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Der deutsche Kaiser in Nisch.

Ein bedeutsames Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung war es, daß am 18. Januar 1916 der deutsche Kaiser mit dem Zaren Ferdinand von Bulgarien in der bisherigen Hauptstadt Serbiens zusammentraf. Pünktlich um 12 Uhr mittags waren im festlich geschmückten Nisch die beiden Herrscher eingetroffen. Bulgarische Truppen hatten auf dem Bahnsteig die Ehrenkompagnie gestellt. Nach herzlicher Begrüßung begaben sich beide Monarchen in Automobilen zur Zitadelle, wo sie gemeinschaftlich die Parade der dort aufgestellten bulgarischen, mazedonischen und deutschen Truppen abnahmen. Kaiser Wilhelm überreichte dem Zaren Ferdinand den Feldmarschallstab. Der Zar ernannte den Kaiser zum Chef des 12. bulgarischen Infanterie-Regiments. In der Begleitung des Kaisers befanden sich General von Falkenhayn, Generalfeldmarschall von Mackensen, die Generaladjutanten von Plessen, von Lyncker, von Chelius, Admiral von Müller und Oberhofmarschall von Reischach. Außerdem waren General von Seekt und Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg anwesend. Zar Ferdinand war vom Kronprinzen Boris, dem Prinzen Kyrill, dem Generaladjutanten Markoff, den Generalen Bojadjieff, Todoroff und Tantiloff, dem Generalgouverneur Kuttesceff, dem Ministerpräsidenten Radoslawow und dem Gesandten Tschaporaschikoff begleitet. Der Eindruck der Feierlichkeit wurde durch das strahlende Sonnenwetter des südlichen Winters verstärkt.

Der erste Besuch Kaiser Wilhelms nach seiner Rückkehr ins Feld galt dem Balkan. Es drängte den Monarchen, die Truppen zu begrüßen, die im Kampfe mit einem zähen Gegner und mit allen Widrigkeiten der Natur sich neuen Ruhm erworben hatten. Und es drängte ihn, die Führer des bulgarischen Volkes auf erobertem Boden zu bewillkommnen, die allen Lockungen und Drohungen des Vierverbandes zum Trotz sich mutig und entschlossen an die Seite der Mittelmächte gestellt hatten. Gerade in diesen Tagen war der Welt durch Montenegros Unterwerfung der Beweis geliefert worden, wie weise und klug Bulgariens König und Bulgariens Staatsmänner gehandelt hatten; stark und mächtig gebot heute Bulgarien über das erstrebte Mazedonien; die Freunde des Vierverbandes aber sahen sich verlassen: der eine suchte landflüchtig unter den französischen und englischen Kanonen in Saloniki Schutz (wie lange die ihm dort noch Schutz gewährten, vermochte niemand zu sagen); der andere aber ergab sich auf Gnade und Ungnade. Und diese Eindrücke gaben der Begegnung in Nisch erst den rechten Hintergrund: der gemeinsame Erfolg stärkte und kräftigte das Bündnis. Und wenn die Deutschen, die Bulgaren und, nicht zu vergessen, die von der serbischen Gewaltherrschaft befreiten Mazedonier an den beiden Herren vorbeimarschierten, so stellte sich in ihrer entschlossenen Kraft der Wille zweier durch Kampf und Sieg eng verbundenen Völker dar. Und dieser Wille hieß: »Durchhalten bis zum endlichen Sieg!« Die Ernennung König Ferdinands zum preußischen Feldmarschall aber festigte von neuem die engen Beziehungen, die den Organisator der bulgarischen Armee schon seit mehreren Jahren als Chef des 72. Infanterie-Regiments in Torgau und Eilenburg mit unserem Heere verbanden.

