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Aufruhr in Irland.

Dem britischen Weltreich erwuchsen immer mehr Schwierigkeiten. Ende April 1916 kamen zu den vielen Niederlagen auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen noch Nachrichten über einen Bürgerkrieg in Irland. Die Engländer hatten seit Jahrhunderten das irische Volk mit den härtesten Mitteln unterdrückt. In den Ostertagen 1916 erhoben sich die gut bewaffneten Irländer gegen ihre Unterdrücker. Der Aufstand in Irland beschränkte sich dabei keineswegs auf Dublin und einige Küstenorte, sondern war eine wohlorganisierte, das ganze Land umfassende Bewegung. Mehr als 30 000 Iren standen bewaffnet gegen die englische Regierung. Waffen und Munition wurden zum größten Teil schon vor Beginn des Krieges ins Land gebracht, waren aber während des Krieges weiter ergänzt worden. Erst in der allerletzten Zeit entdeckte England zu seinem großen Schrecken die Fortschritte, die die Organisation in Irland gemacht hatte. Trotzdem wurde kein Militär hingeschickt, sondern nur einige hundert Spione, die die Leiter der Bewegung ermitteln sollten, um sie verhaften zu können. Der Plan des Ausschusses der Revolutionäre in Dublin, die erhofften, an der irischen Ostküste jede Verbindung mit England abzuschneiden, wurde verraten. Es erfolgten Verhaftungen einzelner Ausschußmitglieder, darauf besetzten Abteilungen bewaffneter Aufständischen alle öffentlichen Gebäude. Der größte Teil der irischen Truppen weigerte sich, gegen die Aufständischen vorzugehen.

Wie sich die Irländer regten.

