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Die große Russenschlacht im März 1916.

Mitte März hörte die Ruhe des Winters im Osten auf. Mit ganz gewaltigen Menschenmassen gingen jetzt die Russen gegen die deutschen Armeen Hindenburgs und des Prinzen Leopold von Bayern vor. Die von ihnen eröffnete große Schlacht brachte den Moskowitern aber nichts als furchtbare Verluste. Der deutsche Angriff auf Verdun wurde durch den Russenangriff in keiner Weise entlastet. Selbst Feldmarschall Hindenburg mußte gestehen, daß die russischen Verluste alles bisherige Maß überstiegen.

Zunächst wurde am 18. März gemeldet: »Das Artilleriefeuer ist im Gebiet beiderseits des Narocz-Sees recht lebhaft geworden. Ein schwächlicher nächtlicher russischer Vorstoß nördlich des Miadziol-Sees wurde leicht abgewiesen.«

Am 19. März depeschierte Hindenburg: »Die erwarteten russischen Angriffe haben auf der Front Dryswjaty-See–Postawy und beiderseits des Narocz-Sees mit großer Heftigkeit eingesetzt. An allen Stellen ist der Feind unter außerordentlich starken Verlusten glatt abgewiesen worden. Vor unseren Stellungen beiderseits des Narocz-Sees wurden allein 9270 gefallene Russen gezählt. Die eigenen Verluste sind sehr gering. Südlich des Wiszniew-Sees kam es nur zu einer Verschärfung der Artilleriekämpfe.«

Zugleich meldete der österreichische Generalstab: »Am Dnjestr und an der bessarabischen Front lebhaftere feindliche Artillerietätigkeit. Die Brückenschanze bei Uscieczko stand nachts unter starkem Minenwerferfeuer. Heute früh sprengte der Feind nach einiger Artillerievorbereitung eine Mine, worauf ein Handgranaten-Angriff erfolgte. Infolge der Sprengung mußte die Mitte der Verteidigungslinie in der Schanze etwas zurückgenommen werden; alle anderen Angriffe wurden abgeschlagen, wobei einige Russen gefangen wurden.«

Hindenburg drahtete am 20. März: »Ohne Rücksicht auf die großen Verluste griffen die Russen auch gestern wiederholt mit starken Kräften beiderseits von Postawy und zwischen Narocz- und Wiszniew-See an. Die Angriffe blieben völlig ergebnislos. In der Gegend von Widsy stießen deutsche Truppen vor und warfen feindliche Abteilungen zurück, die sich nach den am gestrigen Morgen unternommenen Angriffen noch nahe vor unserer Front zu halten versuchten. Ein Offizier, 280 Mann von sieben verschiedenen Regimentern wurden dabei gefangen genommen.«

Der nächste Tag brachte die Nachricht: »Die Russen dehnen ihre Angriffe auch auf den äußersten Nordflügel aus. Südlich von Riga wurden sie blutig abgewiesen, ebenso an der Dünafront und westlich von Jakobstadt stärkere feindliche Erkundungs-Abteilungen. Gegen die deutsche Front nordwestlich von Postawy und zwischen Narocz- und Wiszniew-See richteten sie Tag und Nacht besonders starke, aber vergebliche Angriffe. Die Verluste des Feindes entsprechen dem Masseneinsatz an Leuten. Eine weit vorspringende schmale Ausbuchtung unserer Front hart südlich des Narocz-Sees wurde zur Vermeidung umfassenden Feuers um einige hundert Meter auf die Höhen bei Blisniki zurückgenommen.«