Aus Sofia wurde zu dem Kaiserbesuch in Nisch noch gemeldet: »Der Kaiser hat allen selbständigen Truppenbefehlshabern und vielen höheren Offizieren der bulgarischen Armee das Eiserne Kreuz verliehen. Ministerpräsident Radoslawow erhielt das Großkreuz des Roten Adlerordens. Bei der zu Ehren des Besuches Kaiser Wilhelms in Nisch veranstalteten Parade über die vereinigten Truppen zeigte der Kaiser ganz besonderes Interesse für die mazedonischen Abteilungen, die zum größten Teil aus ehemaligen Parteigängern gebildet waren. Der Kaiser unterhielt sich mit jedem Offizier und jedem Soldaten und fragte sie, ob sie zufrieden seien, daß ihr Land befreit sei. Am Schlusse der Parade überreichte der Kaiser, wie bereits erwähnt, König Ferdinand den Feldmarschallstab, wobei er auf deutsch sagte, er sei begeistert von der Tapferkeit der bulgarischen Armee und ihrer glänzenden Teilnahme an dem gemeinsamen Werke. Er bitte den König, den Marschallstab als Zeichen der Dankbarkeit der deutschen Armee anzunehmen. Der König antwortete auf bulgarisch, er sei stolz darauf, sein Heer an der Seite des heldenhaften, ruhmbedeckten deutschen Heeres kämpfen zu sehen und sei überzeugt, daß ihr Zusammenwirken es den beiden Ländern ermöglichen werde, das zu verlangen, worauf sie ein Recht hätten; er werde den Marschallstab mit Stolz tragen.

Halbamtlich wurde uns dazu noch geschrieben:

Von der hochragenden Felsenkanzel der Belgrader Zitadelle hatte der Deutsche Kaiser das Kampfgelände der Donau und Save in Augenschein genommen. Ein winterklarer blauer Himmel begrüßte den Kaiser in der einstigen serbischen Residenz, die auf den Hängen aufeinandergetürmten weißen Häuserreihen waren in flutenden Sonnenschein getaucht. Gegen 9 Uhr lief der Hofzug von Nisch her ein. Eine österreichisch-ungarische Ehrenkompagnie stand vor dem Bahnhofsgebäude und salutierte unter Fanfarenklängen. Geschütze sandten von den donnergewohnten Höhen den Ehrengruß. Der Kaiser fuhr zunächst zu der Belgrader Eisenbahnbrücke. Das gewaltige Werk wurde eingehend besichtigt, auf jede technische Einzelheit erstreckte sich das fachkundige Interesse des Kaisers. Die Fahrt ging sodann unter Führung des österreichischen Gouverneurs und des Festungskommandanten am Konak vorbei zum Kalimegdan. Festlich gekleidetes Publikum bewegte sich ungehindert durch die Straßen. Seitdem Kaiser Barbarossa auf der Fahrt ins Heilige Land mit 100.000 Rittern hier Parade gehalten, hat kein deutscher Kaiser mehr auf der Belgrader Zitadelle gestanden. Auf ihrem Vorsprung hoch über der Einmündung der Save in die Donau berichtete ein Generalstabsoffizier dem obersten Kriegsherrn über den Donau- und Save-Uebergang. Von Belgrad fuhr der Kaiser zu Truppen eines Korps, dem die schwere Aufgabe des Save-Ueberganges zugefallen war. Konnte es für diese eine freudigere Ueberraschung und Genugtuung geben? Auf das Kriegsbild des Kalimegdan folgte das militärische Schauspiel. Auf befreundetem Boden in einem offenen Viereck standen die Regimenter, blitzblank und ausgeruht, als kämen sie aus der Rekrutenstube. In eindrucksvollen Worten sprach ihnen der Kaiser seine Anerkennung, seinen Dank und seinen Glückwunsch für ihre hervorragenden Leistungen aus. Er überreichte selbst die Eisernen Kreuze an die Auserwählten und hatte für jeden ein Wort persönlicher Anteilnahme. Auch die Bevölkerung nahm innerlich Anteil. In ungarischen Dörfern flatterten die Fahnen, läuteten die Kirchenglocken.