In Neuyork fand Anfang März 1916 ein von den Vereinigten irischen Gesellschaften veranstalteter irischer Nationalkonvent statt, welcher einberufen wurde, um Mittel zu finden, Irland nach dem Kriege zur Selbständigkeit zu verhelfen. Er konstituierte sich als neue ständige nationale Organisation, welche den Namen »Freunde der irischen Freiheit« annahm und von einem aus 60 Mitgliedern bestehenden Nationalkomitee verwaltet wurde; zum Präsidenten wurde der Komponist Viktor Herbert gewählt. Der Zweck der Organisation war die Unterstützung aller auf die Unabhängigkeit Irlands hinzielenden Bestrebungen, die Förderung der industriellen Entwicklung Irlands und die Pflege der geistigen Güter. Der Nationalkonvent war auch in der Hoffnung und Ueberzeugung gegründet, daß Deutschland England schlagen, und daß Irland dann völlig unabhängig sein werde. Der Eröffnung des Konvents wohnten 2000 Abgesandte aus allen Einzelstaaten der Union bei, darunter zahlreiche Richter. Nach Eröffnung des Nationalkonvents sprach Monsignore Brann. Die ganze Versammlung stand auf und brach in brausenden Beifall aus, als Brann erklärte, Irland müsse unabhängig gemacht werden. Irland sei lange genug mit England verbunden gewesen, um die Annahme, diese Vereinigung könne jemals etwas Gutes schaffen, hinfällig erscheinen zu lassen. Der Vorsitzende des Neuyorker Supreme Court, Richter John Goff, hielt dann eine packende, mit stürmischem Beifall aufgenommene Rede und erklärte, die Gefühle der Irländer seien keineswegs auf seiten der Engländer, und es sei nur dem Umstande zuzuschreiben, daß das unterdrückte Irland augenblicklich wieder von englischen Bajonetten starre, wenn es hier und da scheinen wolle, als hätten die Irländer ihren alten Groll gegen ihre Unterdrücker begraben. Wenn die Irländer sich jetzt für England aussprächen, geschehe das sicherlich nur zwangsweise. Die Irländer könnten nur die Niederlage Englands herbeisehne. Alle Irländer hätten das felsenfeste Vertrauen, daß die Tage der Freiheit endlich heranbrechen würden. Aus das augenblicklich in Irland herrschende Schreckensregiment hinweisend, erklärte Goff, trotz aller Lügenmeldungen stehe unumstößlich fest, daß das Herz Irlands noch immer treu schlage. Deshalb müßten die amerikanischen Irländer die im britischen Unterhause gefallene Aeußerung, 90 v. H. der Irländer sympathisierten mit den Engländern, als Lüge zurückzuweisen. Die irländischen Amerikaner hätten das Recht, mit dem Lande ihrer Vorfahren zu sympathisieren und Interesse an den Vorgängen in Irland zu nehmen. Goff betonte die Pflicht der amerikanischen Regierung, dem Kriege fernzubleiben, und verlas Georg Washingtons Mahnung, sich europäischen Händeln fernzuhalten. Die einzige gefährliche Propaganda in Amerika sei die, welche auf den Krieg mit Deutschland abziele. Er bezeichnete die Behauptung als lächerlich, die Zivilisation müsse vor den deutschen Barbaren geschützt, die kleinen Nationen beschirmt werden. Die Rechte der amerikanischen Bürger müßten natürlich geschützt werden, wenn aber in Kriegszeiten ein Amerikaner aus Gründen des Vorteils oder des Vergnügens sich leichtsinnig in Gefahr begebe und darin umkomme, so dürfe sein sträflicher Leichtsinn nicht die ganze Nation in die Schrecken eines Krieges verwickeln. – Der St. Louiser Richter Oneil Ryan, welcher zum Vorsitzenden gewählt wurde, erklärte, jeder religiöse und politische Zwiespalt sei vergessen, und in dieser Zeit allgemeinen Zweifels hätten die Abgeordneten sich versammelt, um Washington zuzurufen: Wir wollen keinen Krieg. Die irländischen Amerikaner waren stets in der vordersten Reihe, wenn es galt, Amerikas Ehre zu verteidigen. Deshalb hätten sie auch das Recht, nach achtzehn Monaten der Neutralität zu fordern, daß Amerika den Mittelmächten nicht den Fehdehandschuh vor die Füße werfe. Er hoffe, Amerika werde an der Friedenskonferenz teilnehmen und seine Stimme zugunsten Irlands erheben. Wenn England den Kampf der kleinen Nationen kämpft, wie es behauptet, welche Nation hätte dann einen größeren Anspruch auf Berücksichtigung als Irland? – John Devoy nannte Deutschland die einzige Macht, welche England zu Boden werfen könne, sprach aber auch die Hoffnung aus, daß die Irländer einen angemessenen Beitrag zu diesem löblichen Werke leisten. – Der Neuyorker Richter Cohalan erklärte, Amerika könne niemals zu Fall kommen, es sei denn durch britische Gewalt oder britische Ränke im Innern Amerikas. Niemals wäre es für Irländer notwendiger gewesen als heute, auf die Amerika von England drohenden Gefahren hinzuweisen. – In der Schlußsitzung des Konvents, der 3000 Personen beiwohnten, wurde unter überwältigenden Beifallsbezeugungen eine Kundgebung angenommen, die als irische Unabhängigkeitserklärung in die Geschichte übergehen wird, und in der Amerika und die anderen Mächte ersucht werden, Irland als unabhängige Nation anzuerkennen. In der Kundgebung heißt es: »England versuchte seit Jahrhunderten offen und insgeheim, unsere Geschichte umzuschreiben. Niemals war es so bereit zu bewaffnetem Konflikt mit Amerika wie jetzt. Wir appellieren an den Präsidenten Wilson und den Kongreß, das Nötige zu veranlassen, um die amerikanische Flagge auf der Flotte wie der Handelsmarine den Flaggen der anderen Nationen auf den Meeren gleichwertig zu machen. Wir fordern, daß amerikanische Passagiere gewarnt werden vor der Benutzung von Schiffen mit Kriegskonterbande. Wir verlangen, daß unsere Neutralitätsgesetze gerecht und unparteiisch durchgeführt werden. Wir appellieren an die Mächte, insbesondere Amerika, anzuerkennen, daß Irland eine europäische, nicht eine britische Insel ist, und die Tatsache zu würdigen, daß die vollständige Unabhängigkeit Irlands vom britischen Reiche zur Erreichung der Freiheit der Meere unumgänglich notwendig ist.«

Der Riesenerfolg der 4. deutschen Kriegsanleihe.

