Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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Vorwort

Man freut sich der Bilder Moritz von Schwinds gemeinhin mit jener schönen Sorglosigkeit, mit der das Volk über den Liedern selbst die Namen der Dichter vergißt. Dies ist, nebenbei, ein gutes Zeichen für die Klarheit, die Selbstverständlichkeit jener Werke, ein Zeugnis für echte Kunst. Gleichwohl würde man sich durch eine genauere Kenntnis von Schwinds Lebensgang und Lebensart auch im Genusse seiner Bilder, die fast alle mit den Ereignissen und Stimmungen seines Lebens zusammenhängen, bereichern können. Wenig aber weiß man von der bedeutenden geistigen Persönlichkeit des Malers, von seiner eigentümlichen, lebhaften Menschlichkeit, am wenigsten – von ein paar Anekdoten abgesehen – von seiner köstlichen Art, sich zu äußern.

Wohl wurden neben dem häufiger genannten als gekannten Briefwechsel mit Mörike, von J. Baechtold herausgegeben, ab und zu vereinzelte Briefe auch den weiteren Kreisen der Öffentlichkeit bekannt gemacht, aber sie boten nicht den völligen Begriff von der besonderen Meisterschaft, mit der Moritz von Schwind außer dem Pinsel und Zeichenstift auch die Schreibfeder geführt hat. Erst in ihrer Gesamtheit, in ihrem Zusammenhange, zeigen sie, daß es sich dabei um mehr als um gewöhnliche und gelegentliche Mitteilungen handelt, nämlich um die überaus feine und deutliche Spiegelung der Dinge und Menschen in einer ungewöhnlich befähigten und tätigen Individualität. Ihr sachlicher, sozusagen geschichtlicher Gehalt ist mindestens nicht gering zu schätzen, gemäß der bedeutenden Stellung, die Schwind in Mitten seiner Zeit und Zeitgenossen eingenommen hatte; ihr höchster Reiz und Wert aber beruht in ihrem persönlichen Charakter.

Bei der Ordnung der verstreuten und entlegenen Briefe zeigte sich, daß der Maler nur von Zeit zu Zeit zur Feder griff, dann aber an einem einzigen Tage Dutzende von Seiten schrieb, mit sichtbar guter, mitunter auch übler Laune, in jedem Falle mit Laune. Das Bedürfnis, sich mitzuteilen, sich Luft zu machen, ist bei diesem leidenschaftlichen Menschen immer mächtig gewesen. »Mir ist so wohl, wenn ich Dir schreiben kann«, bekennt der Jüngling seinem Lebensfreunde Franz von Schober, und »nur verschluckten Ärger kann ich nicht vertragen«, schreibt noch der Greis an Eduard Mörike, den Freund seines Alters. Schwinds Briefe sind erfüllt von dem Behagen, mit dem – nach seiner eigenen Forderung – ein Brief geschrieben sein muß, wenn er sein Postgeld wert sein soll. Mitunter aber gewinnt »der Ingrimm ein Vorrecht,« dann mag man sich eines Wortes erinnern, das der Meister nach einer allzu derben, von Genelli abgelehnten Kritik der belgischen Schule an diesen gerichtet hat, nämlich: »daß, was ich so hinschreibe, nicht beurteilt werden muß wie ein abgeschlossenes, überlegtes Ding, wie es Urteilschreiber von Profession gewohnt sind, sondern als ein Wort des Augenblicks, an dem die Stimmung ebensoviel Anteil hat, als die Überlegung.« – Daß aber auch solche Äußerungen, selbst wenn sie von der Entwicklung der Dinge ins Unrecht gesetzt worden sind, wegen ihrer kulturhistorischen Perspektive interessant und wegen ihres Temperamentes erfreulich bleiben: dies versteht sich wohl von selbst.

