Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 11. Mai 1869 (an Mörike)

Sehr verehrter Freund! Es war nicht meine Absicht, Sie zum Schreiben zu forcieren, gleichwohl ist es aber geschehen. Insofern ist mir ganz recht geschehen, daß ich die schauderösen Verse an Gryllos habe lesen müssen, die mir keinen schlechten Schrecken verursacht haben. »Stirb sodann«, das ließe ich mir noch gefallen, aber »werde Asche«, das ist zu viel verlangt. Es hat überhaupt noch gar keine Eile bei mir, denn trotz den ruchlosen Verlegern finde ich es auf der Welt gar nicht übel, namentlich wenn sie so schön grün wird.

Exemplare »Das Pfarrhaus von Cleversulzbach« wird Ihnen die Kunsthandlung zustellen lassen, da ich selber dieser Tage verreise, um meinem Sohn einen Besuch in der Nähe von Belgrad abzustatten. Auch nicht übel. Von seinen Fenstern sieht er über die Pußta weg am Horizont den Balkan!

Mir tut eine Erholung not, denn ich arbeite seit dem neuen Jahr an der vertrackten Melusina und zwar diesmal an der ganzen Reihe zugleich – natürlich, da es eigentlich ein einziges Bild ist, neunzehn Zoll hoch und dabei vierzig Fuß lang – bis da nur alle Einteilungsgeschichten und Motive bestanden waren, das hat was gebraucht. Eins ist bei so langen Geschichten ärgerlich, daß so mancher kleinere Gedanke unter den Tisch fällt. Was ist aber zu machen!

Wollen Sie mir einen recht großen Gefallen tun? Es ist weder ein Brief, noch ein Gedicht, noch eine Hafnerarbeit – und doch von allem etwas. Wir haben eine junge Freundin, Lachners Tochter, ein Mädl, die gewöhnlich nicht viel spricht, aber schön und liebenswürdig ist wie wenige. Die erklärt frischweg: »Schön Rohtraut« sei das allerschönste Gedicht auf der ganzen Welt, und sie ist in der Literatur bewandert. Möchten Sie es nicht eigenhändig für sie abschreiben? Sonderbare Zumutung! Aber Sie machen dieses treffliche Wesen glücklich. Wollen Sie einen Groschen dranwenden und es ihr selber schicken, so heißt sie Frl. Mimi Lachner, München, Dienersgasse Nr. 11, 3 St. Wollen wir sehen, was Sie tun.

Die Szene mit dem Prior und der dicken WirtinAus der Historie von der schönen Lau. hab ich koloriert! Das ist zu lustig. Sie werden's schon sehen.

Sonst ist die Frau von dem heillosen Zahnweh frei! Gott sei's getrommelt und gepfiffen. Vielleicht reist sie bis Wien mit. Wenn ich also da unten nicht erschlagen werde al solito, habe ich in vierzehn Tagen oder so was wieder die Ehre. M. Schwind.


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