Die im März zur Zeichnung gelaugte vierte deutsche Kriegsanleihe erbrachte nach genauer amtlicher Feststellung 10 700 Millionen Mark, also rund elf Milliarden. Das war ein gewaltiger deutscher finanzieller Frühlingssieg. Deutschlands Geldkraft stand unerschütterlich, während Englands, Frankreichs und Rußlands Finanzen arg zerrüttet waren. Der Kaiser richtete an den Staatssekretär des Reichsschatzamtes, Staatsminister Dr. Helfferich, nachstehendes Telegramm: »Hocherfreut durch Ihre Meldung von dem glänzenden Ausfall der vierten Kriegsanleihe spreche ich Ihnen wie allen an diesem großartigen Erfolge Beteiligten meinen wärmsten Dank und Glückwunsch aus. Der neue Beweis einmütigen Siegeswillens und ungebrochener Kraft reiht sich den bewundernswerten Zeugnissen von Heldenmut und Vaterlandsliebe, die unsere Kämpfer an der Front täglich oblegen, würdig an. Ein Volk, das in solchem Geiste wie ein Mann zusammensteht gegen den Ansturm seiner Feinde, darf im Vertrauen auf Gott den Sieg seiner gerechten Sache mit Sicherheit erwarten. Wilhelm I. R.«

Die Kämpfe im Caures-Walde bei Verdun.

Die Kämpfe im Caures-Walde – nördlich von Verdun – waren die schwersten und erbittertsten im ganzen Waldgebiete der Verdun-Stellung. Hessischen Truppen war der Ruhm zugefallen, den Caures-Wald, das gesamte Waldgebiet nordwestlich und nordöstlich von Beaumont, vom Feinde zu säubern. Die Franzosen hatten diesen Wald hervorragend ausgebaut; ganze Netze von Schützengängen mit allen erdenklichen Verteidigungs- und Bedrohungskniffen, tiefe Unterstände, gemauerte und betonierte Gehäuse für Maschinengewehre, Beobachter, Horchposten, davor und dahinter, daneben und dazwischen Drahtverhaue, Eisengeflecht, Stachelgewirr, Blockhäuser, Verbindungswege, Sappen, Reserve- und Aufnahmeschächte waren angelegt. Hundert bis zweihundert Meter hinter der ersten Linie eine zweite. Und dahinter gar eine dritte. Und was für ein Ding! Eine über zwei Meter hohe Wand aus Maschendraht, die eine dahinter aufgeschichtete Mauer aus verflochtenem Reisigholz zusammenhielt. Zwei Meter dick war diese Astverhau-Mauer, die sie quer durch den Wald zogen, mit gelegentlichen Winkeln und Ecken, von denen aus man wieder den ganzen Vorraum flankierend bestreichen konnte. Man mußte zugeben: ein originelles und verteufeltes Hindernis. Diese Befestigungen wurden von den Franzosen für uneinnehmbar gehalten. Einen Sturm hielten sie für ganz ausgeschlossen; und so sank ihnen gar schnell der Mut, als die stürmenden hessischen Regimenter sich langsam-unaufhaltsam ihnen näherten. Mit grenzenlosem Staunen sah man, wie die Franzosen der Grabenbesatzung mit hocherhobenen Armen herauskamen und sich ergaben. Sie liefen durch die stürmenden Deutschen hindurch. Bald waren die nach vorne Fliehenden hinter der Sturmkette. Aengstlich fragten sie die weiter zurückstehenden Deutschen nach dem Weg nach Flabes. Dahin wollten sie. Sie liefen ganz allein dorthin, bekamen nicht einmal einen deutschen Führer oder Wächter mit. Liefen auch ohne Aufsicht ganz artig und glücklich, dem Fegefeuer der Schlacht zu entrinnen. Nahmen sogar, höchst brav, ihre eigenen Maschinengewehre mit. Rannten schließlich, wie von der Tarantel gestochen, da sie in das Sperrfeuer ihrer eigenen Artillerie gerieten. Bald waren alle feindlichen Linien und Blockhäuser »ausgeräuchert« und die letzten Nester ausgenommen. Ein unerwartetes Hindernis bildete jedoch ein festeingebautes Maschinengewehr. Einen Augenblick stockte die Bewegung. Doch unverhofft schnell nahte Hilfe. Mit Staunen und mit Jubel sahen unsere Infanteristen, wie zwei Feldgeschütze in vollem Trab auf der offenen Landstraße auffuhren, abprotzten und den Maschinengewehrstand aus nächster Nähe unter Feuer nahmen. So etwas hatten sie denn doch seit anderthalb Jahren nicht erlebt. Dem Kommandanten wird der Helm durchschossen. Seine Pferde wälzen sich in ihrem Blute, Aber er verliert keinen Mann, bleibt selbst heil, trifft wie ein Gott – und das Tak-tak verstummt ...