Schon im Kreise der Jugendfreunde stand Schwind als »der witzigste der Wiener« im Mittelpunkt und sein ganzes Leben lang entzückte er durch seine anregende, liebenswürdige Galligkeit. »Als ich im Jahre 1835 in München war,« erzählt Graf Raczynski in seiner Geschichte der neueren deutschen Kunst, »traf ich Schwind dort nicht an, aber schon damals hörte ich ihn rühmen, als einen Mann von satyrischem, lebhaftem und eigentümlichem Geiste, und begabt mit dem glücklichen Sinne, das Leben leicht und fröhlich zu nehmen, welcher Sinn den Wienern so wesentlich eigen ist.« In ungezählten Anekdoten ist Schwinds unerschrockener, prächtiger Witz, seine nie fehlende Schlagfertigkeit überliefert. »Es vergeht kein Tag,« bestätigt der Kupferstecher Julius Thäter in seinen Lebenserinnerungen, »wo er nicht einen schlagenden Witz gebärt, und ich wünschte, mein Gedächtnis könnte alle diese oft höchst ergötzlichen Spitzen behalten.« W. H. Riehl aber berichtet, daß auch die Bilder Schwinds, die gemalten Erzählungen, niemand besser und gewinnender als dieser selbst zu erklären vermochte; »es stand ihm jener schlicht treuherzige Vortrag der Sage und des Volksmärchens, der seinen Bildern ihren wärmsten Reiz verleiht, im Wort ebensogut wie mit dem Pinsel zu Gebote.«

Mit all dem ist auch das Wesen der Briefe bezeichnet: vollkommene Aufrichtigkeit und gebildete Natürlichkeit, Wärme und Lebhaftigkeit der Empfindung, Schärfe der Auffassung, Geist und Humor, das sind ihre besten Eigenschaften. Ihr behaglicher Vortrag, ihr fein auf das Wesen des Schreibers und Empfängers abgestimmter Ton, ihre Anschaulichkeit und oft geniale Treffsicherheit und urwüchsige Kraft des Ausdrucks geben ihnen vollends eigenen, literarischen Wert – wie ich ungern, doch gemeinverständlich sage – und berechtigen, das Scherzwort »in meinem lehrreichen und berühmten Briefstil«, das Schwind Mörike gegenüber von ihnen gebraucht hatte, in heiteren Ernst zu wenden.

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Noch zwei Jahre vor seinem Tode schrieb Moritz von Schwind an seine Tochter: »Du mußt wissen, daß dieses Monat, und es ist noch nicht aus, schon über achtzig Briefe angekommen und abgegangen sind.« Er hat in seinem langen Leben ganze Bände von Episteln geschrieben. Vielleicht wird es einmal Zeit, sie in einer kritischen Gesamtausgabe zu sammeln, zunächst aber, in diesem Büchlein, soll es nicht in erster Linie aufs Geschichtliche, nicht aufs Wissen ankommen, sondern aufs Menschliche, auf den Charakter, auf Genuß und Erlebnis. Nach dieser besonderen, wohlüberlegten Absicht hatte sich die, im übrigen völlig freie, beschränkende Auswahl unter den zu Gebote stehenden Briefen und innerhalb derselben zu richten; ihr hatten sich alle andern Interessen in dem Maße unterzuordnen, daß fast zwei Drittel des Gesammelten und selbst bisher ungedruckte Funde zur Seite gelegt wurden.Meine Bearbeitung des Briefwechsels Schwinds mit dem Grafen Raczynski fand im 27. Bande der Österreichischen Rundschau eine Stätte. Die hiebei entbehrlichen Stellen, Unwichtigsten, Wiederholungen u. dgl., konnten ohne Störung des Zusammenhangs und darum auch ohne Störung des Satzbildes (durch die sonst beliebten die Auslassungen bezeichnenden Punkte) ausgeschieden werden. Einen Niederschlag jenes reichlichen nicht unmittelbar brauchbaren Materials aber findet man außer in den Fußnoten in den Ein- und Überleitungen des Herausgebers, die im übrigen lediglich die zum völligen Verständnis und zur rechten Würdigung der Briefe notwendigen Ergänzungen und Erläuterungen bieten wollen.

