Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 6. März 1866 (an Bauernfeld)

L. F.! Das ist freilich eine traurige Nachricht.Es handelt sich um die Nachricht von dem Unglück des Hauses Wertheimstein, worüber Schwind am 9. Februar 1867 Näheres berichtet. Ich habe auch zusehen müssen, wie mir ein Kind gestorben ist, ein kleines Ding, das noch nicht reden konnte, es starb an seinem ersten Geburtstag und ich kann es heute noch nicht vergessen. Einen erwachsenen Sohn habe ich auch und war besorgt um sein Leben, daher weiß ich, daß die Redensart vom zweischneidigen Schwert nicht ums Haar übertrieben ist.

Der arme Mann, der seine Frau jahrelang leiden sieht, wo der noch den geringsten Widerstand gegen so einen Schlag auftreiben soll, das weiß der Himmel! und die arme gute Frau, sie darf gewiß glauben, wenn ich ihr was abnehmen könnte von ihrem Jammer, ich würde mich nicht besinnen. Schreiben werde ich ihr nicht, und es tut mir leid genug, daß ich vor ganz kurzem an sie geschrieben habe, und zwar über den guten Karl in einer Weise, die ihr jetzt nur weh tun kann. Es könnte sein, daß der Brief erst am Dienstag gekommen ist und noch wo herumliegt. Ich habe nicht mehr anders gedacht, als daß es sich um einen tüchtigen Mann handelt und habe oft das leere Zimmer meines Sohns drauf angesehen, daß es den guten Burschen ganz gut beherbergen könnte, wenn er hätte bei uns was lernen wollen. Hätte ihm auch nicht geschadet, sich das gar gute Leben ein wenig abzugewöhnen.

Was Du vom Aufhören des Individuums sagst, das ginge mir gerade noch ab. Es ist mir mein Lebtag nicht eingefallen, daran zu zweifeln. Wie oder wo, das macht mir keine Sorgen. Sollten wir wirklich unsern alten Schubert nicht mehr sehen und so viele Freunde, und sollten keine guten Tage bereitet sein für so viele, die ihr ganzes Leben in Qual und Krankheit zubringen? Für die arme Josephine, die immer krank ist und jetzt noch so was aushalten muß! Das wäre hart. Wenn die Wertheimstein soweit sind, daß man ihnen so was sagen mag, so sag ihnen, daß, wenn wir in Wien sind, wir alles aufbieten werden, ihnen über eine Stunde wegzuhelfen, meine Frau, die Marie und ich. Die Frau ist im Augenblick in Frankfurt und Karlsruhe, ich habe ihr gleich geschrieben.

Ich habe auch traurige Tage mit einem alten Freund, dessen Frau im ärgsten Typhus zwischen Leben und Sterben liegt, und wo man nicht weiß, ob nicht Wahnsinn auch mit im Spiel ist. Sind das alles Sachen!

Leb recht wohl und grüße die Wertheimstein tausendmal von mir. Die arme Franzl muß auch schon solche Dinge erfahren! Du wirst ihnen gewiß auf alle Weise beistehen, ich weiß, Du kannst es und hast das Herz auf dem rechten Fleck. Lebe wohl und schreib recht bald wieder, ich bin recht in Sorge. Dein alter Schwind.


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