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Rückblick auf das Kriegsjahr 1915.

Das Jahr 1915 brachte noch nicht die Entscheidung dieses blutigsten aller Kriege, die auf dem Erdrunde jemals geführt worden sind. Bei den gewaltigen Massen, die da kämpften, bei dem Haß, der gegen Deutschland und seine Verbündeten wütete, bei der offenen Unterstützung, die unsere Feinde bei den angeblich »Neutralen«, besonders bei den Vereinigten Staaten von Nordamerika, fanden, konnte der Krieg auch gar nicht zu Ende gehen. Die überall geschlagenen Russen, Engländer und Franzosen wollten ihre Niederlage noch nicht einsehen. Wir mußten also weiter kämpfen, bis dies geschehen sollte. Und wir konnten warten, konnten wir doch mit unseren Erfolgen reichlich zufrieden sein.

In den ersten Monaten des Jahres 1915 handelte es sich zunächst darum, den schmalen Grenzsaum Ostpreußens zurückzuerobern, den wir der Uebermacht der Russen hatten überlassen müssen. Nur wenn jede Gefahr für das eigene Land beseitigt war, nur wenn die große Festung, als die wir Deutschland betrachten müssen, mit all ihren Kasernen, Arsenalen, Magazinen völlig gesichert war, konnten unsere Heere sich sorgenlos und siegesfroh über das feindliche Umland ergießen. Diese Aufgabe erfüllte Feldmarschall von Hindenburg durch den kurzen, glänzenden Winterfeldzug in Masuren vom 7. bis 15. Februar. Zum zweitenmale schlug er die kaum wiederhergestellte zehnte russische Armee und kreiste sie dann in dem Forst von Augustowo, dicht vor ihrer stark befestigten Njemenlinie, ein. Traurige Trümmer nur entkamen.

Während dieser Zeit waren andere deutsche Kräfte der verbündeten Donaumonarchie zu Hilfe gesandt worden, deren Heere Galizien bis auf den westlichsten Zipfel hatten räumen müssen. Die Russen hatten die Bukowina besetzt und waren über die Karpathen nach Ungarn eingedrungen. Mit Hilfe des Beskidenkorps von der Marwitz und der deutschen Südarmee von Linsingen wurden sie von neuem über den Gebirgskamm zurückgeworfen; nur in der Duklasenke, im Norden, behaupteten sie einen Streifen ungarischen Bodens.

Alles dies geschah, während in Polen die Armee des Zaren hinter der Bzura, Rawka und Pilica festgehalten und im Westen die Vorstöße Joffres zurückgewiesen wurden. Die Strategie der »inneren Linie« erwies sich dem Anstürmen der von West und Ost vordrängenden Feinde als weit überlegen. Die bessere Verwendung unserer Truppen, ihre größere kriegerische Moral und der glänzende Gebrauch unseres dichtmaschigen Bahnnetzes gaben uns das Uebergewicht über die wachsende Zahl unserer Gegner. Dazu kam die treffliche, organisatorische Ausnutzung unsere Volkskraft, die weder Russen noch Engländer imstande waren, uns nachzumachen. Freilich versuchten die Gegner, durch rücksichtslosen Angriff Uebereinstimmung in ihre kriegerischen Unternehmungen zu bringen; aber es gelang ihnen nicht. Im März versuchte Joffre in der Champagne, im April zwischen Maas und Mosel und endlich im Mai zwischen Arras und La Bassée unsere Reihen vergeblich zu durchbrechen. Geringer Raumgewinn wurde mit sehr großen Verlusten blutig bezahlt. Während dieser Zeit warf Großfürst Nikolaus die Hauptkraft seines Heeres gegen die Karpathenfront und versuchte, durch die rohe Gewalt immer wiederholter Massenstürme in rein frontalem Vorgehen den Gebirgswall der Karpathen sich zu eröffnen. Er drängte unsere Bundesgenossen in der Duklasenke und um den Lupkowerpaß ein wenig zurück und hielt das Vordringen unserer Heere weiter östlich am Uszoker- und Wyszkowerpaß, am Pruth und Dnjestr mit Mühe auf. Als am 23. März die Festung Przemysl nach Verbrauch sämtlicher Lebensmittel in die Hände der Russen fiel, strömte die starke Belagerungsarmee sofort dem hart umstrittenen Gebirge zu, und nun begann der furchtbare Entscheidungskampf, der sich in den Ostertagen zu heroischer Größe erhob und dem Gedächtnis der beteiligten Streiter mit blutigen Zügen unverlöschlich eingeprägt hat. Hier brach sich die Kraft der russischen Menschenmassen; von der Mitte des April an erlahmte der Siegeswillen des zuletzt mit Knuten und Maschinengewehren vorwärts getriebenen Heeres. Und alsbald folgte der Gegenstoß der Verbündeten.

