Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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Karlsruhe, 29. Oktober 1843 (an Genelli)

Ihre Betrachtungen, verehrter Freund, über die niederländischen Bilder sind mir aus der Seele geschrieben. Obgleich ich sie nicht gesehen habe, sehe ich doch den Jubel, den sie erregen, und da frage ich die Leute in Gedanken, warum sie denn, wenn ihnen Kolorit so sehr imponiert, nicht außer sich geraten, wenn sie Bilder von Paul Verones sehen, von Raphael und Michelangelo gar nicht zu sprechen? und dann weiter, ob sie sich denn gar nicht veranlaßt sehen nachzudenken, ob die Umstände, unter denen eine solche Ausbildung möglich ist, uns armen zerstreuten deutschen Robinsonen gegeben sind? Zwanzig Jahre läßt man uns brach liegen und dann sollen wir Wunder tun, ein Publikum entzücken, das den Kopf voll Forderungen hat, die die Natur andern Nationen gestellt hat. O Deutschland, das du immer für das begeistert bist, was dich nichts angeht! Daß übrigens, was Kolorit betrifft, etwas geschehen muß, ist gewiß. Ich für meine Person brenne vor Begierde, etwas darin zu leisten. Ich habe mich mit den Freskoarbeiten möglichst geplagt und wäre mit den letzten Sachen zufrieden. Dafür darf ich aufhören und kann vier Jahre für versäumt ansehen – das macht mich aber nicht müde, im Gegenteil hab ich das angenehme Gefühl wieder erlangter Freiheit und Muße. Zwei Aufträge für Ölbilder habe ich mit vollem Eifer ergriffen als eine gute Gelegenheit, meine Kräfte in diesem Fach, dem ich mich jetzt ganz widme, zu prüfen. Ich habe mich ganz auf mein Haus beschränkt, lasse niemand in mein Atelier, welches aus einem kleinen Zimmer mit einem Fenster besteht, und schaffe was nur immer möglich ist. Das Gefühl des viel Versäumthabens ist zu lebendig, als daß ich Rast und Ruhe haben könnte. Sie sehen, daß selbst bis in diesen Brief herein mich das Getreibe verfolgt, aber ich kann's nicht ändern. Ist einmal etwas getan, und bin ich von hier fort, so will ich auch wieder ausrasten und denken. Mit großem Bedauern habe ich schon früher von der Krankheit Ihrer Frau Gemahlin gehört. Gott sei Dank, daß alles wieder gut ist. Ein solcher Fall würde mich ohne Zweifel auch aufs Trockne setzen. Hat sich Ihre Familie vermehrt?

Der Rhein ist etwas in den Hintergrund gedrängt, wird aber nach München kommen. Ci vole danaro um das große Ding anzufangen. Das größere jener Bilder, das ich eben zeichne, 5 Schuh hoch, 3 breit, ist komischer Natur. Gnomen haben über Nacht einen steilen Fels hinan einen Weg gebahnt und schlüpfen in ihre Höhle, während ein Rittersmann, dem sie den Gefallen getan, zur Burg hinaufreitet, wo ihn seine Geliebte, der Preis des Wagestücks, empfängt. Es sind etliche 20 Figuren.

Bei Liszt frage ich mich auch manches. Es ist kein Zweifel, daß der Mensch auf dem Klavier Wunder tut. Aber welche Ehren gebühren verhältnismäßig denen, die in der Musik Wunder getan haben? Wäre von Ideen bei ihm die Rede, würde der Beifall kein so lärmender sein, denn die Zuhörer würden mehr geistig als nervig angeregt sein und mithin keine Disposition zu solchen Extravaganzen haben.

Leben Sie recht wohl und nehmen Sie vorlieb. Ich habe Verdruß mit dem Architrav und eben zwischen diesen Brief hinein einen anmutigen Zettel beantwortet. Hol die Kerle alle der Teufel. Niemand soll froher sein als ich, wenn ich aus dieser von oben bis unten unzuverlässigen, ordinären badischen Wirtschaft draußen bin. Ihrer Frau Gemahlin meine und meiner Frau beste Empfehlungen. Allen Freunden Grüße. Von ganzem Herzen Ihr Freund Schwind.


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