Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, Juni 1848 (an Thäter)

Liebster Freund Thäter! So bald stelle ich kein Bild wieder aus, wenn die Leute gleich Monate herumgehen lassen, bis es an Ort und Stelle kommt. Wegen des Firnissens schmeichelte ich mir bisher, ich würde an Peter und Paul nach Berlin reisen können, um Cornelius zu gratulieren, und bei dieser Gelegenheit nach Dresden kommen und noch ein paar Striche an dem Bilde machen. Wer mag aber jetzt reisen und vollends in einen so verrückten Ort wie Berlin! Also immerhin den Dreck herunter und Firniß hinauf. Freund Richter bin ich für seine Teilnahme an dieser spassigen Arbeit sehr dankbar. Man wird einmal einsehen, daß es jetziger Zeit keine Kleinigkeit ist, an den deutschen Elementen festzuhalten. Ich wollte nur, es wäre mehr Talent und Trieb unter den jungen Leuten, so könnte man eher hoffen, daß die Sache durchgeführt und zu Ehren gebracht wird, denn unsereiner ist zu alt und hat zu viel Zeit mit Unsinn verlieren müssen, um etwas Schlagendes leisten zu können. Den heillosen Verwirrungen der Zeit bin ich noch insofern dankbar, als sie einen ganz auf sich selbst verweisen. Nur das Allerinnerlichste gibt jetzt ein Gleichgewicht gegen den Taumel, der sich aller Köpfe bemächtigt hat. Ich hoffe, die hiesige Bürgerschaft hat den Willen, Ruhe zu halten, die Fäuste hat sie jedenfalls dazu – und so mag man wenigstens ohne Sorge vor dem Äußersten der nächsten Zukunft entgegengehen. Zu Hause und ganz heimlich arbeite ich an dem Grafen Gleichen mit seinen beiden Frauen, ein Bild nicht so groß als die Musikanten, aber mit größeren Figuren.

Kannst Du mir vielleicht etwas verschaffen über die Gegend bei Gotha, den Kontur des Thüringer Waldes? oder etwas dergleichen? Ich möchte gern alles recht getreulich machen. Die Charaktere sind diesmal anderer Natur als das Lumpengesindel, das zur Hochzeit zieht, aber nobler. Ich hoffe, meine Freunde werden zufrieden sein. Jedenfalls hoffe ich, dem dummen Geschwätz ein Ende zu machen, daß ich von Farben nichts verstehe – woran mir nie etwas gelegen war. Denn von meinen Beurteilern ist nichts Brauchbares zu lernen, was aber meine Freunde oft mag in Verlegenheit gebracht haben. Auf die Abdrücke freue ich mich sehr. Wie hast Du Dich arrangiert wegen etwaigen weiteren Verkaufs? Bei mir sind alle Bestellungen abgesagt; hätte ich die Fliegenden Blätter nicht, hätte ich nichts zu verdienen. Der Gehalt ist vorderhand besteuert, nächstens wird er verringert. Es wird hübsche Zustände geben, und keine Aussicht auf irgend etwas Vernünftiges. Was macht denn Rietschel? Hähnel?

Gesund ist Gott sei Dank alles bei mir. Das kleine MadelMarie, geboren am 8. September 1847; sie heiratete am 9. September 1867 den Wiener Kinderarzt Dr. Ferdinand Baurnfeind. wird alle Tage liebenswürdiger. In Deinem Zimmer – o schöne Zeiten! wohnt meine Schwiegermutter. In den Stubenvoll, überhaupt ins Wirtshaus gehe ich gar nicht mehr, ich kann das politische Geschwätz nicht aushalten. So wollen wir denn suchen, das wilde Heer über uns wegziehen zu lassen, und uns an der Arbeit freuen, da auf Geld oder Anerkennung nicht zu rechnen ist. Ich werde nach und nach in den Besitz einer hübschen Galerie gelangen. Der König wird schon wieder einmal zu Dir kommen und wird dann das Bild gefirnißt sehen.

Empfiehl uns Deiner Frau, grüße alle Freunde und schreib bald wieder Deinem alten Schwind.


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