Blick in einen gut versorgten Marketendereiladen im Westen, wo Offiziere und Mannschaften bunt durcheinander und ohne Unterschied ihre Einkäufe machen, um dann wieder mehr oder weniger schwer beladen in die Schützengräben zurückzukehren.

Nach der Einnahme von Béthincourt.

In den letzten Märzwochen und ersten Apriltagen wurde in der Riesenschlacht von Verdun hauptsächlich am linken Maasufer gekämpft. Am 9. April fiel der nördlichste Stützpunkt der Franzosen, das festungsartig ausgebaute Dorf Béthincourt am Forgesbach.

Der Kriegsberichterstatter der »Voss. Ztg.« gab dazu folgende Nachrichten: »Béthincourt ist gefallen! Das ist der große und bedeutungsvolle Hauptgewinn der Kämpfe, die gestern nach der Atempause eines Tages westlich der Maas aufs neue einsetzten und sich über den ganzen Tag erstreckten. Wir wissen aus einem aufgefundenen Armeebefehl, welchen Wert die Franzosen auf die Behauptung dieses stark befestigten Ortes legten. Aber immer bedrohlicher gestaltete sich die Lage ihrer dort stehenden Truppen. Der Feind wollte schließlich daraus die Konsequenz ziehen und das Dorf räumen. Doch nun war es zu spät, diese Absicht planmäßig auszuführen. Und der begonnene Rückzug kostete ihn schwere Verluste an Toten, Gefangenen und Kriegsmaterial. Daß der französische Bericht das mit äußerster Kraftanstrengung verteidigte Béthincourt nur leichthin als einen Vorsprung der Stellung bezeichnet, kann den hohen Wert des deutschen Erfolges nicht verringern. Zugleich fielen die beiden kunstvoll ausgebauten Stützpunkte südwestlich des Ortes in unsere Hand, die die Franzosen, ähnlich wie im Herbst ihre beiden neuen Luftschiffe, »Alsace« und »Lorraine« getauft hatten. Sie liegen westlich und östlich der Straße Béthincourt–Esnes. Es mag dem Gegner als ein Vorgang von symbolischer Bedeutung gelten, daß er mit diesen Namen hier kein Glück hatte. Ueberdies brachte der gestrige Tag uns Vorteile am linken wie am rechten Flügel des französischen Besitzes an dieser Flußseite.

Die Dinge stellen sich nun so dar, daß sich unsere neuen Stellungen in diesem Kampfabschnitt vom Südostzipfel des Avocourt-Waldes über die Höhe 287 an den nordwestlichen Waldabhängen des beherrschenden Höhenrückens 304 hin, dann südlich des Forges-Baches, ungefähr über die Gabelung der Straßen Béthincourt–Esnes und Bethincourt–Chattancourt zu unserer Position auf dem Mort Homme hinziehen. Damit ist der berühmte Sack der französischen Stellung links der Maas fast völlig verschwunden. Er existiert kaum mehr, nachdem die drei Orte, die sich in ihm befanden: Malancourt, Haucourt und Béthincourt, sowie die anschließenden Stützpunkte in deutscher Gewalt sind. Der Geländeraum, den wir dem Feinde hier seit Beginn des Angriffs auf das Nordwestsegment des Vorgeländes von Verdun am 7. März abgenommen haben, beträgt jetzt rund 25 Quadratkilometer.«