Der österreichische Bericht vom 20. März lautete: »Gestern abend wurde nach sechsmonatiger tapferer Verteidigung die zum Trümmerhaufen zerschossene Brückenschanze nordwestlich von Uscieczko geräumt. Obgleich es den Russen schon in den Morgenstunden gelungen war, eine 300 Meter breite Bresche zu sprengen, harrte – von achtfacher Uebermacht angegriffen – die Besatzung, aller Verluste ungeachtet, durch sieben Stunden in heftigstem Geschütz- und Infanteriefeuer aus. Erst um fünf Uhr nachmittags entschloß sich der Kommandant, Oberst Planckh, die ganz zerstörten Verschanzungen zu räumen. Kleinere Abteilungen und Verwundete gewannen auf Booten das Südufer des Dnjestr. Bald aber mußte unter dem konzentrischen Feuer des Gegners die Ueberschiffung aufgegeben werden, und es blieb der aus Kaiserdragonern und Sappeuren zusammengesetzten tapferen Schar, wenn sie sich nicht gefangen geben wollte, nur ein Weg: sie mußte sich aufs Nordufer des Dnjestr durch den vom Feind stark besetzten Ort Uscieczko zu unseren auf den Höhen nördlich von Zaleczyki stehenden Truppen durchschlagen. Der Marsch mitten durch die feindlichen Stellungen gelang. Unter dem Schutze der Nacht führte Oberst Planckh seine heldenhafte Truppe zu unseren Vorposten nordwestlich von Zaleczyki, wo sie heute früh eintraf. Die Kämpfe um die Brückenschanze von Uscieczko werden in der Geschichte unserer Wehrmacht für alle Zeiten ein Ruhmesblatt bleiben.«

Der österreichische Bericht vom 21. März lautete: »Die Tätigkeit des Gegners ist gestern fast an der ganzen Nordostfront lebhafter geworden. Unsere Stellungen standen unter dem Feuer der feindlichen Geschütze. An der Strypa und im Kormyn-Gebiet stießen russische Infanterie-Abteilungen vor; sie wurden überall geworfen. In Ostgalizien verlor bei einem solchen Vorstoß eine russische Gefechtsgruppe von Bataillonsstärke an Toten drei Offiziere und über 150 Mann, an Gefangenen 100 Mann; bei uns wurden nur einige Leute verwundet.«

Hindenburg aber meldete am 22. März folgenden Erfolg seiner Truppen: »Die großen Angriffsunternehmungen der Russen haben an Ausdehnung noch zugenommen, die Angriffspunkte sind zahlreicher geworden, die Vorstöße selbst folgten sich an verschiedenen Stellen ununterbrochen Tag und Nacht. Der stärkste Ansturm galt wieder der Front nordwestlich von Postawy. Hier erreichten die feindlichen Verluste eine selbst für russischen Masseneinsatz ganz außerordentliche Höhe. Bei einem erfolgreichen Gegenstoß an einer kleinen Einbruchsstelle wurden elf russische Offiziere und 573 Mann gefangen genommen. Aber auch bei den vielen anderen Kämpfen – südlich und südöstlich von Riga, bei Friedrichstadt, westlich und südwestlich von Jakobstadt, südlich von Dünaburg, nördlich von Widsy, zwischen Narocz- und Wiszniew-See – wiesen unsere tapferen Truppen den Feind unter den größten Verlusten für ihn glatt zurück und nahmen ihm bei Gegenangriffen noch über 600 Gefangene ab. An keiner Stelle gelang es den Russen, irgendwelchen Erfolg zu erringen. Die eigenen Verluste sind durchweg gering.«

Am 23. März verlegten die Russen ihre Hauptangriffstätigkeit auf die Abend- und auf die Nachtstunden. Mehrfach brachen sie mit starken Kräften gegen unsere Stellungen im Brückenkopf von Jakobstadt beiderseits der Bahn Mitau–Jakobstadt, viermal gegen unsere Linien nördlich von Widsy vor. Während sie auf der Front nordwestlich von Postawy, wo die Zahl der eingebrachten Gefangenen auf 14 Offiziere, 889 Mann gestiegen war, wohl infolge der übermäßigen blutigen Verluste von größeren Angriffsversuchen Abstand nahmen, stürmten sie wiederholt mit neuer Gewalt zwischen Narocz- und Wiszniew-See an. Der hohe Einsatz an Menschen und Munition hatte auch in diesen Angriffen und den mehrfachen Einzelunternehmungen an anderen Stellen den Russen nicht den kleinsten Vorteil gegenüber der unerschütterlichen deutschen Verteidigung bringen können.

Während sich die Russen am 24. März am Tage nur zu einem starken Vorstoß im Brückenkopf von Jakobstadt östlich von Buschhof aufrafften, unternahmen sie nachts wiederholte Angriffe nördlich der Bahn Mitau–Jakobstadt, sowie einen Ueberrumpelungsversuch südwestlich von Dünaburg und mühten sich in ununterbrochenem heftigen Ansturm gegen unsere Front nördlich von Widsy. Alle ihre Angriffe waren in unserem Feuer spätestens am Hindernis unter schwerer Einbuße an Leuten zusammengebrochen. Weiter südlich waren keine neuen Angriffe erfolgt.