Einschiffung serbischer Flüchtlinge im Hafen von Saloniki.

Bei der Begegnung in Nisch richtete bei der Tafel Zar Ferdinand an Kaiser Wilhelm folgende Ansprache: »Voll geschichtlicher Bedeutung ist der heutige Tag. Heute vor 215 Jahren setzte sich Euerer Majestät großer Vorfahre, Friedrich I., mit machtvoller Hand die Königskrone Preußens aufs Haupt. Am 18. Januar 1871 erstand unter Euerer Majestät Großvater das neue Deutsche Reich: Wilhelm der Große erneuerte zu Versailles die deutsche Kaiserwürde. Heute, am 18. Januar 1916, durchfährt sein glorreicher Enkel, nachdem dessen Machtwort alle Hindernisse hinweggefegt, den einst von Serben bewohnten Teil der nordwestlichen Balkan-Halbinsel und betritt siegreichen Schrittes das römische Castrum Nissa. Hier, umgeben von ihren Heeren, begegnen sich die Herrscher zweier verbündeter Länder auf einem Boden, der bis vor 30 Jahren rein bulgarisch war und jetzt durch unserer gemeinsamen Waffen Erfolg Bulgarien wieder zurückgegeben ist. In meinem Namen, in dem meines Heeres und im Namen meines Volkes spreche ich Euerer Majestät unseren Dank aus für die uns erwiesene hohe Ehre des Besuches und heiße ich den Deutschen Kaiser in der Geburtsstadt Konstantins des Großen herzlich willkommen. Um so größere Bedeutung hat Euerer Majestät Besuch für mein Land, als er mitten in den gewaltigen Stürmen des Weltkrieges stattfindet, in dem das bulgarische Volk sein eigenes Schicksal mit dem des deutschen Volkes verbunden hat, um der gerechten Sache der Zentralmächte beizustehen und seine berechtigten nationalen Ansprüche gleichzeitig zu erreichen. Zur Verwirklichung dieses Zieles ist auf Euerer Majestät Befehl, gemeinsam mit unseren tapferen österreichisch-ungarischen Verbündeten, das ruhmgekrönte deutsche Heer mit meinen Bulgaren in den Kampf getreten, in dem unsere Krieger ihre glänzenden militärischen Tugenden offenbart haben. Die Welt hat mit Staunen und Bewunderung die Kraft Deutschlands und seiner Verbündeten kennen gelernt und glaubt an die Unbesiegbarkeit des deutschen Heeres unter der Leitung und Führung seines Kaisers. Ich erhebe das Glas auf die kostbare Gesundheit und das fernere Wohlergehen Euerer Majestät, des erlauchten Kriegsherrn des deutschen Heeres, meines mächtigen und teueren Verbündeten, mit dem Segenswunsche, daß das Jahr 1916 uns durch einen dauerhaften Frieden die heiligen Früchte unserer Siege bringen möge, einen Frieden, der es meinem Volke gestattet, in Zukunft auch ein treuer Mitarbeiter an Werken der Kultur zu werden. Wenn uns das Schicksal eine Fortsetzung des Krieges auferlegt, so wird mein Volk in Waffen gerüstet sein, bis zum Schlusse seine Pflicht zu erfüllen: Ave imperator, caesar et rex, victor et gloriose, ex Naissus antiqua omnes orientis populi te salutant, redemptorem ferentem oppressis prosperitatem atque salutem – vivas!« (»Heil Dir, Feldherr, Kaiser und König, aus dem alten Naissus (Nisch) begrüßen Dich alle Völker des Orients, dem Befreier von Unterdrückung Glück und Heil – Du sollst leben!«)