Der erste Akt der Kämpfe westlich der Maas war in dem Augenblick, wo wir die Vorhöhen der Kuppe 304 erreicht hatten, gleichsam abgeschlossen. Die siegreiche Angriffsbewegung trat nunmehr in einen neuen Abschnitt ein. Aber auch der Nordabschnitt der Verdun-Schlacht, östlich der Maas, sah einen deutschen Erfolg durch das Vorrücken der Unsern über den Südwesthang des heftig umkämpften Pfefferrückens bis zu der Schlucht nördlich von Bras. Rechnete man die Zahl der bisher im Verlauf der ganzen Schlacht gemachten Gefangenen zusammen, so kam man an 36 000 Mann. Für die Wirksamkeit der Methode, die unsere Heeresleitung bei der ganzen Offensive gegen Verdun seit Ende Februar befolgte, lieferten die Ereignisse abermals einen glänzenden Beweis.

Die polnische Frage.

In einem Artikel beschäftigte sich die »Nordd. Allg. Ztg.« in der Hauptsache mit der eigentümlichen, entstellenden Behandlung der polnischen Frage durch den russischen Minister des Aeußeren in dessen Rede bei der Duma-Eröffnung. Sasonow hatte von einer »deutschen Herrschaft unvergänglichen Schreckens in Polen« gesprochen und ihr die vortrefflichen Absichten entgegengesetzt, die Rußland mit dem unglücklichen Lande gehabt habe. Dazu bemerkte die deutsche Antwort:

»Rußland hat hundert Jahre Zeit gehabt, seine vortrefflichen Absichten in die Tat umzusetzen. Nun, da die Zeit vorbei ist, erinnert es sich einer Aufgabe, die es ein Jahrhundert vergaß ... Erst in dem Maße, als Polen mit dem Eindringen der österreichisch-ungarischen und deutschen Heere und der Bildung der polnischen Legionen immer mehr auch in seinen nationalen Gefühlen dem russischen Staate entglitt, wuchs die Liebe des russischen Volkes zu Polen. Um der Gefahr eines polnischen Aufstandes vorzubeugen, veröffentlichte der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch, dessen Heere später die Felder und Häuser unschuldiger polnischer Landbewohner sinnlos zerstörten, das bekannte Manifest, das den Polen in zweideutigen Ausdrücken eine Autonomie versprach.

Die Gründung der Universität Warschau – sagt Herr Sasonow – ist eine Falle. Er meint, die Polen dürften nicht vergessen, daß in dem Kaiserlichen Autonomie-Versprechen die nationale Universität eingeschlossen ist. Warum hat Rußland, solange es Warschau besaß, versäumt, das Versprechen auszuführen? Sollten nicht vielmehr alle die freundlichen Worte ohne Taten eine Falle gewesen sein und noch sein? Alles, was Rußland während des Krieges an praktischer Gesetzesarbeit für seine Polen geleistet hat, ist lächerlich und schlägt den angeblichen Befreiungsabsichten direkt ins Gesicht.

Die Mittelmächte suchen im Gegensatz zu Rußland keineswegs Polen durch leere Versprechungen zu gewinnen; sie arbeiten praktisch für das Wohl des Landes, soweit dies in einem von der russischen Soldateska fast vollkommen verwüsteten Gebiete möglich ist. Sie bemühen sich um die Versorgung des darbenden Landes, die bisher durch England und Rußland unmöglich gemacht wird. Sie sorgen für das körperliche und, soweit es geht, auch für das geistige Wohl der Polen. Aus diesem Grunde suchen auch alle führenden Politiker des polnischen Volkes ihren Anschluß nicht mehr bei den durch Glück bisher nur wenig begünstigten russischen Fahnen, sondern da, wo sie nicht leere Worte, sondern greifbare Aussichten auf die Erfüllung ihrer nationalen Wünsche erhalten können.

Das Begräbnis eines russischen Soldaten auf einem österreichischen Friedhof.

Daran wird auch die Mitteilung Herrn Sasonows nichts ändern, daß die Bundesgenossen Rußlands dem Ziel der russischen Politik, der Vereinigung aller polnischen Landesteile, zugestimmt hätten. Es wäre interessanter gewesen, wenn er hätte mitteilen können, ob die Bundesgenossen Rußlands nicht nur den Worten, sondern auch den Taten der russischen Regierung in Polen zugestimmt haben.