In aller Stille versammelte sich ein starkes deutsches Heer unter dem Oberbefehl des Generalobersten von Mackensen in enger Verbindung mit der österreichisch-ungarischen Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand westlich des Dunajec. Am 2. Mai brachen die Verbündeten, unterstützt durch das rasende Feuer einer überwältigenden schweren Artillerie, überraschend vor, zertrümmerten die russischen Scharen bei Gorlice und Tarnow, warfen sie über Wisloka und San, erstürmten am 3. Juni Przemysl und zogen nach schweren, siegreichen Kämpfen am 22. Juni in das befreite Lemberg ein.

Während der rechte Flügel die geschlagenen russischen Heere über Dnjestr, Gnila Lipa und Strypa weiter nach Osten hin verfolgte, schloß sich der linke Flügel unter Mackensen mit den westlich der Weichsel fechtenden Heeren des Prinzen Leopold von Bayern und den nördlich des Narew neu aufgestellten Armeen Gallwitz und Scholz des Feldmarschalls von Hindenburg zu jener gewaltigen Offensive gegen Polen zusammen, die in zehnwöchentlichem Feldzuge die Heere des Zaren weit nach Osten hin bis in das eigentliche Rußland zurückwarf. Iwangorod und Warschau fielen am 4. August, Nowo-Georgiewsk am 19., Brest-Litowsk am 25. des gleichen Monats. Inzwischen hatte der linke Flügel Hindenburgs Litauen und Kurland in unsere Hand gebracht, Kowno und später Grodno in gewohnter Weise durch Sturmangriff genommen und schließlich die deutsche Front bis Riga, Dünaburg und über Wilna hinaus ausgedehnt, den Rückzug des russischen Heeres auf Minsk ernstlich bedrohend.

Diesen Feldzug ohnegleichen hatte der Verrat Italiens nicht zu hindern vermocht. Mit geringen Kräften hielten die Oesterreicher zunächst ihre Südgrenze und haben dann im Laufe des Sommers und Herbstes vier furchtbare Angriffe des italienischen Feldherrn, im Juni und Juli, im Oktober und November, siegreich abgeschlagen. Gedrängte Haufen feindlicher Leichen vor den kampfumtosten Feldern von Görz, des San Michele, des Plateaus von Doberdo sind die stummen und doch beredten Trophäen des Siegers.

So fanden die Verbündeten den Ueberschuß an Kraft, um endlich auch an dem Urheber all dieses furchtbaren Leides, an Serbien, das Strafgericht zu vollziehen. Gegen Ende September standen zwei Heere unter Mackensen im südlichen Ungarn bereit, der Zar von Bulgarien verband sich mit den Mittelmächten und ließ seine Heere gegen die Ost- und die Südostgrenze Serbiens aufmarschieren. Die Verbündeten überschritten vom 6. bis 9. Oktober die Donau, indem sie den tapferen Widerstand des Gegners brachen, die Bulgaren überschritten vom 14. Oktober an die Grenze. Die zerfahrene politische und militärische Leitung des Vierverbandes überließ die Serben ihrem Schicksal; in kaum zwei Monaten wurden sie gegen Südwesten hin zusammengepreßt und bei dem Uebergang über das albanische Grenzgebiet auseinander gesprengt. Nur Trümmer versuchten sich nach Durazzo hin zu retten. Gleichzeitig begann die Eroberung Montenegros.

Diese entscheidende Waffentat hatte der letzte und gewaltigste Angriff Joffres im Westen nicht zu hindern noch zu verzögern vermocht. Zwar setzte er am 25. September drei Viertel des franko-englischen Heeres in der Champagne und im Artois gleichzeitig ein, und man muß es seinen Leuten lassen, daß sie mit heldenmütiger Tapferkeit um den Sieg gerungen haben; und dennoch scheiterte nach langem verzweifelten Kampf auch dieser Angriff. Um die Mitte des Monats Oktober war kein Zweifel mehr, daß auch dieser Durchbruch mißlungen war.

Die zu spät um Saloniki versammelten Streitkräfte der Engländer und Franzosen hatten den Untergang Serbiens nicht zu hindern vermocht. Vom 2. Dezember an wurden sie selbst von den Bulgaren zu beiden Seiten des Vardar angegriffen und bis zum 14. Dezember mit großen Verlusten über die griechische Grenze zurückgeworfen. Von den Dardanellen zogen kurz vor Weihnachten die Engländer ihre weißen und farbigen Truppen zurück, weil sie von den Türken fortgesetzt geschlagen worden waren.

Ein italienischer Hochgebirgsposten in seiner Winterausrüstung. (Nach einer englischen Darstellung.)