Die Ansprache, mit der Kaiser Wilhelm den Trinkspruch des Zaren Ferdinand beantwortete, lautete: »Euere Majestät haben auf das Datum des heutigen Tages besondere Rücksicht zu nehmen geruht, an drei wichtige Epochen anknüpfend, die mit diesem Tage zusammenfallen. Oftmals habe ich diesen denkwürdigen und stets gleich bedeutsamen Tag sowohl als junger Mensch an der Seite meines Großvaters und späterhin selbst als Herrscher in Mitte der Ordensritter festlich begangen. Nunmehr zum zweiten Male durch Gottes Ratschluß feiere ich denselben Tag im Felde. Auf althistorischem Boden, durch bulgarische Tapferkeit ein herrliches Stück Land erkämpft, empfangen vom König inmitten seiner tapferen Truppen und seiner glorreichen Führer, geehrt durch Euere Majestät mit dem hohen Orden, vor allem aber mit der Chefstelle des 12. Balkan-Infanterie-Regiments, so haben Euere Majestät mir die Feier gestaltet, wie sie schöner zu erwarten ich nicht imstande gewesen wäre. Der heutige Tag hat mir die Erfüllung eines lange gehegten Wunsches gebracht, und die soeben gehörten gütigen Worte Euerer Majestät bezeugen, daß wir auch in der Bewertung dieser Stunde von gleichen Gefühlen durchdrungen sind. Herausgefordert von Gegnern, die das friedliche Gedeihen Deutschlands und Oesterreich-Ungarns neideten und in frivolster Weise die kulturelle Entwickelung ganz Europas aufs Spiel setzten, um uns und unsere treuen Bundesgenossen bis in die Wurzeln unserer Kraft zu treffen, standen wir in hartem Kampf, der sich bald noch weiter ausdehnte, als die Türkei, von den gleichen Feinden bedroht wie wir, an unsere Seite trat und in zähem Ringen ihre Weltstellung sicherte. Da erkannte Euerer Majestät Weisheit die Stunde für Bulgarien, seine alten guten Rechte geltend zu machen und dem tapferen Lande die Wege zu einer herrlichen Zukunft zu ebnen. In treuer Waffenbrüderschaft mit den Verbündeten begann der glänzende Siegeszug Euerer Majestät in Waffen gerüsteten Volkes, das unter Leitung seines erlauchten Kriegsherrn ein hehres Ruhmesblatt nach dem anderen in die Geschichte Bulgariens einfügte. Um den Gefühlen, die für solche Taten in mir und in ganz Deutschland leben, sichtbaren Ausdruck zu geben, habe ich Euere Majestät gebeten, die Würde eines preußischen Feldmarschalls anzunehmen, und bin mit meiner Armee glücklich, daß Euere Majestät mit der Annahme auch in diesem besonderen Sinne einer der Unseren geworden sind. Mit Gottes gnädiger Hilfe ist hier und auf allen Fronten Großes, Bewundernswertes erreicht. Gefühle heißen Dankes gegen den Allmächtigen empfinde ich, daß es mir heute vergönnt ist, an dieser historischen, jetzt durch tapferes Blut neugeweihten Stätte inmitten unserer siegreichen Truppen Euerer Majestät Hand zu drücken und Euerer Majestät Wort zu vernehmen, aus dem der feste Entschluß hervorleuchtet, einen erfolgreichen Frieden zu erkämpfen und unter den Segnungen desselben die im Sturm besiegelte treue Freundschaft fortzusetzen in ebenso getreuer gemeinsamer Arbeit an den hohen Aufgaben, die uns die Sorge für die Wohlfahrt unserer Völker auferlegt. Mit der festesten Zuversicht fasse auch ich diese Ziele ins Auge und erhebe mein Glas, um zu trinken auf das Wohl Euer Majestät und Euer Majestät Hauses, auf den Sieg des ruhmgekrönten bulgarischen Heeres und die Zukunft Bulgariens.«

Ueberschwemmtes englisches Lager am Tigris. Die englische Heeresabteilung, die gegen Bagdad vordrang, wurde bekanntlich von den Türken geschlagen und nach Kut-el-Amara zurückgeworfen, wo sie eingeschlossen wurde. (Nach einer englischen Darstellung.)


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