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Aus der deutschen Antwort an Amerika.

Der Präsident Wilson der nordamerikanischen Union hatte sich über den deutschen Unterseebootskrieg beschwert und drohte uns mit Krieg.

Die Deutsche Regierung gab darauf der amerikanischen in einem langen Schriftstück Antwort, aus dem wir nur die wichtigsten Sätze hervorheben:

»Es sind die deutschen Seestreitkräfte angewiesen, den Unterseebootkrieg nach den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen über die Anhaltung, Durchsuchung und Zerstörung von Handelsschiffen zu führen, mit der einzigen Ausnahme des Handelskrieges gegen die im englischen Kriegsgebiet betroffenen feindlichen Frachtschiffe, deretwegen der Regierung der Vereinigten Staaten niemals, auch nicht durch die Erklärung vom 8. Februar 1916, eine Zusicherung gegeben worden ist. Einen Zweifel daran, daß die entsprechenden Befehle loyal gegeben worden sind und loyal ausgeführt werden, kann die Deutsche Regierung Niemandem gestatten. Irrtümer, wie sie tatsächlich vorgekommen sind, lassen sich bei keiner Art der Kriegführung ganz vermeiden und sind in dem Seekrieg gegen einen Feind, der sich aller erlaubten und unerlaubten Listen bedient, erklärlich. Aber auch abgesehen von Irrtümern birgt der Seekrieg genau wie der Landkrieg für neutrale Personen und Güter, die in den Bereich der Kämpfe gelangen, unvermeidliche Gefahren in sich. Selbst in Fällen, in denen die Kampfhandlung sich lediglich in den Formen des Kreuzerkrieges abgespielt hat, sind wiederholt neutrale Personen und Güter zu Schaden gekommen. Auf die Minengefahr, der zahlreiche Schiffe zum Opfer gefallen sind, hat die Deutsche Regierung wiederholt aufmerksam gemacht.

Die Deutsche Regierung hat der Regierung der Vereinigten Staaten mehrfach Vorschläge gemacht, die bestimmt waren, die unvermeidlichen Gefahren des Seekrieges für amerikanische Reisende und Güter auf ein Mindestmaß zurückzuführen. Leider hat die Regierung der Vereinigten Staaten geglaubt, auf diese Vorschläge nicht eingehen zu sollen; andernfalls würde sie dazu beigetragen haben, einen großen Teil der Unfälle zu verhindern, von denen inzwischen amerikanische Staatsangehörige betroffen worden sind. Die Deutsche Regierung hält auch heute noch an ihrem Angebot fest, Vereinbarungen in dieser Richtung zu treffen.

Entsprechend den wiederholt von ihr abgegebenen Erklärungen kann die Deutsche Regierung auf den Gebrauch der Unterseebootwaffe auch im Handelskrieg nicht verzichten. Wenn sie sich heute in der Anpassung der Methoden des Unterseebootkrieges an die Interessen der Neutralen zu einem weiteren Entgegenkommen entschließt, so sind für sie Gründe bestimmend, die sich über die Bedeutung der vorliegenden Streitfrage erheben.

Die Deutsche Regierung mißt den hohen Geboten der Menschlichkeit keine geringere Bedeutung bei als die Regierung der Vereinigten Staaten. Sie trägt auch voll Rechnung der langen gemeinschaftlichen Arbeit der beiden Regierungen an einer von diesen Geboten geleiteten Ausgestaltung des Völkerrechts, deren Ziel stets die Beschränkung des Land- und Seekrieges auf die bewaffnete Macht der Kriegführenden und die tunlichste Sicherung der Nichtkämpfenden gegen die Grausamkeiten des Krieges gewesen ist. Für sich allein würden jedoch diese Gesichtspunkte, so bedeutsam sie sind, für die Deutsche Regierung bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge nicht den Ausschlag geben können.

Denn gegenüber dem Appell der Regierung der Vereinigten Staaten an die geheiligten Grundsätze der Menschlichkeit und des Völkerrechts muß die Deutsche Regierung erneut und mit allem Nachdruck feststellen, daß es nicht die deutsche, sondern die britische Regierung gewesen ist, die diesen furchtbaren Krieg unter Mißachtung aller zwischen den Völkern vereinbarten Rechtsnormen auf Leben und Eigentum der Nichtkämpfer ausgedehnt hat, und zwar ohne jede Rücksicht auf die durch diese Art der Kriegführung schwer geschädigten Interessen und Rechte der Neutralen und Nichtkämpfenden. In der bittersten Notwehr gegen die rechtswidrige Kriegführung Englands, im Kampf um das Dasein des deutschen Volkes hat die deutsche Kriegführung zu dem harten, aber wirksamen Mittel des Unterseebootkrieges greifen müssen. Bei dieser Sachlage kann die Deutsche Regierung nur erneut ihr Bedauern darüber aussprechen, daß die humanitären Gefühle der amerikanischen Regierung, die sich mit so großer Wärme den bedauernswerten Opfern des Unterseebootkrieges zuwenden, sich nicht mit der gleichen Wärme auch auf die vielen Millionen von Frauen und Kindern erstrecken, die nach der erklärten Absicht der englischen Regierung in den Hunger getrieben werden und durch ihre Hungerqualen die siegreichen Armeen der Zentralmächte zu schimpflicher Kapitulation zwingen sollen. Die Deutsche Regierung und mit ihr das deutsche Volk hat für dieses ungleiche Empfinden um so weniger Verständnis, als sie zu wiederholten Malen sich ausdrücklich bereit erklärt hat, sich mit der Anwendung der Unterseebootwaffe streng an die vor dem Krieg anerkannten völkerrechtlichen Normen zu halten, falls England sich dazu bereit findet, diese Normen gleichfalls seiner Kriegführung zu Grunde zu legen. Die verschiedenen Versuche der Regierung der Vereinigten Staaten, die Großbritannische Regierung hierzu zu bestimmen, sind an der strikten Ablehnung der britischen Regierung gescheitert. England hat auch weiterhin Völkerrechtsbruch auf Völkerrechtsbruch gehäuft und in der Vergewaltigung der Neutralen jede Grenze überschritten. Seine letzte Maßnahme, die Erklärung deutscher Bunkerkohle als Bannware, verbunden mit den Bedingungen, zu denen allein englische Bunkerkohle an die Neutralen abgegeben wird, bedeutet nichts anderes als den Versuch, die Tonnage der Neutralen durch unerhörte Erpressung unmittelbar in den Dienst des englischen Wirtschaftskrieges zu zwingen.

