsch-türkischen Bündnisvertrages ankündigte, eines Vertrages, der auf Grundlage gleicher Rechte die große Interessengemeinschaft zwischen der Türkei und den Mittelmächten, in diesem Falle Deutschland, verkörperte und ein langes Bündnis voraussah, in dem die Türkei als souveräner und völlig gleichberechtigter, ebenbürtiger Staat Deutschland die Hand reichte zu gemeinsamer Arbeit und zu gemeinsamer Abwehr aller Friedensstörer und Neider.


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