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Aus dem Osten Ende Januar 1916.

Die furchtbaren Verluste der Russen in der »Neujahrsschlacht« in Ostgalizien hatten – wie wir schon in einem früheren Kapitel erzählten – die erneute russische Offensive, die auf Rumänien Eindruck machen sollte, zusammenbrechen lassen. Die Russen hatten zum Aerger der Engländer und Franzosen wieder einmal vergeblich Hunderttausende geopfert.

Der österreichische Generalstab berichtete am 18. Januar: »Da auch der gestrige Tag keine besonderen Ereignisse brachte, kann die Neujahrsschlacht in Ostgalizien und an der bessarabischen Front, über die aus naheliegenden militärischen Gründen die Tagesberichte keine eingehenden Angaben bringen konnten, als abgeschlossen betrachtet werden. Unsere Waffen haben an allen Punkten des 130 Kilometer breiten Schlachtfeldes einen vollen Sieg davongetragen. Unsere über jedes Lob erhabene Infanterie, die Trägerin aller Entscheidungskämpfe, hat, von der Artillerie sehr verständnisvoll und geschickt unterstützt, alle Stellungen gegen eine örtlich vielfache Uebermacht behauptet. Die große Neujahrsschlacht im Nordosten Oesterreichs begann am 24. Dezember 1915 und dauerte, nur an einzelnen Tagen durch Kampfpausen unterbrochen, bis zum 15. Januar 1916, also insgesamt 24 Tage lang. Zahlreiche Regimenter standen in dieser Zeit durch 17 Tage im heftigsten Kampf. Russische Truppenbefehle, Aussagen von Gefangenen und eine ganze Reihe von amtlichen und halbamtlichen Kundgebungen aus Petersburg bestätigten, daß die russische Heeresleitung mit der Offensive ihres Südheeres große militärische und politische Zwecke verfolgte. Diesen Absichten entsprachen auch die Menschenmassen, die der Feind gegen unsere Fronten angesetzt hat. Er opferte, ohne irgendeinen Erfolg zu erreichen, mindestens 70 000 Mann an Toten und Verwundeten hin und ließ nahezu 6000 Kämpfer als Gefangene in unserer Hand. Der Truppenzusammensetzung nach haben am Sieg in der Neujahrsschlacht alle Stämme der Monarchie Anteil.«

Der Feind zog trotzdem neuerlich Verstärkungen nach Ostgalizien.

Deutsche Flugzeuggeschwader griffen am 18. Januar feindliche Magazinorte und den Flughafen von Tarnopol an.

Trotz des Zusammenbrechens ihrer Neujahrsoffensive versuchten die Russen Ende Januar abermals einen neuen Durchbruch. Am 18. Januar wurde darüber gemeldet: »Heute in den frühesten Morgenstunden entbrannte an der Grenze östlich von Czernowitz, bei Toporoutz und Bojan eine neue Schlacht. Der Feind setzte abermals zahlreiche Kolonnen an und führte an einzelnen Stellen vier Angriffe nacheinander. Er wurde jedoch überall von den tapferen Verteidigern zurückgeworfen.«

Aus dem k. u. k. Pressequartier hieß es: »Nach dreitägiger Pause warfen die Russen heute neuerdings große Massen gegen die bessarabische Front. Nachdem vorgestern und gestern bedeutende Verstärkungen herangebracht worden waren, griffen diese heute bei Morgengrauen mit erbitterter Wut an. Eine neue Schlacht bei Toporoutz ist im Gange, die an Heftigkeit nicht hinter den schwersten Kampftagen der letzten Wochen zurücksteht. Ihrer selbstmörderischen Angriffstaktik sind die Russen trotz der in der Neujahrsschlacht verlorenen 70 000 Mann wiederum treu geblieben: In wenigen Stunden erfolgten bereits vier tiefgegliederte Anstürme, die alle in den Hindernissen zusammenbrachen.«

