Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 7. Januar 1866 (an Mörike)

Hochverehrter Freund! Wenn das neue Jahr nicht dazu da wäre, um bei seinen Freunden wieder anzuklopfen, so könnte es mir eigentlich gestohlen werden. Ich habe der neuen Jahre schon so viele auf dem Buckel und sie fangen an so schnell zu verlaufen, daß deren Schluß, von mir aus, immer zu schnell kommt. Item aber es ist so, und seien wir froh, daß wir gesund und tätig wieder so lang ausgehalten haben.

Im September schrieb ich Ihnen und war veranlaßt abzureisen, und zwar direkt nach Leipzig. Dort machte ich schlechte Geschäfte; denn mein Mäcen, statt einigermaßen anzuerkennen, mit welchem Eifer ich mich seinen Aufträgen hingegeben, legte sich aufs Zweifeln und Kriteln, was ich doch eigentlich nicht mehr gewohnt bin, so daß ich ihm (und das zu meinem Heile) erklärte, wir wollten die ganze Sache gut sein lassen. Zu meiner großen Freude machte ich die Bekanntschaft des alten Musikus Hauptmann, den in des alten Sebastian Bach Wohnung mit einer liebenswürdigsten Familie zu sehen eine Freude fürs Leben ist. Nach Berlin zu unserm alten Cornelius zu gehen, war mir nicht gegönnt; denn ein Unwohlsein, das auf der Reise des Teufels ist, jagte mich in einer Nachtreise zu meiner Tochter, wo ich mich wieder herstellte und einen Tag um den andern liegen blieb, so daß für Stuttgart die Zeit versäumt war. Zu Hause angekommen, fand ich Ihren freundlichen Brief. – Versäumt war's! Ich machte mich an eine Arbeit, die ich vor meiner Abreise schon in Gang gebracht hatte, eine Reihe von Gerätschaften. Spiegel, Uhren, Tintenzeuge und dergl., gegen sechzig Stück. Sie waren fertig und ich war wieder daran, zu Ihnen zu fahren, als mir die Ankunft eines österreichischen Hofrats angekündigt wurde, und zwar dessen, der die Theater-Angelegenheit besorgt. Er kam an und ich übernahm die Herstellung von vierzehn Bildern für das Foyer. Da hieß es denn gleich niedersitzen und tapfer arbeiten, was auch ganz gut gelang. Am 11. November war der Kontrakt gemacht, am 6. Dezember reiste ich nach Wien und am 9. legte ich die ganze Geschichte dem Kaiser vor. Gott sei Dank, lief alles gut ab; höchsten Orts, bei Minister, Komitee – und allen Freunden. Vor Weihnachten kam ich zurück und seitdem ist eine Wirtschaft mit Anstalten und Briefschreiben, daß ich erst heute dazu komme, Ihnen die Geschichte meiner Irrfahrten, mein Leidwesen über den versäumten Besuch und meine guten Wünsche für Ihr und der Ihrigen Wohlergehen in meinem lehrreichen und berühmten Briefstil zu unterbreiten. Ohne von Zeit zu Zeit einen Brief von Ihnen zu bekommen, halte ich für ein sehr zurückgekommenes und verarmtes Leben, und mir sagen zu müssen, daß Sie nichts mehr von mir wissen wollen, hieße soviel – es wird aber nicht so sein. Sie werden mir wieder einmal schreiben und wenn der ärgste Tratsch vorbei ist, werden wir uns auch wiedersehen. Heute habe ich auch die Kartons für die neue Arbeit angefangen, und soll so ein froher Tag mit dem freundlichsten Gruß an Sie und die Ihrigen schließen. Ihr aufrichtigst ergebener M. v. Schwind.


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