Das Schicksal Polens hat aufgehört, in der Hand russischer Minister zu liegen. Die Hände, denen es anvertraut ist, werden es vor der Rückkehr der russischen Mißwirtschaft bewahren und von ihren Folgen innerlich wie äußerlich zu heilen wissen.« –

Die polnische Tageszeitung »Iskra« nahm zu der Rede des russischen Ministers Sasonow Stellung und führte folgendes aus: »Freche Worte. Ein Telegramm verbreitet in der ganzen Welt die Rede Sasonows in der russischen Duma. Es ist möglich, daß seine Auslassungen in den allgemeinen polnischen Angelegenheiten eine wichtige Bedeutung für den weiteren Verlauf der Kriegsvorfälle haben, es kann sein, daß seine Worte im gegnerischen Lager ohne Echo verhallen werden; darüber wollen wir nicht nachsinnen. Uns wird vor allen Dingen der Abschnitt der Rede interessieren, welcher Polen betrifft. Herr Sasonow zerriß die Gewänder, weinte und lamentierte über unser Schicksal und schüttete mit Versprechungen für das verwandte, unglückliche Volk wie aus einem Füllhorn. Er bemitleidete und bedauerte uns aus Anlaß unserer Einfalt, die bei uns die Freude über die Eröffnung der polnischen Universität in Warschau bewirkte. Er nannte dies eine wenig bedeutende Konzession in Anbetracht der uns im berühmten großfürstlichen Manifest gemachten Versprechungen. Er hat es aber vergessen, daß die Polen den Wert der russischen Versprechungen gut kennen. In unserem Gedächtnis lebt noch in frischer Erinnerung das unlängst »in Kraft getretene« Gesetz über die Religionstoleranz, das polnische Schulwesen und die Städteselbstverwaltung. Die ältere Generation hat die Apuchtinsche Zeit noch nicht vergessen, die im Lande das Analphabetentum tendenziös verbreitete, aus dem das uns noch heute plagende Banditenwesen hervorging. Wie die russischen Versprechungen zu schätzen sind, davon haben sich die Galizier in Lemberg schnell überzeugt, wo alles, was nicht russisch und orthodox war, ausgerottet wurde. Und nach alledem vergießt Herr Sasonow Tränen über unser Elend, weint über unsern Ruin, wo doch die fliehenden Russen ganze Städte und Dörfer bei ihrem Rückzüge verbrannten, indem sie Hunderttausende von Polen in Not und Elend vor sich hertrieben. Die polnischen Abgeordneten in der russischen Duma werden doch den Mut haben, Herrn Sasonow zu erklären, daß die polnische Universität in Warschau keine Kleinigkeit oder wenig bedeutende Konzession ist, und ihm zu verstehen geben, daß es eine Wiederherstellung der uns gebührenden und von der russischen Regierung schmählich getretenen Rechte ist.«

Die Wahrheit über das Gefangenenlager von Wittenberg.