Ein hoher deutscher Offizier äußerte sich über die Lage in Ostgalizien folgendermaßen: »Der österreichisch-ungarische Generalstab gibt einen kurzen Rückblick auf die langwierigen Kämpfe an der ostgalizischen und bessarabischen Front, die unter dem Namen der »Neujahrsschlacht« zusammengefaßt werden können. Die russischen Angriffe, die sich in erster Linie den Durchbruch nach Czernowitz zum Ziel gesetzt hatten, setzten am 24. Dezember ein und endeten am 15. Januar. Allerdings wurde nur mit Unterbrechungen gekämpft; im ganzen sind an der Strypa acht, im Raume Toporoutz-Rarancze 17 Gefechtstage zu verzeichnen. Auch wurde an der 130 Kilometer langen Front nicht überall mit der gleichen Erbitterung gefochten; in dem zwischen der Strypa und der bessarabischen Front liegenden Dnjestrabschnitt zwischen Strypa- und Serethmündung waren im wesentlichen nur Artilleriekämpfe zu verzeichnen. Das darf man nicht vergessen, will man die nutzlosen Menschenopfer des Feindes richtig bewerten. Nimmt man die 17 Gefechtstage von Toporoutz und Rarancze als das Höchstmaß feindlicher Vorstöße, so ergeben sich immerhin 4500 Mann auf den Tag. Und wenn die Zahl der Gefangenen für russische Verhältnisse nicht allzu bedeutend erscheint, so darf man daraus nicht etwa auf einen gesteigerten Wert der russischen Truppen schließen. Eher schon das Gegenteil: denn diese verhältnismäßig geringe Einbuße an Gefangenen hängt damit zusammen, daß es in den meisten Fällen überhaupt nicht zum Nahkampf kam. Und daß die Russen nur selten vermochten, in die Gräben unserer Verbündeten einzudringen, das zeugt wahrlich nicht von vermehrter Angriffswucht. Trotzdem dürfen wir die Anstrengungen des Feindes nicht unterschätzen: Die k. u. k. Heeresleitung hat mit ihrer Voraussicht und der Wiederaufnahme der Angriffe recht gehabt. Es ist bereits wieder eine neue Schlacht östlich von Czernowitz, bei Toporoutz und Bojan entbrannt, in der die Russen bisher vier vergebliche Angriffe unternahmen. Wir dürfen auch diesen Anstrengungen in aller Ruhe entgegensehen: selbst wenn die Russen noch stärkere Kräfte ins Feuer werfen sollten, selbst wenn sie die besten Truppen heranführten, die unerschütterliche Ruhe, mit der die heldenmütigen Verteidiger die feindlichen Angriffe zurückwiesen, bürgt uns dafür, daß die stärkeren Nerven auf unserer Seite sind. Und gestärkt durch die Erfolge der Neujahrsschlacht werden sie auch künftigen Vorstößen wilder, ungezügelter Stürme mit der überlegenen Kraft schlachtenerprobter, siegesgewisser Kämpfer gegenübertreten.«

Der österreichische Generalstab verlautbarte am 20. Januar: »Die neue Schlacht an der bessarabischen Grenze hat an Heftigkeit zugenommen. Außer den schon gestern gemeldeten Angriffen, die alle in die frühesten Morgenstunden fielen, hatten unsere braven Truppen, ihnen voran die Budapester Honved-Division, bis in den Nachmittag hinein fast stündlich an verschiedenen Stellen zwischen Toporoutz und Bojan zähe Anstürme überlegener Kräfte abzuschlagen. Der Feind drang im Verlaufe der Kämpfe einige Male in unsere Schützengräben ein, wurde aber immer wieder im Handgemenge – einmal durch einen schneidigen Gegenangriff der Honved-Regimenter Nr. 6 und Nr. 30 – unter schweren Verlusten zurückgeschlagen. Das Vorgelände unserer Verschanzungen ist mit russischen Verschanzungen übersät. Im Gefechtsraume einzelner Bataillone wurden achthundert bis tausend gefallene Russen gezählt. Die anderen Fronten der Armee Pflanzer-Baltin standen den ganzen Tag hindurch unter russischem Geschützfeuer. Auch bei der nördlich anschließenden Front in Ostgalizien gab es kurzen Artilleriekampf.«

Tragtiere einer österreichischen Truppe in der Hauptstraße von Cetinje.