Am 25. März lautete der Bericht Hindenburgs: »Westlich von Jakobstadt gingen die Russen nach Einsatz frischer sibirischer Truppen und nach starker Feuer-Vorbereitung erneut zum Angriff über. Er brach verlustreich für sie zusammen. Kleine Vorstöße wurden südwestlich von Jakobstadt und südwestlich von Dünaburg mühelos abgewiesen. Ebenso blieben alle, auch nachts wiederholten Anstrengungen des Feindes gegen die Front nördlich von Widsy völlig erfolglos. Weiter südlich in Gegend des Narocz-Sees beschränkte sich der Feind gestern auf Artilleriefeuer.«

Der österreichische Generalstab berichtete am gleichen Tage: »Nordöstlich von Burkanow an der Strypa drangen Honved-Abteilungen nach Abwehr eines starken russischen Angriffes in die Gräben des Feindes ein und zerstörten die Verteidigungsanlagen. Sonst keine besonderen Ereignisse.«

Die Russen hatten ihre Angriffe im Brückenkopf von Jakobstadt und nördlich von Widsy am 26. März nicht wiederholt. Mehrere im Laufe des Tages unternommene Vorstöße südwestlich und südlich von Dünaburg blieben schon auf größere Entfernung vor unseren Hindernissen im Feuer liegen. Gegen unsere Front nordwestlich von Postawy und zwischen Narocz- und Wiszniew-See nahm der Feind nachts mit starken Kräften, aber ergebnislos und unter großen Opfern, den Kampf wieder auf. Nordwestlich von Postawy nahmen wir einen Offizier, 155 Mann gefangen.

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Gegen die Front unter dem Befehl des Generalfeldmarschalls von Hindenburg erneuerten die Russen am 27. März ihre Angriffe mit besonderer Heftigkeit. So stießen sie mit im Osten bisher unerhörtem Einsatz an Menschen und Munition gegen die deutschen Linien nordwestlich von Jakobstadt vor; sie erlitten dementsprechende Verluste, ohne irgendwelchen Erfolg zu erringen. Bei Welikoje-Selo (südlich von Widsy) nahmen unsere Vortruppen in einem glücklichen Gefecht den Russen 57 Gefangene ab und erbeuteten zwei Maschinengewehre. Wiederholte Bemühungen des Feindes gegen unsere Stellungen nordwestlich von Postawy scheiterten völlig. Nachdem südlich des Narocz-Sees mehrfach starke Angriffe von Teilen dreier russischer Armeekorps abgeschlagen worden waren, traten westpreußische Regimenter bei Mokrzyce zum Gegenstoß an, um Artillerie-Beobachtungsstellen, die beim Zurückbiegen unserer Front am 20. März verloren gegangen waren, zurückzunehmen. Die tapfere Truppe löste ihre Aufgabe in vollem Umfange. Hierbei, sowie bei der Abwehr der feindlichen Angriffe wurden 21 Offiziere, 2140 Mann gefangen und eine Anzahl von Maschinengewehren erbeutet. Unsere Flieger belegten die Bahnhöfe von Dünaburg, Wilejka und die Bahnanlagen an der Strecke Baranowitschi–Minsk mit Bomben.

Von neuem trieben die Russen am 28. März frische Massen gegen die deutschen Linien bei Postawy vor. In tapferer Ausdauer trotzten dort Truppen des Saarbrücker Korps allen Anstürmen des Feindes. Vor den an ihrer Seite kämpfenden Brandenburgern, Hannoveranern und Hallensern zerschellte ein in vielen Wellen vorgetragener Angriff zweier russischer Divisionen unter schwerster Einbuße des Feindes. Das gleiche Schicksal hatten die auch nachts noch wiederholten Versuche des Angreifers, den bei Mokrzyce verlorenen Boden wiederzugewinnen.

Bis zum 25. März einschließlich hatten die Russen 60 Divisionen an die Front gezogen, das sind – die russische Division zählt 16 Bataillone – vollaufgefüllt über eine Million Menschen. Der Erfolg blieb nach wie vor gleich Null. Unsere Linien standen fest, und jeder Tag brachte den Stürmern nur neue, schwere Verluste.

