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Die deutsche Flagge in Kamerun.

Wenn auch in der Hauptsache der Kampf um Kamerun vorläufig sein Ende erreicht hatte, war nach den letzten bei uns eingegangenen Meldungen doch anzunehmen, daß wenigstens an einer Stelle die deutsche Flagge noch auf Kameruner Boden wehte: in dem von Hauptmann von Raben mit seiner kleinen Heldenschar zäh verteidigten Mora im äußersten Norden des Schutzgebietes. Hier hielt in schwer zugänglichem Berggelände eine kleine Anzahl Deutscher mit einer treuen Eingeborenentruppe unter ihrem tapferen Führer unentwegt den dauernden Angriffen feindlicher Uebermacht stand. Noch kurz vor dem Fall von Jaunde gelang es eingeborenen Boten aus Mora, sich mit Depeschen zu dem Gouverneur Ebermaier durchzuschlagen. Diese Boten erstatteten außerdem, wie der Gouverneur gemeldet hat, einen mündlichen Bericht über die Vorgänge in Mora nach dem Fall von Garua. Dieser Bericht, den wiederzugeben wir in der Lage sind, zeigt, wie Hauptmann von Raben es verstanden hatte, seinen Geist den eingeborenen Soldaten, unter denen sich auch zahlreiche Mohammedaner befanden, einzuflößen und ihren Mut auf das Höchste zu entflammen, und wie andererseits seine Soldaten in treuer Anhänglichkeit an ihn entschlossen waren, bis zum unvermeidlich bitteren Ende auszuharren. Der Bericht der eingeborenen Boten, der an die Heldengesänge alter Zeit erinnert, lautet:

»Als der Fall von Garua in Mora bekannt wurde, versammelte Hauptmann von Raben die Besatzung um sich und sagte: »Wir wissen nun, daß Garua sich nicht hat halten können. Unsere Feinde konnten auf dem Benus schwere Geschütze heranbringen, deren Wirkung die tapfere Besatzung erlegen ist. Trotz seiner tapferen Gegenwehr wird es dem Befehlshaber von Garua, wenn er vor dem Kaiser stehen wird, wie eine Schande erscheinen, melden zu müssen, daß er Garua übergeben mußte. Soll ich später auch erröten, wenn der Kaiser mich fragt: Was hast Du mit meinem Platz Mora gemacht? Wenn es dann nicht mehr deutsch ist, müßte ich mich schämen. Ich will mich aber nicht schämen. Und es gibt nur ein Mittel. Wenn vor Mora die bleichenden Knochen der Engländer und Franzosen liegen und in Mora die unsern, dann erst habe ich alles getan, was mich vor Gott und dem Kaiser rechtfertigen kann. Nichts also von der weißen Flagge und von Uebergabe.«

Am Schluß dieser Ansprache fragte dann Hauptmann von Raben die Soldaten, ob sie trotzdem mit ihm weiterkämpfen oder sich ergeben wollten. Diese erwiderten: »Gott allein weiß, wann wir sterben müssen; wir aber wollen, was an uns liegt, fechtend sterben. Stirbst Du, unser Führer, hier, so wollen wir Dir auch in den Tod folgen. Wir sind als Soldaten zu stolz, um mit dem Strick um den Hals in Knechtschaft zu gehen.« Hauptmann von Raben freute sich darüber sehr und sagte zu uns: »So ist es recht! Das nur wollte ich hören. Jeder stirbt, wann und wo es Gott in seinem Rat bestimmt. Sollte aber der eine oder andere von Euch nicht bei mir ausharren wollen, so mag er es mir ruhig sagen, ich werde ihn gern ziehen lassen. Denn zu dem, was jetzt kommen wird, will ich nur starke Herzen um mich haben.« Alle Soldaten erklärten aber darauf, sie wollten bis zum Letzten mit ihm in Mora ausharren, um wie er vor Gott und dem Kaiser bestehen zu können.« –

Aus London wurde sodann am 19. Februar 1916 amtlich gemeldet: »Die deutsche Garnison in Mora in Nordkamerun hat sich ergeben. Damit ist die Eroberung der Kolonie vollendet.«

Am 27. August 1914 hatten englische Truppen die in Mora stehende dritte Kompagnie unter dem Hauptmann von Raben angegriffen, waren jedoch unter schweren Verlusten zurückgeschlagen. Die Kompagnie hatte sich darauf in eine Bergstellung in der Nähe von Mora zurückgezogen, in der sie von englischen und französischen Truppen eingeschlossen wurde. Ein im Dezember 1914 von Garua aus unternommener Versuch, den Hauptmann von Raben zu entsetzen, mißlang. Andererseits scheiterten auch die vielen feindlichen Versuche, die Stellung zu erstürmen, an der Wachsamkeit und dem Heldenmut der Besatzung. Anfang September unternahm diese einen glücklichen Ausfall, wie Kundschafter berichtet haben; in dem Kampfe sollen der englische Befehlshaber und mehrere seiner Offiziere gefallen sein. Die letzten Nachrichten aus Mora trafen im Oktober 1915 in Jaunde ein. Sie zeugten von dem vortrefflichen Geist, der die Besatzung, Europäer wie Farbige, beseelte. Die Nachricht von dem Fall von Garua, die kurz zuvor nach Mora gelangt war, hatte nicht vermocht, den Mut der Verteidiger zu erschüttern; sie hatte nur den einmütigen Willen bestärkt, auszuharren bis zum Aeußersten. Doch ging aus den Berichten auch hervor, daß Mangel an Munition drohte, und daß die Lebensmittel, obwohl sie durch einen glücklichen Ausfall der Besatzung um 27 Rinder und Korn ergänzt waren, nur noch für einige Monate reichten. Das unentbehrliche Chinin und andere wichtige Medikamente waren fast ganz verbraucht. Der Gesundheitszustand der Besatzung hatte sich verschlechtert; infolge der einförmigen Kost wütete unter den Eingeborenen der Skorbut.