Die neue Schlacht an der bessarabischen Front wurde mit beispielloser Heftigkeit geführt. Alle Hoffnungen der Entente schienen sich an das Gelingen des Durchbruchs auf diesem schmalen Frontstreifen zu klammern. Nachdem an einem Vormittag vier Angriffe abgeschlagen worden waren, folgten ihnen nachmittags und im Laufe der Nacht, sowie am nächsten Vormittag zahlreiche neue Stürme. Regiment nach Regiment stürzte sich immer wieder auf die Stellungen der k. u. k. Truppen. Durchbruch um jeden Preis war befohlen. War eine Sturmreihe an den Hindernissen niedergemacht, kamen immer wieder neue Scharen heran, die über die Leichen und durch die Hinderniszone weiterdrangen. An manchen Stellen wurde beobachtet, daß die gegnerische Artillerie im Momente, da die Sturmkolonnen an den Drahtverhauen angelangt waren, hinter ihnen eine Sperrfeuerkette zog, um ein Zurückweichen zu verhindern. Der Angriff richtete sich hauptsächlich gegen den Abschnitt der Budapester 40. Husaren-Division, die in der Abwehr Heldenhaftes leistete. Nirgends war es den Russen möglich, sich festzusetzen. Wer nicht fiel, wurde in die Flucht geschlagen. Die Verluste dieser nun schon über 30 Stunden lang ununterbrochen vorgetriebenen Anstürme waren auf russischer Seite ganz enorm. Haufen von Toten bedeckten das Schlachtfeld.

Nach einer Meldung aus Czernowitz wurden dort unablässig russische Gefangene in größeren Gruppen vom Kampfplatze gebracht. Die Verluste, die die russische Armee in Bessarabien bei ihren bisherigen Massenangriffen erlitten hatten, wurden von den Gefangenen als erschreckend bezeichnet. Die in Gefangenschaft geratenen russischen Offiziere, die an dem Karpathenfeldzuge teilgenommen hatten, erzählten, daß die russische Offensive gegenwärtig mit noch größerem Kraftaufgebot und zäherer Ausdauer geführt würde, als vor einem Jahre im Duklapaß und im Uzsok-Abschnitt. Die mehrtägigen Pausen, die bei den Kämpfen an den verschiedenen Stellen zwischen Toporoutz und Rarancze eintraten, seien tatsächlich darauf zurückzuführen, daß sich immerfort die Heranziehung neuer Verstärkungen zur Ausfüllung der durch die kolossalen Blutopfer verursachten Lücken notwendig machte. Das war eine rückhaltlose Anerkennung unserer glänzenden Abwehr der feindlichen Angriffe.

Der amtliche Bericht vom 21. Januar lautete: »Der Eindruck der großen Verluste, die der Feind am 19. Januar in den Kämpfen bei Toporoutz und Bojan erlitten hat, zwang ihm gestern eine Kampfpause auf. Es herrschte hier, wie an anderen Teilen der Nordostfront, von zeitweiligen Geschützkämpfen abgesehen, verhältnismäßig Ruhe. Ein russisches Flugzeuggeschwader überflog das Gebiet südöstlich von Brzezany und warf Bomben ab. Diese richteten keinerlei Schaden an.«

Am 22. Januar hieß es: »Gestern fanden an der ganzen Nordostfront Geschützkämpfe statt. Bei Berestiany in Wolhynien wiesen unsere Truppen russische Streifkommandos ab. Heute in der Frühe begann der Feind wieder mit seinen Angriffen gegen Teile unserer bessarabischen Front. Wir schlugen ihn zurück. Auf der Höhe Dolzok, nördlich von Bojan, am Pruth, sprengten wir vorgestern abend einen russischen Graben durch Minen in die Luft. Von der dreihundert Mann starken Besatzung konnten nur einige Leute lebend geborgen werden. In der Nacht von gestern auf heute vertrieben unsere Truppen den Feind in demselben Raume aus einer seiner Verschanzungen. Nordwestlich von Uscieczko ist eine von uns eingerichtete Brückenschanze seit längerer Zeit das Kampfziel zahlreicher russischer Angriffe. Fast jeden Tag kommt es zu Nahkämpfen. Die braven Verteidiger halten allen Anstürmen stand. Südlich von Dubno griff der Feind heute früh nach starker Artillerie-Vorbereitung unsere Stellungen an.«

Nördlich von Dünaburg wurde am 24. Januar von unserer Artillerie ein russischer Eisenbahnzug in Brand geschossen. An der bessarabischen Front standen wieder verschiedene Teile unter russischem Geschützfeuer. An vielen Stellen war die Aufklärungsarbeit des Feindes sehr lebhaft.

Ein im Walde versteckter deutscher Beobachtungsstand in der Gegend von Pinsk.

