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Die »Baralong«-Denkschrift der deutschen Regierung.

Die deutsche Regierung hatte auf Grund der aus Amerika eingetroffenen Verhandlungsberichte über die Ermordung der Besatzung eines deutschen Unterseebootes durch den Kommandanten des britischen Hilfskreuzers »Baralong« eine Denkschrift ausgearbeitet und der amerikanischen Botschaft in Berlin zur Mitteilung an die britische Regierung übersandt. In der Denkschrift hieß es u. a.:

»Vor den öffentlichen Notaren M. E. Ansley in der Grafschaft Hancok im Staate Mississippi und Charles I. Denechand im Gemeindebezirk Orleans im Staate Louisiana, haben am 5. und 8. Oktober 1915 sechs Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika die anliegenden eidlichen Bekundungen über die Ermordung der Besatzung eines deutschen Unterseebootes durch den Kommandanten des britischen Hilfskreuzers »Baralong« abgegeben. (Anlage 1-3). Die Namen werden einzeln aufgeführt.

Der Vorfall hat sich nach den Zeugenaussagen wie folgt zugetragen: Im August 1915 befand sich der britische Dampfer »Nicosian«, der etwa 350 Maultiere für Kriegszwecke an Bord hatte, also mit Konterbande beladen war, auf der Fahrt von Neuorleans nach Avonmouth; die Zeugen waren als Maultierpfleger und Aufseher mitgenommen. Am 19. August wurde der Dampfer etwa siebzig Seemeilen südlich von Queenstown (Irland) von einem deutschen Unterseeboot angehalten und beschossen, nachdem zuvor die gesamte Mannschaft, darunter die Zeugen, das Schiff auf den Rettungsbooten verlassen hatte. Als sie außerhalb der Feuerlinie waren, näherte sich dem Schauplatz ein Dampfer, der von den Zeugen Garett, Hightower, Clark und Curran von der »Nicosian« aus bemerkt worden war und der sich später als der britische Hilfskreuzer »Baralong« herausstellte. Beim Näherkommen dieses Dampfers erkannten sämtliche Zeugen deutlich, daß er am Heck die amerikanische Flagge führte und daß an seinen Seitenwänden große Schilder mit darauf gemalter amerikanischer Flagge angebracht waren. Da der Dampfer die Abzeichen eines neutralen Staates trug und Signale gesetzt hatte, die nach der Erklärung seekundiger Leute von der Besatzung der »Nicosian« bedeuteten, daß er auf Wunsch Hilfe leisten wolle, sein Aeußeres auch durch nichts seinen kriegerischen Charakter verriet, nahm die in den Rettungsbooten befindliche Mannschaft an, daß er sich lediglich mit ihrer Rettung befassen würde. Während das Unterseeboot aus nächster Nähe die Backbordseite des »Nicosian« beschoß, kam der fremde Dampfer hinter dieser auf und fuhr an ihrer Steuerbordseite vorbei. Als er ein wenig über den Bug der »Nicosian« hinaus war, wurde von seinem Bord auf das Unterseeboot geschossen, und zwar, wie, außer Garett, sämtliche Zeugen angeben, zuerst mit Handfeuerwaffen, und unmittelbar darauf auch aus Geschützen, die bis dahin durch Schutzwände verdeckt waren und erst nach deren Beseitigung sichtbar wurden. Als das von mehreren Schüssen getroffene Unterseeboot zu sinken begann, sprangen der Kommandant und eine Anzahl Seeleute über Bord, die Seeleute, nachdem sie sich vorher ihrer Kleidung entledigt hatten. Einigen von ihnen – die Zahl wird von den Zeugen Garett und Curran auf fünf angegeben – gelang es, sich an Bord der »Nicosian« zu retten, während sich die übrigen an den Leinen hielten, die von den hinabgeführten Rettungsbooten der »Nicosian« ins Wasser hingen. Die an den Leinen hängenden Leute wurden teils durch Gewehrfeuer der »Baralong« getötet, während die Zeugen aus den Rettungsbooten an Bord der »Baralong« stiegen oder sich daselbst bereits an Deck aufhielten. Der Zeuge Curran bekundet hierüber noch besonders, daß der Kommandant des fremden Dampfers seinen Leuten befohlen habe, eine Linie an der Reling zu bilden und auf die hilflosen deutschen Matrosen im Wasser zu schießen. Hierauf fuhr der Kommandant der »Baralong« breitseits an die »Nicosian« heran, ließ diese festmachen und befahl sodann einigen seiner Leute, auf die »Nicosian« hinüberzugehen und die deutschen Matrosen, die sich darauf gerettet hatten, zu suchen. Die Zeugen Palen und Curran bekunden hierbei, daß der Kommandant ausdrücklich angeordnet habe, »keine Gefangenen zu machen«. In der Tat wurden auf der »Nicosian« vier deutsche Matrosen im Maschinenraum und im Wellengang aufgefunden und ermordet. Dem Kommandanten des deutschen Unterseebootes gelang es, wie die Zeugen übereinstimmend bekunden, nach dem Bug der »Nicosian« zu entkommen. Er sprang ins Wasser und schwamm um den Bug des Schiffes herum auf die »Baralong« zu. Die englischen Seeleute an Bord der »Nicosian« schossen sofort auf ihn, obwohl er allen sichtbar die Hände zum Zeichen, daß er sich ergeben wolle, emporhob, und setzten das Feuer auch fort, nachdem ihn ein Schuß anscheinend in den Mund getroffen hatte. Schließlich tötete ihn ein Schuß in den Nacken. Vorübergehend wurden dann sämtliche Zeugen an Bord der »Nicosian« zurückbefohlen. Dort sahen die Zeugen Palen und Cosby je einen Leichnam eines deutschen Matrosen, während der Zeuge Curran, der mit den für die Bergung des Dampfers dringend notwendigen Mannschaften an Bord verblieb, sämtliche vier Leichen gesehen hat, die am Nachmittag über Bord geworfen wurden.