Schon im Laufe des ersten Kriegsjahres 1914 wurde es aller Welt klar, daß der Seekrieg sich in ganz anderer Weise abspielen würde, als es sich wohl Jeder gedacht hatte. Der deutsch-englische Seekrieg – alles andere lief im Rahmen nebenher – wurde nicht sofort zum Vernichtungskrieg der übermächtigen englischen Armada gegen die deutsche Flotte in der Nordsee, sondern im wesentlichen gestaltete er sich zu einem Blockadekrieg aller nach den deutschen und den benachbarten neutralen Küsten hinführenden Seewege. Und dies in einer Willkür, die nichts anderes als privilegierte Seeräuberei zu nennen ist. Die prahlerischen Ankündigungen Churchills und anderer, von der sofortigen Vernichtung der deutschen Flotte, von dem Herausräuchern der Ratten aus ihrem Loche, sie alle zerfielen in nichts.

Dahingegen gestaltete sich der vom Deutschen Reiche begonnene Kleinkrieg gegen den englischen Handel seit dem berühmten 18. Februar zu einem Lähmungskrieg aller englischen militärischen und Handelskräfte, der sich schon nach wenigen Monaten in England in bedenklicher Form zeigte.

Die Großkampfschiffe der unbezwinglichen Armada hielten sich bald in gesicherten Häfen gänzlich zurück; unter den leichteren Streitkräften aller Gattungen räumten dann die deutschen Unterseeboote derartig auf, und zwangen sie ebenfalls, sich mehr oder minder zu sichern, daß die Vorstöße deutscher großer und kleiner Kreuzer gegen die englische Ostküste stets von großen Erfolgen begleitet waren. Ein Wutgeheul setzte jedesmal darüber in Großbritannien ein. Und als nun gar die vielen Unternehmungen deutscher Marine-Luftschiffe ebenfalls schwere Schäden in den befestigten Küstenplätzen sowie schließlich mehrfach in dem »unverteidigten« London mit seinen großen militärischen Verkehrs- und Schiffahrts-Anlagen anrichteten, da waren es natürlich nur »barbarische Handlungen deutscher Hunnen« gewesen.

Aber das stolze Albion konnte kein Mittel dagegen erfinden, es mußte dies alles über sich ergehen lassen. Die Unterseeboote räumten weiter unter den englischen Kriegs- und Handelsschiffen auf, so daß sich im englischen Inselreiche ernste Teuerungen und schwierige Wirtschaftsverhältnisse einstellten.

So konnten wir denn auf allen Gebieten mit unseren Erfolgen recht zufrieden sein und mit Siegeszuversicht in das neue Jahr 1916 hineingehen. Deutschlands und Oesterreich-Ungarns »Schimmernde Wehr« stand mit den Bulgaren und Osmanen siegreich da. So gewiß es ist, daß bei uns niemand von verantwortlicher Stelle diesen uns aufgezwungenen Daseinskampf auch nur einen Tag länger zu führen wünschte als unbedingt nötig war, so allgemein verbreitet bei hoch und niedrig in Deutschland das lebhafte Gefühl für die riesigen Verluste und Opfer war, die der Krieg unserem Volke und allen Einzelnen auferlegte, und so warm ein Jeder im Deutschen Reiche mitempfand mit denjenigen, die von diesen Opfern in erster Linie betroffen wurden, so gewiß war es, daß all diese Empfindungen und Wünsche ohne lähmenden Einfluß auf die Entschlossenheit und Kraft unseres Volkes waren. Das deutsche Volk wollte diesen Krieg, nachdem er ihm aufgezwungen war, koste es was es wolle, zum siegreichen Ende führen, und es war sich klar bewußt, daß es dazu die Kraft hatte.

Die Entscheidung des Krieges.

Das sicherste Maß zur Beurteilung der Endentscheidung in dem modernen Kriege, der große Feldschlachten als Entscheidung nicht mehr kannte, bot das eroberte Gebiet. Es war, wie schon der russisch-japanische Krieg der Welt deutlich gezeigt hatte, das einzige Mittel zur Entscheidung, wenn es zu keiner völligen Vernichtung des Gegners kam. Wollte man im 15. Kriegsmonat den Wert des von den Zentralmächten besetzten Gebietes militärisch festlegen, dann ergab das gesamte besetzte Gebiet in Frankreich, Rußland, Belgien und Serbien ungefähr 470 000 Quadratkilometer mit einer Bevölkerung von 32,7 Millionen Menschen. Das entsprach, da das ganze europäische Gebiet der Entente 6 773 000 Quadratkilometer groß ist, mit einer Bevölkerungsziffer von 277 Millionen, nicht weniger als zwei Fünfteln des europäischen Rußlands oder dem Werte von ganz Italien oder zwei Drittel von England. Es war also ganz bedeutend. Wenn man berücksichtigt, daß diese Resultate nach Kämpfen und Schlachten von beispielloser Größe von den Zentralmächten errungen worden waren, dann erhielt man ein Bild, wie sich der Krieg voraussichtlich entscheiden sollte. Daß dies unsere Feinde noch nicht einsehen wollten, änderte an dieser Tatsache nichts.

Eine russische Wassertransportkolonne in Mesopotamien, wo die Versorgung der Truppen mit frischem Wasser eine der Hauptsorgen war. (Nach engl. Darstellung.)


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