Die Grundsätze und Freiheiten des Herausgebers müssen sich durch ihr Ergebnis selbst rechtfertigen, nur noch die Ausscheidung der Jugendbriefe, die mancher, der Freundschaft Schwinds mit Franz Schubert gedenkend, bedauern könnte, sei erklärt: jene Jugendbriefe voll Überschwang und Gärung hatten hier schon darum keinen Platz, weil es sich nicht um die Entwicklung, sondern um das endgültige Wesen Schwinds handeln sollte; auch würde jenes köstliche, genialische Treiben der Schubertfreunde aus den wenigen davon handelnden Briefen Schwinds gar nicht zu erkennen sein, und seine Vergegenwärtigung muß, da sie auf andere Urkunden, zerstreute Korrespondenzen, Memoiren und Tagebücher, angewiesen ist, einer besonderen Darstellung vorbehalten bleiben.

Daß alles, was der Leichtverständlichkeit und dem unbefangenen Genuß entgegen stand, aus dem Wege geräumt und z. B. die krause Orthographie und Interpunktion des eigenwilligen Malers, der kaum einen Namen richtig schrieb, sorgfältig berichtigt wurde, war eine in der Bestimmung dieses Buches liegende Forderung. Nur dort, wo in der Falschschreibung eine launige Absicht war, wurde sie beibehalten, so wenn der Meister seinen Freund Schaller als Schiller behandelt, oder wenn er das Wort Maecen in den absonderlichsten Abweichungen vorführt, um zu zeigen, daß er die Gelegenheit gehabt habe, es richtig schreiben zu lernen. Aus gleicher Rücksicht auf einen weiteren Leserkreis wurde den Proben von Schwinds Italienisch und »klassischer Latinität« die deutsche Uebersetzung beigefügt.

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Mit Dankbarkeit nenne ich an dieser Stelle noch jene Männer, welche diese Arbeit mit Tat und Rat gefördert haben: Vor allen Professor Dr.  Hyacinth Holland, den gründlichsten und feinsten Kenner Schwinds und seiner Zeit; er hat nicht nur die Briefe an Franz von Schober, mit denen seine in sich vortreffliche Biographie des Meisters aufgebaut ist, sowie die meisten der Briefe an Bauernfeld (erstmals im Jahrbuch der Grillparzergesellschaft mitgeteilt), und jene an Ludwig Schaller (aus Bettelheims Biographischen Blättern) zur Verfügung gestellt, sondern er hat mich auch unablässig aufgemuntert, die vielfach gefährdete Arbeit zu vollenden. Dr.  Moritz Necker verdanke ich, außer manchem Winke, mehrere Briefe an Bauernfeld, sowie jene an Julius Hähnel, und Alois Trost die zuerst von ihm im Jahrbuch der Grillparzergesellschaft mitgeteilten Episteln an Frau und Fräulein von Frech, sowie einen Brief an Ludwig Richter. Dank schulde ich auch Regierungsrat Dr.  Karl Glossy, dem Herausgeber jenes wertvollen Jahrbuches und Bearbeiter der überaus wichtigen Tagebücher Eduard von Bauernfelds, sowie, für freundlich beratende Teilnahme, Dr.  Anton Bettelheim. Endlich weise ich auf den Moritz von Schwind gewidmeten, von Dr.  Otto Weigmann trefflich bearbeiteten Band der »Klassiker der Kunst« hin: er ist den ernsthaften Freunden des Meisters unentbehrlich.

Aus dem Anteil der Genannten und dem Interesse einer großen Anzahl weiterer Personen, mit denen mich die Vorarbeiten in Berührung brachten, darf ich schließen, daß das Unternehmen, den Menschen Schwind in seinen Briefen aufzusuchen und der weiteren Öffentlichkeit vorzustellen, willkommen, und daß der Weg, den ich dazu endlich einschlug, der rechte war.

München, Herbst 1911

Walther Eggert Windegg


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