Ansicht von Cettinje.

Der Kommandant der »Baralong« ließ die »Nicosian« einige Meilen nach Avonmouth schleppen und darauf deren bei ihm zurückgebliebene Mannschaft an Bord der »Nicosian« zurückbringen. Gleichzeitig sandte er einen Brief an den Kapitän der »Nicosian«, worin er diesen ersuchte, seiner Mannschaft, insbesondere den darunter befindlichen Amerikanern, einzuschärfen, weder bei ihrer Ankunft in Liverpool, noch bei ihrer Rückkehr nach Amerika etwas über die Angelegenheit verlauten zu lassen. Der Brief, den der Zeuge Curran selbst gelesen hat, war unterzeichnet: »Captain William McBridge, H. M. S. Baralong«.

Die Aussagen der sechs Zeugen werden im wesentlichen von dem 18 Jahre alten Zeugen Larimore Holland bestätigt, dessen eidliche Aussage vor dem öffentlichen Notar Frank S. Garden in der Grafschaft Hamilton im Staate Tennessee am 12. Oktober 1915 abgegeben worden ist.

Auf Grund des vorstehenden Materials kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Kommandant des britischen Hilfskreuzers »Baralong«, McBridge, der ihm unterstellten Mannschaft den Befehl gegeben hat, hilf- und wehrlose deutsche Seeleute nicht zu Gefangenen zu machen, sondern sie feige zu ermorden, sowie daß seine Mannschaft den Befehl befolgt und sich dadurch des Mordes mitschuldig gemacht hat.

Die deutsche Regierung teilt diese furchtbare Tat der britischen Regierung mit und nimmt bestimmt an, daß diese, nachdem sie von dem Sachverhalt und den anliegenden Verhandlungen Kenntnis genommen hat, unverzüglich den Kommandanten und die beteiligte Mannschaft des Hilfskreuzers »Baralong« wegen Mordes zur Verantwortung ziehen und nach den Kriegsgesetzen bestrafen wird. Sie erwartet in kürzester Frist eine Aeußerung der britischen Regierung, daß diese das Verfahren zur Sühnung des empörenden Vorfalls eingeleitet hat; demnächst erwartet sie eine eingehende Aeußerung über das Ergebnis des nach Möglichkeit zu beschleunigenden Verfahrens, um sich selbst davon überzeugen zu können, daß die Tat durch eine ihrer Schwere entsprechende Strafe geahndet worden ist. Sollte sie sich in ihrer Erwartung täuschen, so würde sie sich zu schwerwiegenden Entschließungen wegen Vergeltung des ungesühnten Verbrechens genötigt sehen.«

Englisch-russische Gewalttaten in Persien.

Halbamtlich wurde bekannt gegeben: »Der englische Minister Sir Edward Grey hat im englischen Unterhause die Festnahme des englischen Konsuls in Schiras und einiger Mitglieder der dortigen britischen Kolonie durch persische Gendarmen als einen durch keinerlei Herausforderung begründeten Akt der Räuberei bezeichnet. Vielleicht entsinnt sich die englische Regierung der Tatsache, daß Anfang März 1915 der für Schiras bestimmte, auf der Ausreise dorthin begriffene Kaiserliche Konsul Waßmuß mit knapper Not einem auf englischen Befehl ausgeführten Anschlag entging, bei dem Herr Waßmuß' Begleiter, der deutsche Arzt Dr. Lenders, in britische Gefangenschaft geriet. Zu gleicher Zeit wurden der Kaiserliche Konsul in Buschir, Dr. Listemann, und der dortige Prokurist der Firma Wönckhaus, Herr Eisenhut, mit seiner Frau mitten in der Nacht in der brutalsten Weise von englischen Offizieren und Konsulatsbeamten festgenommen und zusammen mit Dr. Lenders über Basra nach Indien gebracht, wo Herr Eisenhut und Dr. Lenders in dem Zivilgefangenenlager Ahmednagar interniert worden sind. Auch die Russen haben sich, um ihren Verbündeten nicht nachzustehen, nicht gescheut, den türkischen Konsul in Rescht festzunehmen und nach Rußland zu verschleppen. Angesichts dieses unerhörten völkerrechtswidrigen Vorgehens der russischen und englischen Regierung in Persien, dessen Neutralität und Unabhängigkeit zu achten sie sich in dem bekannten Vertrage von 1907 gegenseitig verpflichteten, ist es selbstverständlich, daß deutscherseits alle Maßnahmen getroffen worden sind, um Leben und Eigentum der deutschen Reichsangehörigen dort sicherzustellen. Wenn weite Kreise der persischen Bevölkerung den Vertretern Deutschlands und seiner Bundesgenossen hierbei ihre Unterstützung zuteil werden lassen und aus ihrer Sympathie für die Zentralmächte kein Hehl machen, so ist das mit der nur zu begreiflichen und begründeten Hoffnung zu erklären, das Land von seinen englischen und russischen Bedrückern zu befreien und Persiens Selbständigkeit wiederherzustellen. Bezeichnend für die zur Zeit im persischen Volke herrschende Stimmung ist die vom Auswärtigen Amt in London veröffentlichte Aufzählung von Ueberfällen auf englische Konsularbeamte und Offiziere in Persien vom Juli bis Herbst 1915. Die Mitteilung beweist, daß der Glaube an Englands Unbesiegbarkeit auch in Persien geschwunden ist, und daß die Perser den Augenblick für gekommen erachten, das englische Joch abzuschütteln.«

Eine deutsche Zeitungsverkaufsstelle an der westlichen Kampffront.


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