Die russische Artillerie entfaltete alsdann an der ostgalizischen und bessarabischen Front wieder eine fieberhafte Tätigkeit. Außerdem wurde auch eine lebhafte Bewegung größerer Kavalleriekörper und starker Infanterie-Aufklärungsabteilungen beobachtet, ein nicht minder sicheres Zeichen neuer russischer Angriffsvorbereitungen. Die Front war aber durch die österreichisch-ungarische Armee derart stark ausgestaltet und befestigt worden, daß die zu erwartenden russischen Unternehmungen auf diesen Abschnitten ebensowenig Erfolg versprachen, wie die seit Weihnachten in rascher Folge mißglückten bisherigen Offensiven.

Aus dem österreichischen Kriegspressequartier wurde gemeldet: »In den letzten Wochen ist aus den Aussagen unserer aus der russischen Kriegsgefangenschaft entflohenen oder als invalid entlassenen kriegsgefangenen Offiziere und Soldaten bekannt geworden, daß die Kriegsgefangenen in Rußland an vielen Orten unmenschlich behandelt und jener Begünstigungen beraubt werden, die ihnen völkerrechtlich zugestanden werden müßten. Da zu derselben Zeit aus den Aeußerungen vornehmer russischer und anderer ausländischer Persönlichkeiten, die unsere Gefangenenlager und Spitäler mit vollster Freiheit besichtigen konnten, unwiderleglich festgestellt wurde, daß die Kriegsgefangenen und die Zivilinternierten bei uns in jeder Hinsicht im ungeschmälerten Besitze der Rechte und Erleichterungen sind, die nach der Genfer Konvention den Kriegsgefangenen gebühren, scheint die russische Heeresverwaltung auch ihrerseits entsprechende Verfügungen für angebracht erachtet zu haben. Diese Verfügungen treten jetzt in Erscheinung. Es handelt sich aber keinesfalls um eine menschenfreundliche Verbesserung der Lage der Kriegsgefangenen in Rußland, sondern um eine minder kostspielige Lösung: Die Russen schweigen einfach die gegen ihre Barbarei gerichteten Anklagen tot oder antworten ihrerseits mit Verleumdungen, deren frivole Leichtfertigkeit selbst nach den bisherigen russischen Leistungen auf diesem Gebiete überraschend wirken muß. In den für ihre Truppen bestimmten Armeezeitungen und in der inländischen und ausländischen Presse erscheinen täglich Schauergeschichten über russische Kriegsgefangene, die durch unsere Soldaten mit oder ohne Urteilsspruch der militärischen Behörden auf die unmenschlichste Weise mißhandelt und gemartert würden. Da werden russische Kriegsgefangene lebendig in Särge gelegt, in deren Deckel sich nur kleine Oeffnungen zum Atmen befänden, und dann zur Erholung zwei Stunden in einen finsteren Raum gesperrt, um später wieder in den Martersarg zu wandern; ein Blödsinn, der kein Wort der Widerlegung verdient. Und dies läßt sich die russische Telegraphen-Agentur angeblich aus Stockholm mit dem Zusatze melden, daß nach der Aeußerung eines deutschen, natürlich ungenannten, Diplomaten alle kriegsgefangenen russischen Soldaten ermordet werden sollten.«

Die deutsche Heeresleitung meldete am 27. Januar, dem Geburtstage Kaiser Wilhelms: »Abgesehen von erfolgreichen Unternehmungen kleiner deutscher und österreichisch-ungarischer Abteilungen bei der Heeresgruppe des Generals von Linsingen ist nichts von Bedeutung zu berichten.«

Dulcigno, das von den österreichischen Truppen besetzt wurde.

Bei Toporoutz an der bessarabischen Grenze überfielen am 28. Januar Abteilungen des mittelgalizischen Infanterie-Regiments Nr. 10 eine russische Vorfeldstellung, eroberten sie im Handgemenge, warfen die russischen Gräben zu und führten einen großen Teil der Besatzung als Gefangene ab.

Russische Angriffsversuche gegen den Kirchhof von Wisman (an der Aa westlich von Riga) scheiterten am 30. Januar im deutschen Infanterie- und Artilleriefeuer.

Die Brückenschanze nordwestlich von Uscieczko am Dnjestr wurde heftig angegriffen. Die tapfere Besatzung schlug den Feind zurück; das Vorfeld ist mit russischen Leichen besät. Ueber der Strypafront erschien ein feindliches Flugzeuggeschwader. Von den elf russischen Flugzeugen wurden zwei durch Artillerievolltreffer vernichtet, drei zur Notlandung hinter den feindlichen Linien gezwungen. Bei Berestiany am Styr schlugen unsere Feldwachen Vorstöße stärkerer russischer Aufklärungs-Abteilungen zurück.


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