Während die Russen ihre Angriffe in dem nördlichen Abschnitt am 29. März nicht wiederholten, setzten sie südlich des Narocz-Sees Tag und Nacht ihre vergeblichen Anstrengungen fort. Siebenmal schlugen unsere Truppen, teilweise im Bajonettkampf, den Feind zurück.

Die Oesterreicher meldeten am 28. März: »Nördlich von Bojan haben die Russen nach einigen Sprengungen in unseren Hindernissen wiederholt versucht, in die Stellung einzudringen. Alle Angriffe wurden unter erheblichen feindlichen Verlusten abgewiesen. Nordöstlich der Strypa-Mündung scheiterte ein nächtlicher Vorrückungsversuch russischer Abteilungen schon an der guten Wirkung unserer Vorfeldminen. An der bessarabischen Front und bei Olyka feuerte die feindliche Artillerie lebhaft.«

Der österreichische Bericht vom 30. März lautete: »Gestern war die Fliegertätigkeit auf beiden Seiten recht lebhaft. Mehrere feindliche Flugzeuge wurden durch Feuer und eigene Flieger zur Umkehr gezwungen. Ein von unserer Artillerie herabgeschossener russischer Doppeldecker stürzte östlich von Buczacz hinter der feindlichen Linie ab. Durch Fliegerbomben entstand bei uns keinerlei Schaden.

Am letzten Tage des zwanzigsten Kriegsmonats lautete der amtliche deutsche Bericht: »Die Russen beschränkten sich auch gestern auf starke Beschießung unserer Stellungen an den bisher angegriffenen Fronten.«

Die Russenschlacht war also merklich im Abflauen. Die deutsche oberste Heeresleitung äußerte sich am 1. April über die Märzschlacht in Kurland wie folgt: »Hiernach scheint es, als ob sich der russische Ansturm zunächst erschöpft hat, der mit 30 Divisionen, gleich über 500 000 Mann, und einem für östliche Verhältnisse erstaunlichen Aufwand an Munition in der Zeit vom 18. bis 28. März gegen ausgedehnte Abschnitte der Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Hindenburg vorgetrieben worden ist. Er hat dank der Tapferkeit und zähen Ausdauer unserer Truppen keinerlei Erfolge erzielt. Welcher große Zweck mit den Angriffen angestrebt werden sollte, ergibt folgender Befehl des russischen Höchstkommandierenden der Armeen an der Westfront vom 17. März: »Truppen der Westfront! Ihr habt vor einem halben Jahre, stark geschwächt, mit einer geringen Anzahl Gewehre und Patronen den Vormarsch des Feindes aufgehalten und, nachdem ihr ihn im Bezirk des Durchbruches bei Molodeczno aufgehalten habt, eure jetzigen Stellungen eingenommen. Seine Majestät und die Heimat erwarten von euch jetzt eine neue Heldentat: die Vertreibung des Feindes aus den Grenzen des Reiches! Wenn ihr morgen an diese hohe Aufgabe herantretet, so bin ich im Glauben an euren Mut, an eure tiefe Ergebenheit gegen den Zaren und an eure heiße Liebe zur Heimat davon überzeugt, daß ihr eure heilige Pflicht gegen den Zaren und die Heimat erfüllen und eure unter dem Joche des Feindes seufzenden Brüder befreien werdet. Gott helfe uns bei unserer heiligen Sache. Generaladjutant: gez. Ewert.« – Freilich ist es für jeden Kenner der Verhältnisse erstaunlich, daß ein solches Unternehmen zu einer Jahreszeit begonnen wurde, in der seiner Durchführung von einem Tage zum anderen durch die Schneeschmelze bedenkliche Schwierigkeiten erwachsen konnten. Die Wahl des Zeitpunktes ist daher wohl weniger dem freien Willen der russischen Führung als dem Zwange durch einen notleidenden Verbündeten zuzuschreiben. Wenn nunmehr die gegenwärtige Einstellung der Angriffe von amtlicher russischer Stelle lediglich mit dem Witterungs-Umschlag erklärt wird, so ist das sicherlich nur die halbe Wahrheit. Mindestens ebenso wie der aufgeweichte Boden sind die Verluste an dem schweren Rückschlage beteiligt; sie werden nach vorsichtiger Schätzung auf mindestens 140 000 Mann berechnet. Richtiger würde die feindliche Heeresleitung daher sagen, daß die ›große‹ Offensive bisher nicht nur im Sumpf, sondern in Blut und Sumpf erstickt ist.«


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