Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 27. April 1850 (an Schädel)

Liebster Freund Schädel! In wohlgeheizter Stube, dem weitentfernten Frühling entgegenfrierend, Sonntags Morgen dazu, nach durchgeschanzter Woche, kann man nichts Besseres tun als schreiben. Nun also in den vierzigen bist Du auch, wohl bekomm's. Ich wünsche nur, daß Du Deinem begeisterten Grafen genug abgefordert hast. Deine Kunst wird Dir jetzt mehr Freude machen, da Du sie nicht mehr melken mußt. In Deiner neuen Stellung kannst Du mir vielleicht behilflich sein, meinen alten Plan eines ländlichen Rückzugs ins Werk zu setzen, ich laufe doch in der Welt herum wie in dem fatalen Traum, wo man die Hosen vergessen hat. Es nützt auch nichts, wenn man das Publikum in Entzücken versetzt, wie ihr schreibt, daß der Fall war, weder das Institut noch einer von all den reichen Menschen fragt auch nur, was das kosten könnte. So war's in Frankfurt, so war's hier und wird auch überall so sein, man kann es nicht brauchen und ich darf zur Belohnung für die gehabte Mühe ein paar Monate lang hinsitzen und Kinderbücher illustrieren und ähnliches Lumpenzeug zum Schaden meiner Augen, meines Renommees und meines Fortschreitens in der Kunst. Was soll man sagen: es wurde in Vorschlag gebracht, diese Komposition [die Symphonie] als Vereinsblatt zu stechen, und ein ganz schäbiger Columbus, von Hanfstängl lithographiert, siegte glanzvoll dagegen.

Wegen der Seitenstücke wäre ich nicht im geringsten in Verlegenheit. Auf der Zauberflöte habe ich längst eine Zusammenstellung gemacht, und die vier Jahreszeiten und Schöpfung gäben eine Wand für den alten Haydn. Auch sehe ich nicht ein, warum ein Zimmer nicht mit dem einen Bilde genug haben sollte gerade über dem Klavier, was mehrenteils die einzige breite Wand ist, und übrigens kleine Sachen.

Wohlauf ist Gott sei Dank alles. In unserm Park ist der Verschönerungen manche entstanden. Frau Louisl mit einem großen Pinsel hat sämtliche Tische und Bänke mit einem frischen Grün angestrichen, »dem Auge zur Erquickung dar«. Verschiedene Stauden, die einst ein undurchdringlicher Hain werden sollen, sind angepflanzt. Im Atelier habe ich meinen Sitz für diesen Sommer aufgeschlagen und zittere bei dem Gedanken, daß ich wieder in die Akademie werde hinein müssen. Hier fange ich um sechs Uhr an, in die Akademie komme ich nie vor acht Uhr, und habe eine Störung nach der andern auszuhalten. Ich wollte, ich wär's wieder los. Von den nach Berlin und Prag ausgesandten Bildern verlautet nichts, und ich zweifle nicht, daß sie alle wieder an mein Vaterherz zurückkehren werden. Wir haben in unsrer Kunst auch Meyerbeer und Proch, wer soll sich da um unsereinen kümmern. Ich bin über alles das sehr getröstet, seit ich die Hand des Schicksals darin sehe. Deutschland muß es büßen, daß es 35 Jahre lang mit Kotzebue, Clauren, Eugen Sue, Donizetti und solchen Schuften gebuhlt hat. Mein Leben ist ein sehr kleines Äderchen des ganzen, aber es läuft dasselbe Blut darin wie im ganzen. Leb recht wohl und schreib bald wieder Deinem alten Freund Schwind.


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