Zu Anfang April 1916 erschienen in allen englischen Zeitungen, offenbar auf Betreiben der britischen Regierung, ausführliche Berichte über die Behandlung der Kriegsgefangenen im Lager Wittenberg während einer Fleckfieberseuche im Winter 1914/15. Auf welchen Ton diese Berichte gestimmt waren, war aus einem Artikel des »Daily Telegraph« ersichtlich, der auf die Frage: »Was erdulden die Gefangenen in Wittenberg?« antwortete: »Sie werden gemartert, gemordet, ausgehungert, geschlagen, beschimpft, mit Ueberlegung vernachlässigt und widrigen und gefährlichen Krankheiten ausgesetzt.« Die deutsche Regierung würdigte jetzt diese Berichte, soweit sie tatsächliche Angaben enthielten, in der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung« einer eingehenden Widerlegung, die auf amtliches Material gestützt war. Aus der Zurückweisung der wahrheitswidrigen Vorwürfe sei folgendes erwähnt: »Das Lager Wittenberg ist 12,1 Hektar groß, und die größte Belegung betrug 14 616 Köpfe, die sich auf 55 Baracken verteilten, so daß hinreichend Raum verfügbar war. Die Gefangenen, die in völlig verlaustem und unglaublich schmutzigem Zustand im Lager ankamen, wurden bald nach der Ankunft einer gründlichen Reinigung ihres Körpers und ihrer Kleidung unterzogen. Vom 1. November 1914 bis 1. August 1915 wurden 1681 Kilogramm Seife verabfolgt, außerdem für das Lazarett noch 830 Kilogramm. Die Nahrung war durchaus reichlich. Der Vorwurf absichtlicher Unterernährung erübrigt sich, da jedermann täglich 180 Gramm Fleisch oder 125 Gramm Speck, 125 Gramm Hülsenfrüchte, 180 Gramm frische Gemüse oder 1000 Gramm Kartoffeln, daneben 500 Gramm Brot, Kaffee usw. erhielt. Die Ende November auftretenden Fälle von fieberhaften Erkrankungen wurden zunächst als Influenza angesehen. Als sie sich als Fleckfieber herausstellten, wurden alle Desinfektions- und Vorsichtsmaßregeln ergriffen. Die angestellten deutschen Aerzte haben täglich das Lager besichtigt. Die eigentliche Krankenbehandlung wurde allerdings anfangs 22, später 34 Aerzten der feindlichen Staaten übertragen, die dem Gefangenenlager überwiesen waren. Selbstverständlich mußten schon mit Rücksicht auf die unmittelbare Nachbarschaft der Stadt Wittenberg strenge Absperrungsmaßnahmen erfolgen. Schließlich sind Arzneien und Stärkemittel (Wein und Milch), sowie Verbandstoffe in durchaus ausreichendem Maße für die Kranken geliefert worden. Nach den Verordnungsbüchern sind manchmal an einem Tage 2000 bis 2400 Arzneipulver abgegeben worden. An Fleckfieber erkrankten 13,5 Prozent und es starben 1,24 Prozent; an Cholera erkrankten 0,14 Prozent und es starben 0,03 Prozent; an Unterleibstyphus erkrankten 0,55 Prozent und es starben 0,13 Prozent. Von den Engländern, die sich in einer Stärke von 9432 im Lager befanden, erkrankten an Fleckfieber 12,5 Prozent und es starben 3,9 Prozent; an Cholera erkrankten 0,53 Prozent und es starben 0,1 Prozent der Kopfstärke. Durch diese Zahlen können am besten alle diese gehässigen Verleumdungen als entkräftet gelten.«

Das deutsche halbamtliche Blatt gelangte zu folgenden Schlußsätzen: »Mögen die Engländer für die beklagenswerten Todesfälle ihrer Landsleute an Fleckfieber ihre Bundesgenossen verantwortlich machen, die es versäumten, die gesundheitlichen Verhältnisse in ihrem Lande so zu gestalten, wie es Kultur und Menschlichkeit verlangen. Mögen sie über die Behandlung der Kriegsgefangenen nicht nur mit gleißnerischer Gefälligkeit reden, sondern dafür sorgen, daß die traurigen Zustände in den afrikanischen Gefangenenlagern ihrer französischen Bundesgenossen ein Ende nehmen, in denen unsere Landeskinder bei unzureichender Ernährung und schlechter Behandlung in ungesundem Klima, der Willkür der Lagerkommandanten preisgegeben, unter den Augen der farbigen Bevölkerung zu den erniedrigendsten und härtesten Arbeiten gezwungen werden. Mögen sie die Forderung nach Menschlichkeit und dem Stande der ärztlichen Wissenschaft entsprechenden Verhältnissen bei ihren anderen Verbündeten, den Russen, stellen, bei denen es Gefangenenlager gibt, die mehr Opfer forderten als das blutigste Schlachtfeld, in denen es vorgekommen ist, daß eine erschreckende Anzahl der Insassen an einheimischen Seuchen, an Hunger und Kälte, elend zugrunde gegangen sind. Warten wir ab, welche Zahlen die Statistik am Ende des Krieges hinsichtlich der Krankheitshäufigkeit und Sterblichkeit bei den Kriegsgefangenen der einzelnen Völker ergibt. Wir werden den Vergleich nicht zu scheuen brauchen; dessen sind wir sicher.«


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