Das deutsche Volk weiß, daß es in der Hand der Regierung der Vereinigten Staaten liegt, den Krieg im Sinne der Menschlichkeit und des Völkerrechts auf die Streitkräfte der kämpfenden Staaten zu beschränken. Die amerikanische Regierung wäre dieses Erfolges sicher gewesen, wenn sie sich entschlossen hätte, ihre unbestreitbaren Rechte auf die Freiheit der Meere England gegenüber nachdrücklich geltend zu machen. So aber steht das deutsche Volk unter dem Eindruck, daß die Regierung der Vereinigten Staaten von Deutschland in dessen Existenzkampf die Beschränkung im Gebrauch einer wirksamen Waffe verlangt, und daß sie die Aufrechterhaltungen ihrer Beziehungen zu Deutschland von der Erfüllung dieser Forderung abhängig macht, während sie sich gegenüber den völkerrechtswidrigen Methoden seiner Feinde mit Protesten begnügt. Auch ist dem deutschen Volke bekannt, in wie weitem Umfang unsere Feinde aus den Vereinigten Staaten mit Kriegsmitteln aller Art versehen werden.

Unter diesen Umständen wird es verstanden werden, daß die Anrufung des Völkerrechts und der Gefühle der Menschlichkeit im deutschen Volke nicht den vollen Widerhall finden kann, dessen ein solcher Appell hier unter anderen Verhältnissen stets sicher ist. Wenn die Deutsche Regierung sich trotzdem zu einem äußersten Zugeständnis entschließt, so ist für sie entscheidend einmal die mehr als hundertjährige Freundschaft zwischen den beiden großen Völkern, sodann aber der Gedanke an das schwere Verhängnis, mit dem eine Ausdehnung und Verlängerung dieses grausamen und blutigen Krieges die gesamte zivilisierte Menschheit bedroht.

Das Bewußtsein der Stärke hat es der Deutschen Regierung erlaubt, zweimal im Laufe der letzten Monate ihre Bereitschaft zu einem Deutschlands Lebensinteressen sichernden Frieden offen und vor aller Welt zu bekunden. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, daß es nicht an ihr liegt, wenn den Völkern Europas der Friede noch länger vorenthalten bleibt. Mit um so stärkerer Berechtigung darf die Deutsche Regierung aussprechen, daß es vor der Menschheit und der Geschichte nicht zu verantworten wäre, nach 21-monatiger Kriegsdauer die über den Unterseebootkrieg entstandene Streitfrage eine den Frieden zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Volke ernstlich bedrohende Wendung nehmen zu lassen. Einer solchen Entwicklung will die Deutsche Regierung, soweit es an ihr liegt, vorbeugen. Sie will gleichzeitig ein letztes dazu beitragen, um – solange der Krieg noch dauert – die Beschränkung der Kriegführung auf die kämpfenden Streitkräfte zu ermöglichen; ein Ziel, das die Freiheit der Meere einschließt und in dem sich die Deutsche Regierung mit der Regierung der Vereinigten Staaten auch heute noch einig glaubt.

Von diesem Gedanken geleitet, teilt die Deutsche Regierung der Regierung der Vereinigten Staaten mit, daß Weisung an die deutschen Seestreitkräfte ergangen ist, in Beobachtung der allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätze über Anhaltung, Durchsuchung und Zerstörung von Handelsschiffen auch innerhalb des Seekriegsgebiets Kauffahrteischiffe nicht ohne Warnung und Rettung der Menschenleben zu versenken, es sei denn, daß sie fliehen oder Widerstand leisten.

In dem Daseinskampf, den Deutschland zu führen gezwungen ist, kann ihm jedoch von den Neutralen nicht zugemutet werden, sich mit Rücksicht auf ihre Interessen im Gebrauch einer wirksamen Waffe Beschränkungen aufzuerlegen, wenn seinen Gegnern gestattet bleibt, ihrerseits völkerrechtswidrige Mittel nach Belieben zur Anwendung zu bringen. Ein solches Verlangen würde mit dem Wesen der Neutralität unvereinbar sein. Die Deutsche Regierung ist überzeugt, daß der Regierung der Vereinigten Staaten eine derartige Zumutung fernliegt; dies entnimmt sie aus der wiederholten Erklärung der Amerikanischen Regierung, daß sie allen Kriegführenden gegenüber die verletzte Freiheit der Meere wiederherzustellen entschlossen sei.«


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