Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 14. Mai 1866 (an Bauernfeld)

Liebster Freund! Ich gratuliere Dir, daß Du so etwas Vortreffliches machen kannst als das Gedicht, das Du so freundlich warst mir zu schicken. Das muß den guten Leuten wohl tun. Ich habe jetzt einen alten Freund bei mir im Haus, dem armen Kerl ist seine Frau gestorben und er hat gar niemand mehr, keine Kinder, gar nichts – und soll jetzt mutterseelenallein in der Wohnung sitzen. Ich habe in dem letzten Brief an die Frau Josephine ganz fidel von meinen alten Schwestern geschrieben, als einem verrückten Chor, in das ich sie unmöglich einreihen könne. Von einer habe ich geschwiegen – die hat fünf erwachsene Kinder verloren und keines übrig behalten. Der Schwiegervater hat sich erschossen, der Mann starb aus Kummer über einen Bankerott, der alles verschlungen hat. Die eine Tochter starb mit achtzehn Jahren in der Fremde, die zweite von zwei kleinen Kindern weg, die dritte nach fünfzehnjährigem elenden Kranksein, der eine Sohn am Sumpffieber vor Venedig, der andere gleichfalls Schulden halber ging nach Amerika und ist nicht einmal tot, sondern seit zehn Jahren verschollen. Dann starb noch der Schwiegersohn, bei dem sie lebte, und jetzt hat sie einen Enkel bei sich, ein allergeringstes Einkommen und damit basta. Und schau die Frau an, so ist sie zufrieden, daß sie dem Buben noch behilflich sein kann, und freut sich über jedes kleine Gute, das ihm allenfalls noch zukömmt. Von so einer Reihe von Unglücksfällen kann man, glaub' ich, ein Wort reden. Der Himmel weiß, was ich drum gäbe, wenn ich der armen Frau Josephine von ihrem Kummer was abnehmen könnte, aber es nützt da alles nichts, man darf seinem Schmerz nicht schön tun und muß damit fertig werden. Es sind ja so viele da und so treffliche Freunde, die alle Anteil nehmen, das zählt nicht wenig.

Meine Arbeiten gehen so ziemlich, ich spüre aber das Alter. Von dem großen Zeichnen, wo man so viel stehen muß und den Arm so weit von sich halten, tun mir die Knochen weh.

Lebe recht wohl, empfiehl mich bei Wertheimstein tausendmal und sonst allen Freunden. Dein alter Schwind.


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