Eine Telephonzentrale an der Westfront.

Noch weitere sechs Monate hatte die heldenmütige Besatzung dann in dem ungleichen Kampfe ausgehalten. Zu den mannigfachen Nöten wird jetzt in der heißen Zeit noch der Wassermangel getreten sein. Da sind den kraftlosen Händen die Waffen entglitten; die deutsche Flagge, die so lange über dem trotzigen Mora-Berge flatterte, sank vom Maste. Mangel an Munition, Lebensmitteln und Wasser hatte vermocht, was der Uebermacht der Feinde in anderthalbjährigem Ansturm nicht gelungen war.

Das ruhmvolle Ende der Verteidiger Kameruns.

Aus Rotterdam kam am 7. Februar folgende Meldung: »Offenbar ist es der deutschen Hauptmacht in Kamerun gelungen, auf spanisches Gebiet zu entweichen. Eine amtliche Meldung aus Madrid besagt, daß 900 Deutsche und 14 000 Eingeborene auf das Gebiet von Spanisch-Guinea übergetreten sind. Sie sind entwaffnet und interniert. Die Regierung bemüht sich um ihre Ernährung.«

Dazu wurde uns mitgeteilt: »Auf Grund dieser amtlichen spanischen Meldung ist kaum noch daran zu zweifeln, daß die Reste der tapferen Verteidiger Kameruns nach anderthalbjährigem heldenmütigen Ringen der gewaltigen feindlichen Uebermacht haben weichen müssen. Mit Freude können wir es begrüßen, daß es ihnen wenigstens noch gelungen ist, die feindlichen Einkreisungsversuche zu vereiteln und sich auf neutrales spanisches Gebiet zurückzuziehen. Wenn die gemeldeten Zahlen zutreffend sind, so ist anzunehmen, daß fast alle noch in Kamerun befindlich gewesenen Deutschen nunmehr in Sicherheit sind. Die 14 000 übergetretenen Eingeborenen sind natürlich nicht etwa nur Soldaten der Schutztruppe, denn so groß ist die Schutztruppe während des ganzen Ringens nie gewesen, sondern hauptsächlich Träger, Familien der eingeborenen Soldaten und andere Flüchtlinge, die dem feindlichen Wüten entgehen wollten. Es liegen schon seit einiger Zeit Meldungen vor, daß die spanische Regierung es sich in der anerkennenswertesten Weise angelegen sein läßt, für das Wohlergehen der sich ihrem Schutz anvertrauenden Flüchtlinge zu sorgen.«

Der Uebertritt der Verteidiger Kameruns auf spanisches Gebiet war nach den Meldungen von französischer und englischer Seite schon zu erwarten. Ob nicht noch etwa kleinere Abteilungen der Schutztruppe im Innern des Landes sich aufhielten, ließ sich aus den spanischen Meldungen nicht erkennen. Die Hauptmasse der Kämpfenden – Weiße wie Schwarze – war aber jedenfalls auf spanisches Gebiet übergetreten, mit ihr auch noch Unbewaffnete: Träger, Frauen und Kinder von schwarzen Soldaten und andere Flüchtlinge. Denn sonst wäre die Zahl von 14 000 Schwarzen, die die Spanier angaben, nicht wohl erklärlich; die Schutztruppe dürfte diese Zahl auch nicht einmal annähernd erreicht haben. Um so höher war der tapfere Widerstand gegen eine Uebermacht von Feinden – Franzosen und Engländer – zu bewerten. Nahezu anderthalb Jahre hatte der Feind dazu gebraucht, um die Kolonie in seine Gewalt zu bekommen. Sich dieses Erfolges zu rühmen, hatten unsere Gegner wahrlich keinen Anlaß. Wir mußten mit dem Verlust von Kamerun rechnen, und gar mancher von uns hätte vielleicht zu Anfang des Krieges nicht daran gedacht, daß wir so lange der Uebermacht die Stirn bieten würden. Zumal da die Feinde sich alle Mühe gaben, die Eingeborenen zu sich herüberzuziehen; handelte es sich doch teilweise im Sanga-Ubangi-Gebiet um Schwarze, die noch bis Ende 1911 französische Untertanen waren, und die durch ihren Handel einflußreichen Duala wurden ja schon im Frieden von den britischen Kulturhelden gegen ihre weißen Herren aufgehetzt.


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