Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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Frankfurt, 17. März 1845 (an Genelli)

Sehr verehrter Freund! Seit ich weiß, daß Sie auf das Aussehen der Schrift aufmerksam sind, schneide ich so lang Federn, bis alle nichts nütz sind. Gestern hatte ich endlich eine Konferenz mit Radowitz, deren hoffnungsvolles Resultat ich Ihnen gleich berichten will. Er sagt a) er hätte mir nicht geschrieben, weil er immer auf dem Sprung gewesen, hieher zu kommen, und lieber mit mir gesprochen. b) Versprach er mir, daß er alles aufbieten wolle, den König zu einem ersprießlichen Schritt gegen Sie zu bewegen, und das aus aufrichtiger Entzückung über Ihre Arbeiten. c) Sei er gerne bereit zu schreiben und einen Brief von Ihnen einzubegleiten, könne uns aber versichern, daß das zu gar keinem Resultate führen würde. Wir möchten ihm zutrauen, daß er wisse, wie man es anstellen müsse, um zu Ende zu kommen – den König zur rechten Stunde sprechen, und zwar so, daß auf den ersten Anlauf alles fertig sei. Im Mai oder Juni würde er mit ihm zusammenkommen, würde mir schreiben und wünsche eine Reihe von Fragen von mir beantwortet, um auf alles gerüstet zu sein. Er meint, man könne entweder einen tüchtigen Auftrag oder eine Berufung nach Berlin mit einem Gehalt beantragen. Jetzt seien Sie so gut und schreiben Sie mir, was Sie darüber denken. Sie haben an Radowitz einen sehr warmen protectore, und daß er beim König etwas vermag, ist bekannt. Ich sagte ihm auch, daß [der preuß. Geh. Hofrat] Waagen dem König die Hexe gezeigt und welche Antwort darauf erfolgte. Wie sehr sich R. für Sie interessiert, zeigt seine Replik »Es handelt sich nicht um die Richtung, sondern um das Talent.« Das wäre also so weit gut.

Würden Sie uns noch etwas von Ihren Kompositionen anvertrauen, um es der Majestät zu zeigen, wo möglich etwas Gefärbtes? Da Sie die Hexe nicht notwendig zu brauchen scheinen, setze ich Ihre Erlaubnis voraus, sie noch drei Wochen zu behalten.

Von mir zu reden, habe ich bereits einen Flügel vom Sängerkrieg untermalt. Wäre der Karton nicht so sehr schlecht ausgefallen, hätte ich ihn nach München geschickt. Ich kam aber, da eine alte Komposition in eine neue verwandelt werden muß, in ein so fatales Ändern und Flicken, daß mir die Geduld ausging. Ich bin begierig, wie man eine Arbeit aufnehmen wird, die weder in italienischer noch in niederländischer Sprache vorgetragen ist. Namentlich habe ich für die letzte gar keinen Löffel. Im Mai, wenn das Ding untermalt ist, will ich einen kleinen Ausflug nach Dresden machen, um wieder einmal etwas recht Gutes zu sehen. Die Pariser Reise muß bis übers Jahr verschoben werden, da ich doch auch nach London möchte und im Herbst daselbst gar nichts zu sehen ist.

Frau und Kinder sind wohlauf. Gestern abends dachte ich viel an Sie. Ich war in einer großen Gesellschaft, wo nebst andern guten Dingen auch die Szene des Orpheus gesungen wurde, von der Ihnen die paar Bruchstücke, die ich singen konnte, Vergnügen machten. Diesmal war ich nicht Orpheus, sondern eines der Gespenster, die ihm anfangs trotzen und zuletzt von seinem Gesange erweicht werden. Ich kam erst um zwei Uhr nach Hause. Dies und das schändlichste Wetter der Welt, Schnee, Regen, Wind, Glatteis und Nebel helfen mit, diesen Brief, den ich aber doch nicht aufschieben will, möglichst verwirrt zu machen. Nebst dem Sängerkrieg habe ich übernommen: Allegorische Dinge zur »Geschichte des Erzherzog Karl«!Geschildert von Eduard Duller. Wien 1847. Können Sie sich so was denken? und ich mache es mit vielem Interesse, es werden gegen fünfzig Stück. Kennen Sie Tristan und Isolde? Dazu soll ich eine ähnliche Dekoration machen wie das Nibelungenlied von Schnorr. Ich arbeite wieder recht gerne, in dem verteufelten Karlsruhe war mir schon alles verleidet. Der Rhein ist doch unter aller Kritik gezeichnet, läßt sich aber verbessern. Wenn wir's noch dahin bringen, daß Ihr König das Seinige tut, und ich erwarte das beste, dann habe ich meine besten Tage. Frankfurt ist eine ganz plausible Stadt, und ich fasse nach und nach wieder das Zutrauen zu mir, daß ich was zustande bringen könnte, was die Möglichkeit in der Malerei etwas erweitert. Radowitz teilte mir die Idee des Jüngsten Gerichts mit, wie sie der König von Cornelius ausgeführt haben will, – das hätte ich nicht erwartet, und wünschte nur, C. hätte Courage genug, es von sich auf Sie überschreiben zu lassen. Dieses traurige Komponieren und von andern ausführen lassen schneidet dem Gedeihen der Kunst die Sehne ab. Es wird so weit kommen, daß die lächerliche Lage zur Tagesordnung wird, in der ich mich befunden, als ich für Hohenschwangau Kompositionen liefern sollte, um sie von Leuten, denen nichts einfiel, verballhornen zu lassen, und in München Schwanthalerische Kompositionen ausführen sollte. War das eine andre Zeit imstand als unsere?

Ihrer Frau und Kindern alles Schöne von der meinen und Ihrem Freund

Schwind.


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