Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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Rom, 6. September 1835 (an Schaller)

Lieber Freund Schiler! Gestern kam ich von einem dreiwöchentlichen Ausflug von Neapel zurück, und fand zu meinem großen Vergnügen deinen Brief im Caffé greco. Ich reise Donnerstag 8 Tage (heute ist Sonntag) von hier ab, wahrscheinlich mit bedeutendem Leidwesen, denn so eine Stadt wie Rom gibt es einmal nicht wieder. Ich werde so viel möglich mit der Post reisen, aber mich doch in Padua und Venedig und später bei meinem Bruder in Gmunden und in Linz etwas aufhalten, wie es eben sich tun läßt, und dann nach München kommen, um dort allda zu bleiben, bis der Ritter Kurt fertig ist. Ergibt sich mittlerweile eine Bestellung von König oder Kronprinz, ist es gut, wo nicht, gehe ich mit dem fertigen Bild nach Wien, wo ich schon mein Fortkommen werde zu finden wissen. Eher als ich den Knecht oder Possenreißer mache, suche ich ein Zimmermaler-Gewerb zu kaufen und kann da vielleicht mehr ins Werk setzen. Im äußersten Fall bin ich auf alles gefaßt, will aber das bessere hoffen.

Ich war vierzehn Tage lang in Rom herumgezogen, bis ich endlich abreisen konnte. Die verrückten neapolitanischen Verordnungen gegen die Cholera brachten alle gemachten Verabredungen zunichte. Auch das letzte Mal wiesen sie uns an der Grenze zurück, weil in dem Paß des Kondukteurs eine Kleinigkeit fehlte. Wir mußten anderthalb Tage in Terracina bleiben und zwei Nächte dazu, bis der Paß korrigiert von Rom zurückkam. Die Stadt ist ein interessantes Loch und die Aussichten so schön, daß mir die Zeit nicht lang wurde. Abends badete ich im Meer und rauchte am Fenster einige vergnügliche Pfeifen. In Neapel machte ich es sehr einfach. Morgens ging ich an den Hafen, dann ins Museum, nachmittags schlief ich. Abends ging ich an der Strada nova hinaus und wenn es finster war ins Theater. Einen Tag brachte ich in der Gegend von Puzzeoli zu. In Pompeji war ich allein mit dem jungen [Historienmaler] Rhoden. Den Vesuv zu besteigen gelang mir nicht. Es war viel schlechtes Wetter, mit der Gesellschaft ging es auch nicht zusammen und allein kostet es zu viel. Er rauchte stark, feuerte aber nicht. Wenn man am Meer spazieren gehen kann, braucht man nichts weiter; solche erstaunliche Dinge wie der Vesuv sind für die Engländer, für mich nur in sehr guter Gesellschaft.

Wenn ich bedenke, wie höchst verschiedene Arbeiten ich gesehen, die doch jede einen vollkommenen Eindruck macht, so finde ich mich in der Ansicht ganz bestärkt, daß jeder tun soll wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Das ist aber heutzutage sehr schwer, denn bis man weiß, daß man einen Schnabel hat, ist er von vielem Anstoßen schon ganz verbogen. Wenn du mir noch schreibst, tu' es nach Venedig. Grüße deinen Bruder und Heinrich recht schön und leb wohl. Dein Freund Schwind.


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