Moritz v. Schwind
Künstlers Erdewallen
Moritz v. Schwind

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München, 5. Februar 1861 (an Schädel)

Lieber alter Freund! Gratuliere von Herzen zu Deiner neuen Würde. Mögen die beiden Eltern alle mögliche Freude an dem kleinen Ding erleben und baldmöglichst eines dazu kriegen, da eines doch zu wenig ist. Wie nimmt sich denn Deine Frau als Großmama aus? Wenn man denn doch älter werden muß, so geht's in einem hin. Bei mir ist es noch nicht so weit, aber wer weiß, wie's geht. Die Anna, freilich erst sechzehn Jahre alt, ist ein Stück größer als ich, und die andere schiebt ordentlich nach. Gott sei Dank sind sie jetzt alle gesund, nachdem ich fast zwei Monate lang ein förmliches Spital im Haus gehabt habe, an Grippen, gastrischen Zuständen, zerschlagenen Schienbeinen u. dergl., so daß Weihnachten erst zu hl. drei König gefeiert werden konnte.

Wegen Deiner Lieder bin ich noch am Tage des Empfangs Deines Briefes zu Diez gegangen. Vor allem meint sie, da Du jetzt in Darmstadt bist, wären Gastrollen daselbst ganz angezeigt. Den Brief ließ ich sie zu ihrem großen gaudio lesen und erhielt den erwarteten Bescheid, Du möchtest sie nur schicken oder besser herbringen, da würde sich's bald zeigen, was Rechtens ist. In Anbetracht, daß es außer Kindern und katarrhalischen Menschen fast gar keine Kranken gibt, wäre es gar nicht schlecht gedacht einmal herzurutschen. Ein Bett und ein Zimmer hab ich und Bier gibt's auch genug! also aufgepackt. Ein gutes Konzert könnte Dir auch nicht schaden, wer weiß, wie lang es noch so bleibt. Mir täte es auch wohl, mich einmal recht auszuschwätzen, denn ich bin nach und nach in eine fast ungesunde Einsamkeit geraten. Ich hab allen Respekt und bin sehr dankbar für gesunde Kinder, aber »Tages Arbeit, Abends Gäste« ist auch kein schlechtes Rezept. Da habe ich's nicht so gut wie Du in Deinem allerliebsten Freundeskreis. Es kommt recht selten, daß bei mir musiziert wird. Dann ist es aber der Mühe wert, selbst von Darmstadt herzureisen.

Um von meinen Arbeiten etwas zu sagen, habe ich neulich die heiligen drei Könige in die Kirche transportiert und auf den Platz stellen lassen, für den sie bestimmt sind. Im ganzen bin ich mit der Wirkung sehr zufrieden, aber es fanden sich auch Sachen, die mit wenig Mühe zum Vorteil geändert werden müssen. Auf eine so große Distanz wirkt eben manches doch anders als im Atelier. Nach dem Karneval gehe ich dran und mache ein Ende. Zu Ostern wird es zwei Jahre, daß ich die ersten Striche gemacht habe. Dazwischen ist die Sammlung der »Reisebilder«, wovon Dein tapferer Schwiegersohn einiges gesehen hat, bis auf achtundzwanzig Stück angewachsen. Kann sein, ich bringe es bis zur allgemeinen Ausstellung, die dieses Jahr in Köln statthat, bis auf sechsunddreißig, dann könnte ich ausstellen. Geht's nicht, ist's auch recht, gar zu stark hetzen mag ich mich auch nicht. Zu Volksliedern, von Dr. Scherer gesammelt, habe ich sechs Zeichnungen gemacht, eine große Arabeske für die Frau Diez, gelegentlich einer Feier ihrer 25jährigen Sängerschaft. Mehrere Wochen verschlang auch eine Überarbeitung der Photographien von den sieben Raben, behufs einer gehörigen und wohlfeileren Ausgabe, die hoffentlich bald erscheinen wird. Mit der andern bin ich nicht sehr einverstanden. Wie froh bin ich, daß die Schachergeschichte ein Ende hat und Kontraktus unterschrieben ist. So alt ich bin, kann ich die Sauerei nicht gewöhnen, Kunstsachen als Gegenstand des Mäkelns und Schacherns behandelt zu sehen. Ich krieg immer das Fieber. Nach Köln habe ich vor mit der Frau zu reisen und die Einladung nach Antwerpen mitzumachen, woran sich eine kleine Meerfahrt anreihen sollte. Mit der Kirchenarbeit habe ich dann große Steine vom Herzen und will mir's gut gehen lassen, wenn es Gottes Wille ist. Grüße Tochter und Enkel, die jetzt die allerwichtigsten Personen sind, Frau, Kinder, Schwiegersohn und alle Freunde und schicke oder bringe Deine Lieder bald. Dein alter Freund Schwind.


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